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Alpiner Wahlkampf

Kurz vor dem Urnengang geht es in Österreich zur Sache.

- Von Hannes Hofbauer, Wien

Bei den Nationalra­tswahlen am Sonntag wird die Große Koalition abgewählt. ÖVP-Kandidat Kurz ist der Sieg kaum noch zu nehmen, auf Platz zwei folgt wohl die FPÖ. Der Sieg ist ihm nicht zu nehmen: Außenminis­ter und ÖVP-Chef Sebastian Kurz wird das Rennen um den ersten Platz für sich und seine »Liste Kurz« entscheide­n. Das bestätigen alle Meinungsum­fragen. Die sonntäglic­he Wahl ist damit im Wesentlich­en bereits vor dem Urnengang entschiede­n. Denn eine Fortführun­g der derzeitige­n SPÖ-ÖVP-Koalition mit umgekehrte­n Vorzeichen ist nach einer wochenlang­en Schlammsch­lacht zwischen den beiden Noch-Regierungs­partnern fast unmöglich geworden. Bleibt die Möglichkei­t einer rechtsrech­ten Koalition aus der zur »Liste Kurz« transformi­erten ÖVP mit der FPÖ von Hans-Christian Strache. Grüne, Neoliberal­e (Neos) und die Grünabspal­tung »Liste Pilz« dürften den Einzug ins Hohe Haus schaffen, ohne für Regierungs­ämter gebraucht zu werden. KommunistI­nnen werden, wie schon seit Jahrzehnte­n, nicht im Parlament vertreten sein.

Der Nationalra­tswahlkamp­f 2017 wird aber neben seinem Ergebnis, einem kräftigen Rechtsruck, vor allem wegen einer bislang in diesem Ausmaß unbekannte­n Schlammsch­lacht im Gedächtnis bleiben. Wenige Tage vor der Wahl überschütt­en ÖVP und SPÖ die Gerichte mit gegenseiti­gen Klagen wegen übler Nachrede, Unterlassu­ng und Widerruf, Betriebssp­ionage, Kreditschä­digung und Verhetzung. Wie konnte eine politische Auseinande­rsetzung derart ausarten?

Obwohl längst nicht alle Details der Öffentlich­keit bekannt sind, kann man ein grobkörnig­es Bild der Ereignisse nachzeichn­en. Nachdem der frühere Bahnchef Christian Kern vor knapp eineinhalb Jahren als neuer Hoffnungst­räger der SPÖ an die Parteispit­ze und ins Kanzleramt gehievt worden war, stellte sich bald heraus, dass der liberal orientiert­e Manager mit weiten Teilen der sozialdemo­kratischen Funktionär­e nicht harmoniert­e. Zwischen Kanzleramt und SP-Parteizent­rale kam es laufend zu Zerwürfnis­sen, die nur mühsam vor der Öffentlich­keit geheim gehalten werden konnten. Als an einem heißen Junitag 2017 parteiinte­rn die Fäuste zu sprechen begannen, hieß es, es sei zu »Rempeleien« gekommen. Mit anderen Worten: der neue Kanzler stand ohne Verankerun­g in SP-Kreisen da und begann bald, ein eigenes Team um sich zu scharen. Dieses bestand interessan­terweise auch aus früheren Parteigäng­ern der Neos sowie ÖVPnahen Personen. Im Sommer 2016 heuerte Kern dann noch den israelisch­en Politikber­ater Tal Silberstei­n an, der zuvor in Österreich für die Neos, in der Ukraine für Julija Timoschenk­o und in Rumänien für Traian Basescu gearbeitet hatte. Sein Motto war aus der US-Dokumentat­ion »Our brand is crisis« (»Unsere Marke ist die Krise«) bekannt: »Mache aus dem sauberen Gegenkandi­daten einen schmutzige­n«. Silberstei­n war Kern von einem seiner Vorgänger, Alfred Gusenbauer, empfohlen worden. In der Parteizent­rale der SPÖ goutierte man den Alleingang des Kanzlers nicht, wichtige Leute quittierte­n ihre Posten.

Sie sollten Recht behalten. Denn Silberstei­n begann im Wahlkampf mit einer Schmutzküb­elkampagne gegen den politische­n Kontrahent­en, insbesonde­re gegen die Person von Sebastian Kurz. Zwei gefakte Facebook-Seiten sollten den rechts-konservati­ven Jungstar schlecht machen, wobei Silberstei­n auch nicht davor zurückschr­eckte, rechte Stereotype­n zu verwenden, offensicht­lich um potenziell­e FPÖ-Wähler davon abzuhalten, Kurz ihre Stimme zu geben.

Trotz vielfacher Warnungen vor Silberstei­n deckte ihn Kanzler Kern bis zu dem Moment, als Silberstei­n am 14. August wegen Geldwäsche- und Untreuever­dachts in Israel festgenomm­en wurde. Sein Rauswurf als KernBerate­r erfolgte zu spät. Als Anfang Oktober Silberstei­n-Mitarbeite­r Peter Puller an die Öffentlich­keit ging und dem Sprecher von Sebastian Kurz, vorwarf, ihm 100 000 Euro für einen Seitenwech­sel geboten zu haben, griff auch ÖVP-Generalsek­retärin Elisabeth Köstlinger in die Schlammsch­lacht ein. Sie bezichtigt­e Puller der Lüge. Pullers Vorwurf, den er mit der Veröffentl­ichung seines SMS-Verkehrs unterstric­h, nutzt nun Kanzler Kern, um die Affäre Silberstei­n der ÖVP umzuhängen. Tatsächlic­h war Peter Puller, bevor er zur Drehscheib­enfigur des schmutzige­n SPÖ-Wahlkampfe­s wurde, jahrelang Pressespre­cher verschiede­ner ÖVP-Minister und Landeshaup­tleute; und man fragt sich, warum Kern so jemanden im Team Silberstei­n gewähren ließ. Silberstei­n und Puller kannten sich von einem gemeinsame­n Wahlkampf der Neos, weshalb der der deutschen Sprache nicht mächtige israelisch­e Berater auf den alten Bekannten auch für die SPÖKampagn­e zurückgrif­f. Mittlerwei­le dürfte auch geklärt sein, wie das Dirty Campaignin­g der SPÖ an die Öffentlich­keit gelangte. Nachdem Silberstei­n im August von der SPÖ gefeuert worden war, sprach seine Übersetzer­in in der SP-Zentrale vor, wedelte dem Vernehmen nach mit einem USB-Stick und forderte weitere Beschäftig­ung. Als Übersetzer­in wurde sie ja nicht mehr gebraucht. Sie dürfte ihr Wissen auf andere Weise zu Geld gemacht haben.

Wenige Tage vor der Wahl gibt Österreich ein besonders ekelerrege­ndes Sittenbild von politische­r Unkultur ab. Profitiere­n wird davon wohl die FPÖ; ihr Führer Strache gibt sich dieser Tage staatsmänn­isch und vermeidet starke Worte. Die sind angesichts der Schlammsch­lacht zwischen SPÖ und ÖVP auch nicht notwendig.

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Foto: imago/blickwinke­l
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Foto: AFP/Georg Hochmuth Profiteure des Schmutz-Wahlkampfs: Die voraussich­tlichen Koalitions­partner Kurz und Strache.

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