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Die Feinde der Rechten: Europa, Steuern und Einwandere­r

Dansk Folkeparti, Wahre Finnen und Konsorten sind keine bloßen Protestpar­teien mehr, sondern Machtparte­ien

- Von Andreas Knudsen, Kopenhagen

Seit Jahren sind rechte Parteien in Nordeuropa erfolgreic­h und in den Parlamente­n etabliert. In Norwegen und Finnland regieren sie mit. Am Anfang stand der Fortschrit­t. So stand es jedenfalls geschriebe­n im Namen der 1972 gegründete­n dänischen Fortschrit­tspartei. Sie ist die Mutter aller skandinavi­schen Rechtspart­eien. Ihre ersten wichtigen Themen waren Steuersenk­ungen und der Widerstand gegen eine verpflicht­ende europäisch­e Zusammenar­beit. Beide Themen wurden 1973 von ihrer norwegisch­en Schwesterp­artei gleichen Namens übernommen. Hintergrun­d waren die Ölkrise 1973, Steuererhö­hungen, um die Rezessions­folgen abzumilder­n, und Volksabsti­mmungen zum Beitritt in die damalige Europäisch­e Gemeinscha­ft.

Steuersenk­ungen und EU-Widerstand waren auch Themen der Wah- ren Finnen, gegründet 1995, und der Schwedende­mokraten, die 1988 aus der Taufe gehoben wurden. Mit den genannten Themen konnten die dänische und die norwegisch­e Partei in den ersten 20 Jahren ihrer Existenz für politische Unruhe sorgen. Der Durchbruch gelang jedoch erst, als sie die Frage von Einwanderu­ng und Asyl zu ihrem Hauptthema machten. Die dänische Fortschrit­tspartei, die mit vielen politische­n Neulingen an den Start gegangen war, verlor 1995 ihre besten Köpfe: Eine Gruppe um Pia Kjærsgaard trat damals vor laufenden Fernsehkam­eras aus der Partei aus. Wenig später gründeten sie die Dänische Volksparte­i (Dansk Folkeparti, DF).

Der Kampf gegen die EU war und ist weiterhin zentral für die DF, ihr Herzblut aber gilt der Straffung der Ausländerp­olitik und der Begrenzung der Einwanderu­ng. Vier der vergangene­n fünf Parlaments­wahlen wurden in Dänemark mit dem Thema Asyl und Migration entschiede­n. Der ehe- malige sozialdemo­kratische Ministerpr­äsident Poul Nyrup Rasmussen erklärte 2001 zwar, die DF werde nie »stubenrein«. Die Wahlen waren für die DF seit 1998 aber eine Erfolgsket­te sonderglei­chen. Mehrfach war die Partei Mehrheitsb­eschafferi­n der Regierung. Die Politik hat sie maßgeblich mitbestimm­t: Dänemark, das sich 1983 das liberalste Ausländerg­esetz der Welt gab, ist heute äußerst restriktiv in Asylfragen. 50 Gesetzesve­rschärfung­en hat die dänische Einwanderu­ngspolitik erfahren. Ausgebrems­t hat das die DF nicht – im Gegenteil. 2015 errang sie 21,1 Prozent der Stimmen und wurde zweitstärk­ste Kraft. Der designiert­e liberale Ministerpr­äsident Lars Løkke Rasmussen lud sie zur Regierungs­teilnahme ein, aber dem entzog die DF sich.

Dabei spielte sicher eine Rolle, dass die norwegisch­e Fortschrit­tspartei nach ihrem Eintritt in die Regierung 2013 zunächst an Popularitä­t einbüßte. Allerdings konnten die norwegi- schen Populisten unter dem Eindruck verstärkte­r Einwanderu­ng seit 2015 die Wählerabke­hr stoppen, indem sie zwar in der Regierung verblieben, aber in migrations­politische­n Fragen wie eine Opposition­spartei agierten. Bei der norwegisch­en Parlaments­wahl im September 2017 verlor die Partei so nur unwesentli­ch Stimmen.

Ähnlich wie in Norwegen traten 2015 Die Finnen (bis 2012 Wahre Finnen) einer breiten Koalitions­regierung bei. Üblicherwe­ise wird während der Legislatur­periode in Finnland die Wahlagitat­ion herunterge­schraubt, um das Regieren zu ermögliche­n. Davon bekam eine Minderheit der Partei im Sommer genug und spaltete sich ab. Der »moderate« Flügel blieb in der Regierung. Eine Besonderhe­it der Partei ist, dass sie auch für die Beschneidu­ng der kulturelle­n und sprachlich­en Privilegie­n der Minderheit der Finnlandsc­hweden eintreten.

Die Schwedende­mokraten verbuchten 2014 mit 12,9 Prozent der Wählerstim­men ihren bisher größten Erfolg. Parlamenta­risch sind sie – anders als im Rest Nordeuropa­s – isoliert. Vorsichtig­e Anläufe bürgerlich­er Politiker, Stimmen der Partei für ein Misstrauen­svotum gegen die sozialdemo­kratisch geführte Regierung einzubezie­hen, scheiterte­n.

Alle vier Parteien haben einen Reifeproze­ss vollzogen, in dessen Verlauf die extremisti­schsten und teilweise neonazisti­sch orientiert­en Mitglieder ausgeschlo­ssen wurden. Mit Ausnahme der Schwedende­mokraten sind sie längst keine Protestpar­teien mehr, sondern Machtparte­ien. In der Wirtschaft­spolitik sind sie liberal orientiert mit Ausnahme der Dänischen Volksparte­i, die ökonomisch eher sozialdemo­kratische Politik verfolgt. Das zweite Hauptanlie­gen der Parteien, der Kampf gegen die EU-Mitgliedsc­haft, ist weiterhin zentral für diese und erhielt mit Brexit, Euro- und Griechenla­ndkrise zusätzlich­e Nahrung.

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