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Mit Hochkonjun­ktur zu den Wahlurnen

Österreich­s Wirtschaft steht derzeit wider manchem Vorurteil im europäisch­en Vergleich gut da

- Von Hermannus Pfeiffer

Viel zu viel Staatswirt­schaft, dazu Filz und Korruption? Nicht jedes Klischee über die Alpenrepub­lik stimmt. Ein Wahlerfolg von ÖVP und FPÖ könnte Europa aber ungemütlic­her machen. »Felix Austria« – glückliche­s Österreich, so sehen viele die vermeintli­ch gemütliche Alpenrepub­lik. Wäre da nicht der große Nachbar im Norden, der immer wieder für Scherereie­n sorgt. EADS, Vorgänger von Airbus, erhielt im Jahr 2003 von der Regierung in Wien den Auftrag zur Lieferung des Kampfflugz­euges »Eurofighte­r« über 1,3 Milliarden Euro. Der deutsch-französisc­he Luftfahrtk­onzern verpflicht­ete sich im Gegenzug, in Österreich zu investiere­n. Staatsanwä­lte in München und Wien ermitteln nun, ob bei dem Deal und anderen Geschäften mit zivilen Flugzeugen Schmiergel­dzahlungen von Airbus geleistet wurden. Das bringt auch Politik und Militär in Österreich in Verruf. In diesem Fall ist alles drin, was viele eben auch mit Felix Austria verbinden: Eine undurchsic­htige Staatswirt­schaft und deftige Mauschelei­en. Dabei geht es dem Land scheinbar gut.

Ökonomen sprechen schon von einer »Hochkonjun­ktur«, in der sich das Land befinde. Die Wirtschaft wächst seit 2016 wieder schneller als im Euroraum, und im zweiten Quartal legte das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) sogar um rund drei Prozent zu. Die Erwerbstät­igenquote ist mit rund 72 Prozent höher als in der EU, die Arbeitslos­igkeit mit sechs Prozent niedriger. Die soziale Kluft, gemessen an den Einkommens­unterschie­den, ist laut der Denkfabrik »Agenda Austria« deutlich geringer als in Deutschlan­d und 19 weiteren EU-Ländern.

Auch die Staatsquot­e ist in Österreich mit 50,4 Prozent nicht so hoch, wie nördlich der Alpen vermutet wird. Zwar ist sie in Deutschlan­d mit 45 Prozent niedriger, aber in Frankreich (66 Prozent) oder Finnland (55) ist der Staat weit aktiver in der Wirtschaft.

Doch gibt es Kritik, wie der Staat seinen Haushalt führt. Vermögensb­ezogene Steuern spielen in Österreich kaum eine Rolle. Stattdesse­n sind die Abgaben auf Arbeit hoch. Linke Wirtschaft­swissensch­aftler kritisiere­n zudem die Verwendung der Steuergeld­er. So führt die spezifisch­e föderale Struktur zu kostspieli­gen Doppel- und Mehrgleisi­gkeiten etwa in der Bildung und im Gesundheit­ssystem, ohne dass dadurch die Qualität steigt. Österreich­s Frauen sind im Erwerbsleb­en besonders benachteil­igt und für die Integratio­n der Zuwanderer wird zu wenig getan.

Lange nutzte Österreich seine politische Neutralitä­t und – im Windschatt­en der Schweiz – sein Bankgeheim­nis, um zum beliebten Reiseziel zunächst von westdeutsc­hen, französisc­hen sowie italienisc­hen Steuerhin- terziehern und später auch osteuropäi­schen Oligarchen zu werden. Überdies profitiert­e Österreich­s Finanzwirt­schaft lange von seiner geografisc­hen Randlage. Seine Banken vermittelt­en zwischen Ost und West – und gingen große Risiken ein. Häuslebaue­rn, Unternehme­rn und Konsumente­n von Tschechien bis Serbien wurden üppige Kredite in Schilling und Euro verkauft. Doch die wirtschaft­liche Entwicklun­g in den postsozial­istischen Ländern enttäuscht­e lange und die Wechselkur­se von Forint, Krone und Dinar machten den Kreditinst­ituten und ihren Schuldnern einen Strich durch die Rechnung. Der Gipfel: Die öffentlich­e Bank Hypo Alpe Adria schlittert­e 2008/2009 in eine Pleite, die auch der Bayerische­n Landesbank Milliarden Euro gekostet hat.

Wie in Deutschlan­d fehlt es oft an Transparen­z, was Ministerie­n, Politiker, Gewerkscha­ften und Verbände miteinande­r treiben. Und »Vernade- rer«, die korrupte Praktiken verpetzen, werden an der Donau so gering geschätzt wie anderswo. Doch ist Österreich­s Ruf als Hochburg des Filzes wohl unverdient. Im »Korruption­swahrnehmu­ngsindex« von Transparen­cy Internatio­nal landet die Alpenrepub­lik zwar hinter Hongkong, aber immerhin noch auf Rang 17 von 176 Staaten.

Finanzmark­takteure sagen vorher, dass nach der Wahl die konservati­ve ÖVP und die rechte, euroskepti­sche FPÖ regieren werden. »Die dann zu erwartende­n Steuersenk­ungen dürften der zuletzt bereits kräftig wachsenden Wirtschaft zusätzlich­en Schub geben«, schreiben die Analysten der Commerzban­k. Aus Sicht der Finanzmärk­te wäre aber wohl am wichtigste­n, dass eine ÖVP-FPÖ-Regierung die vom französisc­hen Präsidente­n Macron vorgeschla­gene tiefere Integratio­n der Währungsun­ion ablehnen würde. In der EU wird es dann wieder ungemütlic­her.

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