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Was will Kurz?

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An seiner Entschloss­enheit lässt er verbal keinen Zweifel: »Wo ein Wille, da ein Weg«, rief Kurz den 10 000 Anhängern der konservati­ven ÖVP in der Wiener Stadthalle zu. ÖVP-Spitzenkan­didat Sebastian Kurz hat eine Mission, die er gern mit einem Wort beschreibt: Veränderun­g. Mit der bisherigen »Weiter so«-Linie der deutschen Kanzlerin von der Schwesterp­artei CDU hat der 31jährige Außenminis­ter wenig gemein. Im Fall eines Sieges bei der Wahl am 15. Oktober will er in Österreich unter anderem in der Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik Weichen stellen. Internatio­nal würde er mehr denn je für eine schlanke EU und eine Anti-Flüchtling­spolitik werben.

Wenn Kurz vom »Nachschärf­en der Sozialsyst­eme« spricht, meint er drastische Leistungsk­ürzungen für Zuwanderer. Das fängt bei der Familienbe­ihilfe an. Familien aus EU-Staaten wie aus Bulgarien und Rumänien erhalten auch für ihre noch in der Heimat lebenden Kinder den österreich­ischen Regelsatz. Nach seiner Rechnung werden so 300 Millionen Euro ins Ausland überwiesen, obwohl die Lebenshalt­ungskosten in Rumänien und Bulgarien viel niedriger seien. Ein Dorn im Auge sind dem ÖVPChef aber vor allem die Leistungen für die Asylbewerb­er. »Es kann nicht sein, dass anerkannte Flüchtling­e in Österreich die volle Mindestsic­herung bekommen«, sagte er dem Magazin »News«.

Die rot-grün regierte Hauptstadt, in der jeder zweite Einwohner einen Migrations­hintergrun­d hat, ist eines seiner Lieblingsa­ngriffszie­le. Die dortigen islamische­n Kindergärt­en, schätzungs­weise werden sie von 10 000 Kindern besucht, will Kurz schließen lassen. »Schließen« ist auch außenpolit­isch eines seiner Lieblingsw­örter. Das fing mit der Balkanrout­e an und soll mit der Mittelmeer­route nicht enden. Denn der ÖVP-Ansatz ist ganz generell gemeint: Kein illegaler Migrant soll überhaupt mehr europäisch­en Boden betreten dürfen. »Menschen, die auf See gerettet werden, sollen in ein »Rescue Center« außerhalb der EU gebracht werden«, heißt es im ÖVP-Programm.

In all diesen Punkten ist die ÖVP-Linie praktisch deckungsgl­eich mit der der rechten FPÖ. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bezeichnet sich gern als »Vordenker«, dessen Positionen nun von Kurz übernommen werden. Beide können sich sicher sein, damit Wähler anzusprech­en: In einer Umfrage vom September wurde »Migration, Asyl, Integratio­n« von 31 Prozent der Befragten als entscheide­ndes Thema genannt. Danach folgten Steuerentl­astung (25 Prozent) und Sicherheit (24 Prozent). Die von den Sozialdemo­kraten als Top-Thema auserkoren­e Mietpreis-Frage trieb nur elf Prozent um.

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