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Geringe Bewährungs­strafe für türkischen Spion

Gericht: MIT-Informant Fatih S. ging »nicht sehr profession­ell« vor / Vermeintli­che Mordpläne spielten keine Rolle

- Von Sebastian Bähr

Zwei Jahre auf Bewährung lautete der Urteilsspr­uch gegen einen türkischen Staatsbürg­er. Er hatte in Bremen Kurden ausspionie­rt. Der türkische Staatsbürg­er Fatih S. ist wegen Spionage für den türkischen Geheimdien­st zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Das Hamburger Oberlandes­gericht sah es am Dienstag als erwiesen an, dass der Kurde mit dem türkischen Geheimdien­st MIT zusammenge­arbeitet hat. Der Angeklagte soll über mehrere Monate hinweg die kurdische Szene insbesonde­re im Raum Bremen ausgeforsc­ht haben. Als Strafe muss der 32-Jährige 21 000 Euro zahlen. Dies sei der Mindestbet­rag, den S. vom MIT für seine Spionagetä­tigkeiten erhalten habe, so die Richterin.

Der Vorwurf gegenüber den Angeklagte­n lautete »Geheimdien­stliche Tätigkeit gegen die Bundesre- publik Deutschlan­d«. Fatih S. legte kein Geständnis ab, bestätigte aber Drohungen sowie eine Weitergabe von Informatio­nen an den MIT.

Das angesichts der Brisanz des Falles relativ schwache Urteil wurde mit verschiede­nen Umständen begründet: Zum einen hielt das Gericht Fatih S. zu Gute, dass er »nicht sehr profession­ell« vorgegange­n war, auch die Verteidigu­ng nannte sein Verhalten »dilettanti­sch«. Die gewonnen Informatio­nen wären laut der Richterin falsch oder hätten wenig Relevanz gehabt. Zum anderen habe sich aber auch die Kronzeugin, die ehemalige kurdische Partnerin von S., in Widersprüc­he verwickelt.

Cihan E. hatte berichtet, dass S. versucht habe, sie für den MIT anzuwerben, als sie bei ihm belastende­s Material fand. Anstatt auf das Angebot einzugehen, informiert­e sie jedoch kurdische Aktivisten, Journalist­en und Politiker über ihre Entdeckung. Ihre Aussage im Gericht fand unter hohen Sicherheit­svorkehrun­gen statt.

Die Richterin erklärte laut »Spiegel« nach der Verhandlun­g, dass es sich bei dem Fall um einen »innertürki­schen Konflikt handelt, der in Deutschlan­d ausgetrage­n wird«. Bei diesem würde die Justiz an ihre Grenzen kommen, da sie nicht mehr den Schutz von Menschen in der Türkei gewährleis­ten könne. Die Bundesrepu­blik sei aber laut »Taz« von den Spionagetä­tigkeiten nur »im unteren Bereich tangiert« wurden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Zumindest die kurdische Gemeinde Deutschlan­ds dürfte über dieses Verhandlun­gsergebnis nicht erfreut sein. Im April 2016 erfuhr der Kurde Yüksel Koc, Ko-Vorsitzend­er des »Kongresses der kurdischen demokratis­chen Gesellscha­ft in Europa« – laut Verfassung­sschutz PKK-nah –, dass er neben einer weiteren Person auf einer mutmaßlich­en Todesliste von Fatih S. stand. Dessen ehemali- ge Partnerin hatte von der Existenz solcher Papiere berichtet. Selbst das Gericht sah es als erwiesen an, dass Fatih S. vom MIT auf Koc zur Informatio­nsgewinnun­g angesetzt war.

Der Anwalt des kurdischen Politikers beschrieb auf einer Pressekonf­erenz im September, dass die Behörden die Gefahr nach Bekanntwer­den der Todesliste nicht ernst nahmen. Erst durch den Druck von kurdischen Organisati­onen und der Hamburger Linksparte­i-Abgeordnet­en Cansu Özdemir wurden Ermittlung­en eingeleite­t. Auf die Mordpläne war die Staatsanwa­ltschaft zum Unverständ­nis vieler Kurden jedoch nicht eingegange­n.

Auch aufgrund der relativ schwachen Bewährungs­strafe steht damit weiterhin die Frage im Raum, ob seitens der Staatsanwa­ltschaft versucht wird, eine Eskalation der Affäre zu vermeiden. Die Beziehunge­n zur Türkei könnten sich dadurch schließlic­h weiter verschlech­tern.

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