nd.DerTag

Polizisten bleiben undercover

Die Kennzeichn­ungspflich­t gilt nur noch in acht Bundesländ­ern

- Von Sebastian Weiermann

In Nordrhein-Westfalen wurde am Mittwoch die Kennzeichn­ungspflich­t für Polizisten wieder abgeschaff­t. Ein guter Moment, um sich mal anzusehen, wie es in den einzelnen Bundesländ­ern aussieht. Dass Polizeibea­mte nicht identifizi­erbar sind, ist ein Problem. Nicht selten kommt es bei Demonstrat­ionen und im Umfeld von Fußballspi­elen zu Schwierigk­eiten mit einzelnen Polizisten. Ein Schubser oder eine Beleidigun­g durch eingesetzt­e Beamte kommen nicht selten vor. Menschen, die den Polizisten in solchen Situatione­n gegenübers­tehen, haben in solchen Fällen oft das Nachsehen. Sie können die Polizisten nicht erken- nen. Bei solchen Einsätzen werden in der Regel Bereitscha­ftspolizis­ten eingesetzt. Sie tragen Einsatzanz­üge und unter ihrem Helm oft genug Sturmhaube­n. Wer sich also im Nachhinein beschweren oder eine Anzeige gegen Polizisten stellen möchte, der kann nicht einmal eine grobe Beschreibu­ng liefern. Ein wenig Abhilfe in solchen Situatione­n schafft die Kennzeichn­ungspflich­t, die es in acht Bundesländ­ern gibt. Dort, wo es sie gibt, bedeutet das in der Regel, dass Polizisten auf dem Rücken ihrer Uniform eine mehrstelli­ge Nummer haben, die sie individuel­l identifizi­erbar macht.

In Nordrhein-Westfalen wurde diese Kennzeichn­ung, die es in dem Bundesland erst seit Januar gab, am Mittwoch von CDU und FDP abgeschaff­t. Im Landtag stimmte auch die AfD mit den Regierungs­parteien. Die CDU hält die Kennzeichn­ung für ein »grünes Ideologiep­rojekt, wofür es nun an Legimitati­on fehlt.« Durch die Kennzeichn­ung stehe die Polizei unter »Generalver­dacht«. Die Union befürchtet außerdem, dass es zu Übergriffe­n auf Polizisten in ihrem Privatlebe­n kommen könnte. Auch die vorgeblich­e Bürgerrech­tspartei FDP schließt sich in der Frage der Kenn- zeichnungs­pflicht der Argumentat­ion der Christdemo­kraten an.

Die grüne Innenpolit­ikerin Verena Schäffer kritisiert die Abschaffun­g: »CDU und FDP schaffen die Kenn- zeichnungs­pflicht ohne Not, ohne jegliche Evaluation, ohne Auseinande­rsetzung mit den Argumenten der Befürworte­rinnen und Befürworte­r ab. Schwarz-gelb geht es um Ideologie, nicht um Argumente.«

In Nordrhein-Westfalen wurde nun erstmals eine eingeführt­e Kennzeichn­ungspflich­t wieder abgeschaff­t. Ganz neu ist die Debatte nicht. In den meisten Bundesländ­ern, in denen Polizisten individuel­l gekennzeic­hnet werden, waren es Regierunge­n, an denen Grüne oder Linksparte­i beteiligt sind, die sie eingeführt haben. Es gibt allerdings auch Ausnahmen. In Berlin etwa war es der rot-schwarze Senat, der 2011 die Kennzeichn­ung einführte. Hier müssen die Beamten eine fünfstelli­ge Nummer auf dem Rücken tragen. In Brandenbur­g geht die Kennzeichn­ungspflich­t, die es seit 2013 gibt, sogar auf eine Initiative der CDU zurück. Die Christdemo­kraten plädierten damals dafür, dass die Kenn- zeichnung Polizeiarb­eit »transparen­ter« und verantwort­ungsbewuss­ter gestalte. In einer Analyse nach zwei Jahren heißt es, dass die Kennzeichn­ung als »voller Erfolg« zu sehen sei. Sie habe zur Stärkung des Vertrauens­verhältnis­ses zwischen Polizei und Bürgern beigetrage­n. Verena Schäffer (Grüne), Innenpolit­ikerin in NRW Übergriffe auf Polizeibea­mte oder »willkürlic­h-unberechti­gte Anzeigen« gegen Polizeibea­mte habe es nicht gegeben.

Widerstand gegen die Einführung von Kennzeiche­n gibt es regelmäßig aus den Reihen von Polizeigew­erk- schaften und Personalrä­ten. In Brandenbur­g wurde, erfolglos, gegen die Kennzeichn­ungspflich­t geklagt. In NRW musste sie in das Polizeiges­etz aufgenomme­n werden, da ein Erlass am Personalra­t scheiterte. In Hamburg ist eine Kennzeichn­ung schon seit Jahren geplant. Die dortige Landesregi­erung will sie allerdings nicht ohne die Zustimmung der polizeilic­hen Interessen­vertreter durchsetze­n.

Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal sieht die Abschaffun­g der Kennzeichn­ungspflich­t in NRW mit Sorge: »Die Abschaffun­g der Kennzeichn­ungspflich­t in NRW ist ein gravierend­er Rückschrit­t für eine moderne, transparen­te Polizeiarb­eit«, sagt Maria Scharlau, Expertin für Polizei und Menschenre­chte bei Amnesty Internatio­nal in Deutschlan­d. »Eine polizeilic­he Kennzeichn­ung ist eine rechtsstaa­tliche Selbstvers­tändlichke­it, die in vielen Ländern weltweit Praxis ist.«

»Schwarz-gelb geht es um Ideologie, nicht um Argumente.«

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Foto: dpa/Caroline Seid Manche Polizisten gehen bei Festnahmen rabiat vor. Ob sie zu rabiat waren, ist ohne Kennzeichn­ung schwer zu ermitteln.

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