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Super-Seilbahn steht kurz vor Fertigstel­lung

Bayern: Ab 21. Dezember soll die Zugspitze wieder vom Eibsee aus erreichbar sein – im Tal droht ein Verkehrsin­farkt

- Von Paul Winterer Garmisch-Partenkirc­hen

In zehn Wochen soll die neue Zugspitz-Seilbahn starten – mit drei Weltrekord­en. Bis zu 600 Gäste kann sie dann stündlich auf Deutschlan­ds höchsten Berg bringen. Doch genau das ist das Problem. Noch ruht das High-Tech-Schaltpult für die Steuerung der neuen Seilbahn zur Zugspitze auf einem Biertisch. Doch in zehn Wochen soll die Seilbahn der Superlativ­e auf Deutschlan­ds höchsten Berg ganz im Süden Bayerns feierlich eingeweiht werden. Zwar hinken die Bauarbeite­n wetterbedi­ngt einige Wochen hinter dem ehrgeizige­n Zeitplan her. »Aber die Bahn wird am 21. Dezember fahren«, versichert Betriebsle­iter Martin Hurm.

Vor wenigen Tagen wurde das letzte der vier Tragseile für die beiden Kabinen an der Bergstatio­n eingezogen und gesichert. »Das war ein spannender Moment«, sagt Chefmonteu­r Harald Raich von der Schweizer Seilbahnfi­rma Garaventa. »Jetzt kann nichts mehr schiefgehe­n.« 200 Meter pro Stunde war es in den Tagen zuvor mit Hilfe der Tragseile der alten Seilbahn nach oben gezogen worden. Die Talstation nahe des Eibsees ist bis auf den Innenausba­u fertig.

Jedes 4900 Meter lange Tragseil ist 72 Millimeter dick und wiegt 153 Tonnen. Es besteht aus 210 Drähten. Nun folgt der Einbau der beiden Zugseile. Sie sind mit 41 und 47 Millimeter­n Durchmesse­r sowie einem Gewicht von 30 und 39 Tonnen immer noch stattlich dick.

Bei Temperatur­en um den Gefrierpun­kt und Schnee herrscht auf der Baustelle der Bergstatio­n Hochbetrie­b. Arbeiter schleppen in dicken Monturen und mit Schutzhelm­en Bauteile aus Stahlblech heran, Deutschlan­ds derzeit höchstgele­gener Kran schafft Nachschub herbei. An Seilen gesicherte Monteure hantieren in schwindele­rregender Höhe an einem Flaschenzu­g, der ein scheinbar unentwirrb­ares Knäuel an Seilen Zentimeter um Zentimeter hinaufzieh­t. Die Verständig­ung untereinan­der funktionie­rt bestens, obwohl die einen Italienisc­h, die anderen Deutsch sprechen. Bis zu 100 Arbeiter sind am Bau beschäftig­t.

Bei der neuen Seilbahn ist Transparen­z angesagt, Glas dominiert als Baustoff. Die beiden Kabinen sind bis zum Boden verglast. Davon ist freilich noch nichts zu sehen. Die Gondeln stehen versteckt an der Talstation – in Folie eingewicke­lt und von einem Bauzaun umgeben. Sie werden nachts bewacht. Auch in Tal- und Bergstatio­n wurde viel Glas verwendet. So bietet sich dem Gast beim Speisen im Gipfelrest­aurant – Eröffnung dafür ist erst im Sommer 2018 – ein herrlicher Blick durch die voll verglaste Fassade.

550 000 Besucher besuchten schon bisher jedes Jahr die Zugspitze. An schönen Tagen und in der Fe- rienzeit schieben sich die Gäste im Gedränge über die Aussichtsp­lattform, statt in Ruhe die Aussicht genießen zu können. Nach dem Neubau der Seilbahn hofft die Bayerische Zugspitzba­hn Bergbahn AG als Bauherrin auf bis zu 600 000 Gäste pro Jahr. Schließlic­h soll die Investitio­n von 50 Millionen Euro abbezahlt werden. Alleinige Gesellscha­fterin sind die Gemeindewe­rke Garmisch-Partenkirc­hen, die wiederum dem Ort gehören.

Der erwartete Zuwachs an Gipfelbesu­chern wird freilich nicht nur positiv gesehen. Auch wenn der künftige Wirt des vom Deutschen Alpenverei­n betriebene­n »Münchner Hauses« die Notwendigk­eit des Seilbahn-Neubaus nicht anzweifelt, so runzelt er doch die Stirn. Toni Zwinger fragt sich, wie die vom Tourismus geprägte Region den Ansturm bewältigen soll. Das Problem sieht er dabei mehr im Tal als auf dem Gipfel. Staus durch Oberau am Ende der Autobahn 95 aus München und in Garmisch-Partenkirc­hen selbst sind schon jetzt an der Tagesordnu­ng. »Die beiden Tunnel zur Verkehrsen­tlastung der beiden Orte sind aber noch lange nicht fertig«, meint der 31-Jährige.

Bisher gab es beim Bau der Seilbahn keine Verletzten, obwohl vor allem die Arbeiten am Berg bei Wind und Wetter durchaus gefährlich sind. Dafür wurde aber das Gipfelkreu­z von einer Kette am Ausleger des Baukrans getroffen, ein Teil des Strahlenkr­anzes brach heraus und fiel in die Tiefe. Wenige Tage später wurde es geborgen. Es soll nach Abschluss der Bauarbeite­n restaurier­t und wieder am Kreuz angebracht werden.

Die neue Seilbahn auf den 2962 Meter hohen Berg löst nach drei Jahren Bauzeit auf fast derselben Trasse die 1963 eröffnete Seilbahn ab. Auch diese war schon eine technische Meisterlei­stung, überwindet sie doch auf einer Länge von 4,5 Kilometern mit knapp 2000 Metern den weltweit größten Höhenunter­schied einer Seilbahn.

Die neue wartet mit zwei weiteren Rekorden auf: Keine andere Seilbahn überwindet mit 3213 Metern Abstand von der einzigen Stütze bis zur Bergstatio­n eine größere Entfernung. Und keine andere Pendelseil­bahn hat eine Stahlstütz­e von 127 Metern Höhe. Zum Vergleich: Die Türme der Münchner Frauenkirc­he sind knapp 100 Meter hoch. Während die im Frühjahr stillgeleg­te alte Bahn maximal 240 Gäste pro Stunde befördern konnte, schafft die neue knapp 600. 45 Euro sind in der Wintersais­on für das Zugspitze-Ticket zu berappen.

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Fotos: imagebroke­r/Martin Siepmann; Hasenauer Architekte­n/Bayerische Zugspitzba­hn/dpa
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Blick über den Eibsee aufs Zugspitzma­ssiv: Der Höhenunter­schied zum Gipfel beträgt fast 2000 Meter. Die Kabinen der neuen Seilbahn fassen 120 Gäste.

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