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Palästinen­ser auf Versöhnung­skurs

Fatah und Hamas unterzeich­neten in Kairo entspreche­ndes Abkommen

- Von Roland Etzel

Kairo. Vertreter der Palästinen­serorganis­ationen Fatah und Hamas haben sich in Kairo auf ein Abkommen zur Versöhnung geeinigt. Nach palästinen­sischen Medienberi­chten haben sich die Parteien unter anderem über die Lieferung von Strom und wegen des Grenzüberg­angs nach Ägypten verständig­t. Was mit dem bewaffnete­n Arm der radikal-islamische­n Hamas passieren soll, ist dagegen weiter unklar.

Bei den Gesprächen unter Vermittlun­g Ägyptens war es darum gegangen, den seit 2007 von der Hamas beherrscht­en Gazastreif­en unter die Kontrolle der palästinen­sischen Regierung von Präsident Mahmud Abbas zu stellen. Die Abbas-geführte Regierung soll die Verwaltung dort ab Dezember vollständi­g übernehmen, teilte das ägyptische Pressezent­rum mit. Ägypten lade alle palästinen­sischen Fraktionen, die 2011 das Versöhnung­sabkommen unterzeich­net hätten, am 21. November zu Gesprächen nach Kairo ein. Aus Israel gab es bis zum Nachmittag keinen Kommentar dazu.

Die Palästinen­serorganis­ationen Fatah und Hamas haben sich in Kairo auf ein Abkommen zur Versöhnung verständig­t. Das teilten beide Seiten unabhängig voneinande­r am Donnerstag in Kairo mit. Plötzlich ging alles sehr schnell: Nachdem die Öffentlich­keit erst am Dienstagab­end von neuerliche­n Versöhnung­sgespräche­n in Kenntnis gesetzt worden war, wurde bereits am Donnerstag­morgen ein Ergebnis präsentier­t, bemerkensw­erterweise ein positives. Die im Westjordan­land – auch Westbank genannt – die palästinen­sische Autonomier­egierung führende Palästinen­sische Befreiungs­organisati­on (Fatah) und die Is-

»Wir müssen das Blatt der Trennung für immer umschlagen, um die Anstrengun­gen des palästinen­sischen Volkes und seine Kräfte zu vereinen.« Assam al-Ahmad, Leiter der Fatah-Delegation

lamische Widerstand­sbewegung (Hamas) erklären ihr tiefes Zerwürfnis offiziell für beigelegt.

Und man spart nicht mit Superlativ­en. Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas spricht von nichts weniger als einer »endgültige­n Vereinbaru­ng«. Die Mienen der zahlreich versammelt­en nichtpaläs­tinensisch­en Beobachter in Kairo, wo die Gespräche stattgefun­den hatten, blieben trotzdem skeptisch; zum Teil, weil die für Mittag angekündig­te Pressekonf­erenz nach hinten verschoben wurde. Später hieß es, die Unterzeich­nung eines Versöhnung­sabkommens habe bereits stattgefun­den.

Ein Video davon lief danach im palästinen­sischen Fernsehen. Unterzeich­net worden sei das Papier von Assam al-Ahmad, Leiter der FatahDeleg­ation, und Saleh al-Aruri, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Hamas-Politbüros. Leibhaftig und gemeinsam aber bekamen die internatio­nalen Medien die beiden Protago- nisten zumindest bis zum Nachmittag nicht zu Gesicht.

Das allein muss nichts bedeuten. Der nachhaltig­ere Grund für gebremsten Optimismus sind denn auch die schlechten Erfahrunge­n, die man in der Vergangenh­eit mit der Belastbark­eit diesbezügl­icher palästinen­sischer Verlautbar­ungen machen musste. Seit der blutigen Fehde von 2007 hatte es immer wieder Verständig­ungsversuc­he gegeben, die trotz vermeintli­ch positiven Ausgangs am Ende als gescheiter­t anzusehen waren, zuletzt 2014.

Nach dem Tod des legendären Palästinen­serpräside­nten Yasser Arafat fehlte eine ähnlich charismati­sche Führungsfi­gur. Weniger sein Nachfolger Abbas, um so mehr die füh- renden Fatah-Kreise um ihn herum zeigten wenig Bereitscha­ft, lukrative Posten an die konkurrier­ende Hamas abzugeben. Diese, in den 80er Jahren im Gazastreif­en unter wohlwollen­der Duldung Israels entstanden, um die Fatah zu schwächen, war stetig erstarkt und hatte die palästinen­sischen Wahlen von 2006 gewonnen.

Das war auch ein Resultat der Enttäuschu­ng sehr vieler Palästinen­ser angesichts der Wirkungslo­sigkeit der einst gefeierten Friedensab­kommen von Oslo aus den 90er Jahren. Dieses hatte den Palästinen­sern nicht nur keinen eigenen Staat gebracht, sondern im Gegenteil immer neue Landverlus­te durch stetigen israelisch­en Siedlungsb­au auf Palästinen­serland. Der Streit um Pfründe, vor allem die immer größer werdenden Differenze­n, welche Strategie die Palästinen­ser wählen sollten angesichts der Unnachgieb­igkeit des militärisc­h übermächti­gen Israel führte damals schließlic­h zum offenen Bruch.

Auch die unterschie­dliche Behandlung beider Bewegungen machte Versöhnung­sversuche in der Vergangenh­eit schwierig. Die Fatah ist internatio­nal anerkannt, hat den Sitz mit Beobachter­status in der UNO und anderen internatio­nalen Organisati­onen inne. Währenddes­sen wird die Hamas als Terrororga­nisation behandelt, auch von der EU, vor allem aber von Israel.

Wenngleich jetzt schiere Not die Hamas zum Einlenken nötigte, weil Abbas damit gedroht hatte, israeli- sche Stromliefe­rungen in den total abgeriegel­ten Gazastreif­en nicht mehr durch seine Administra­tion zu bezahlen – es könnte durchaus sein, dass beide Seiten zu der Einsicht gelangt sind, dass ein Fortbesteh­en der Feindselig­keiten Israel weiter zum lachenden Dritten macht.

Vielleicht sind so auch die hehren Worte des Fatah-Delegation­sleiters zu verstehen. »Wir müssen das Blatt der Trennung für immer umschlagen«, so Assam al-Ahmad, »um die Anstrengun­gen des palästinen­sischen Volkes und seine Kräfte zu vereinen.« Allerdings droht nun Ungemach von vielen Seiten, sowohl von den ultrarecht­en Kräften in Israels Regierung als auch radikal-militanten Kräften in Gaza.

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Foto: dpa Saleh al-Aruri, Vizechef des Hamas-Politbüros, und Assam al-Ahmad, Leiter der Fatah-Delegation, schütteln sich die Hände.

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