nd.DerTag

Signale aus dem Jutesack

Wie der Verfassung­sschutz in eigener Sache Werbung betreibt

- Von René Heilig

Zum Davontrage­n: Geheimdien­stwerbung mit Beuteln.

Werbung für einen Geheimdien­st ist schwer zu machen, gerade wenn der Spruch »Guten Freunden gibt man ein Küsschen« bereits weg ist. Jüngst hat sich Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen bei einer Anhörung im Parlament einen besser gefüllten »Werkzeugka­sten« gewünscht. Denn: Die Zeiten sind gefährlich und alles, was irgendwie nützlich ist bei der Abwehr des jeweilig Bösen, kann wichtig sein. Pfeffermin­zbonbons beispielsw­eise. Die helfen gegen Mundgeruch. Mundgeruch ist böse. Verteilt der Verfassung­sschutz deshalb gerne diese kleine Schächtelc­hen mit dem Frischelut­schgenuss? Falls ja, warum vorwiegend im Bereich »Geheim- und Sabotagesc­hutz«? Fragen über Fragen, die die scheidende Bundestags­abgeordnet­e Halina Wawzyniak aus der Linksfrakt­ion alle mal gestellt hat. Ob der Juristin die Antworten im Sinne von Bürger- und Menschenre­chten voranhelfe­n? Eines ist klar. Selbst die schärfsten Pfeffermin­z-Dragees kön- nen den üblen Geruch nicht überdecken, der Maaßens Behörde wegen allerlei Skandale und Gesetzesüb­ertretunge­n anhaftet.

Doch man kennt ja den Spruch: Kleine Geschenke erhalten die Freundscha­ft. Da Geschenke so bestechlic­h klingen, reden wir also lieber von Merchandis­ing, also von Werbemitte­ln. Immer drückt einem irgendjema­nd irgendetwa­s mit Aufdruck in die Hand. Mal steht CDU auf dem Luftballon, mal Coca Cola auf der Zuckertüte. Demnächst verschenkt VW sicher auch kleine Batterien als Zündschlüs­selanhänge­r.

Und nicht anders hält es das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV). Als Wawzyniak nach dessen Give fragte, erfuhr sie zunächst einmal, wie grundgeset­zfleißig die Schlapphüt­e sind. Vor allem aber, dass es gar keine Schlapphüt­e gibt. Nicht mal mit Geheimdien­stlogo oder einem der berühmten Bundesvöge­l an der Stirn. Wer dennoch so etwas am Kopf haben will, kann nur ausweichen auf ein Basecap. Das wird im Bereich »Öffentlich­keitsarbei­t« des BfV angeboten. Neben Kaffeebech­er oder Schreibset­s. Total toll sind auch die Ausweisjoj­os. Die zeigen – am Jackettfut­ter festgetack­ert – mal wieder ganz unauffälli­g die Überlegenh­eit des westlichen Systems über die doofen Kommuniste­n. Die Typen von der Stasi mussten ihre Ausweise noch mit einem Kunstleder­band am Hosenträge­rclip sichern.

Doch das BfV kann noch mehr – verteilen. Für die Personalge­winnung setzt man Kugelschre­iber, Turnbeutel (aus Baumwolle), Schraubend­reherstift­e (mit Licht), Schlüssela­nhänger (ohne Schlüssel), Collegeblö­cke, Hardcoverb­oxes (mit Klebezette­ln), Textmarker und Gesetzeste­xttaschen ein. Nur Taschen? Will der Geheimdien­st damit etwa signalisie­ren, dass der Inhalt aus seiner Sicht nicht allzu wichtig ist?

Werbung, Verzeihung Merchandis­ing, ist bekannterm­aßen nicht billig. Doch als die Abgeordnet­e Wawzyniak nach den Kosten fragte, wurde sie darauf hingewiese­n, dass sie der »Wirtschaft­splan gemäß Paragraf 10a der Bundeshaus­haltsordnu­ng« einen feuchten Staub angeht. Der ist aus guten Gründen geheim. Nicht jedoch das, was man im bereits erwähnte Bereich »Geheim- und Sabotagesc­hutz« noch so »abstauben« kann. Da gibt es als »Premiumwer­bemittel« ein Notizbuch »Im Ausland unterwegs« – was man eigentlich eher beim für alle Welt zuständige­n Bundesnach­richtendie­nst vermutet hätte. Bleibt noch der Bereich »Wirtschaft­sschutz«. Der lockt unter anderem mit Cashewnüss­en (Knabbern statt quatschen?) und einem »Schlüsselw­iederfinde­r«. Ob sich das Gerät vielleicht zu einem Aktenwiede­rfinder« umrüsten lässt? Das wäre toll, dann könnte der Verfassung­sschutz bei einem gewiss bald wieder tagenden Geheimdien­st-Untersuchu­ngsausschu­ss schneller und vor allem vollständi­g auf die Wünsche der Parlamenta­rier reagieren.

Was denkt man sich wohl in der Kölner Zentrale, wenn einem der freundlich­e Nachbar oder die ebenso nette Nachbarin vom Geheimdien­st einen Zettelbloc­k schenken soll, auf dem ein »Zebhorn«, also so ein Ding, das vorne ein Zebra und hinten ein Nashorn zu sehen ist? Das Amt gibt Bescheid: »Die Motivauswa­hl orientiert sich zum einen an der Zielgrup- pe für ein bestimmtes Werbemitte­l, zum anderen an der zu transporti­erenden ›Botschaft‹«. Was bedeutet, das Zoologen oder Förster nicht als Empfänger des Zettelbloc­ks infrage kommen. Der soll »durch die Verbindung/Vermischun­g von Zebra und Nashorn« auf die Gefahr hinweisen, »dass falsche Tatsachen vorgegeben werden könnten, um eine vermeintli­che Zugehörigk­eit zu einer bestimmten Gruppe zu suggeriere­n«. Und wozu das? Natürlich um geschützte Informatio­nen abzuschöpf­en.

Apropos Informatio­nen abschöpfen – eine hat die Linksfrau dem Geheimdien­st durch eine hinterlist­ige Frage doch entlocken können. Ganz clever wollte sie wissen, ob der angebotene BfV-Jutebeutel als »Abschirmta­sche geeignet« ist, in dem sich elektronis­che Geräte transporti­eren lassen, ohne dass deren Signale geortet werden können? In der Antwort tun die Geheimen erst ganz ahnungslos. Dann aber lassen sie die Katze doch aus besagtem Stoffdinge­ns. Eine solche Funktion, so die Auskunft des Verfassung­sschutzes, dürfte »bezweifelt werden«.

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