nd.DerTag

Mit Wasserdamp­f gegen die Erderwärmu­ng

Die künstliche Beeinfluss­ung des Weltklimas mittels Geoenginee­ring ist höchst umstritten

- Von Benjamin von Brackel

Bei einer Konferenz in Berlin diskutiert­en über 150 Experten darüber, ob der Einsatz von Geoenginee­ring-Methoden zur Abkühlung der Erde eines Tages vertretbar sein könnte. Es ist eine verlockend­e Idee, die einige Ingenieure bei der Bekämpfung des Klimawande­ls haben: Statt die Welt abrupt aus ihrer Abhängigke­it von fossilen Energien zu reißen, könnten wir mittels Geoenginee­ring ein wenig mehr Zeit gewinnen. Zum Beispiel, indem man Spiegel ins All bringt, die um die Erde kreisen, Sonnenstra­hlen reflektier­en und so zur Abkühlung beitragen. Oder, indem Schwefel oder gar Diamanten in die Stratosphä­re gestreut werden, die ebenfalls die Sonnenstra­hlen reflektier­en – ganz wie nach einem Vulkanausb­ruch.

Die meisten Forscher sind sich einig, dass einige dieser Ideen durchaus technisch realisierb­ar wären. Auch ein Kühlungsef­fekt gilt als ziemlich sicher. Allerdings verbinden sich mit diesen Methoden des Solar Radiation Management­s (SRM) eine ganze Reihe gravierend­er Folgeprobl­eme und moralische­r Fragen. Über das kontrovers­e Thema diskutiert­en die Teilnehmer einer großen Geoenginee­ringKonfer­enz von Montag bis Donnerstag im Berliner Umweltforu­m. Geladen hat das Potsdamer Institute for Advanced Sustainabi­lity Studies, dessen wissenscha­ftlicher Direktor Mark Lawrence vor allem bezweckt, dass endlich in der breiten Öffentlich­keit über Geoengenee­ring geredet wird. Schließlic­h dürfe man einen möglichen weiteren epochalen Eingriff des Menschen ins Weltklimas­ystem nicht nur ein paar Dutzend Wissenscha­ftlern überlassen.

Zu denen gehört David Keith von der Universitä­t Harvard, der in Ber- lin sein Projekt Scopex vorstellte: Im Herbst 2018 sollen mithilfe eines Ballons in 20 Kilometern Höhe Partikel in die Stratosphä­re ausgestreu­t werden, um zu testen, wie sich die Partikel dort verhalten. Es wäre das bislang größte SRM-Experiment unter realen Bedingunge­n.

Geoenginee­ring selbst sei das noch nicht. »Das ist absolut kein Test, um zu prüfen, ob das funktionie­rt«, sagte Keith. Denn die Mengen an Kalziumkar­bonat oder Wasserdamp­f, die in die Stratosphä­re gebracht werden sollen, seien mit weniger als einem Kilogramm verschwind­end gering. Ziel ist dagegen, die Risiken eines möglichen Großeingri­ffs ins Klimasyste­m zu testen: Rieseln die Partikel wieder hinab auf die Erde? Wie reagieren sie in der Stratosphä­re? Zerstören sie die Ozonschich­t? Verändern sie die Wettermust­er auf der Erde?

Zugleich wies Keith auf den Grund hin, warum er daran forscht: Das Ziel, die Erderwärmu­ng auf unter zwei Grad oder sogar auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wie es das Pariser Weltklimaa­bkommen vorsieht, ist laut aktuellen Untersuchu­ngen kaum noch möglich. Jedenfalls, wenn wir »nur« Kohle, Öl und Gas den Rücken kehren. »Selbst wenn wir die Emissionen auf null reduzieren, garantiert das nicht, dass wir ohne Risiken bleiben«, sagte Keith. Denn das Klima hat sich bereits gewandelt, wie die jüngste Welle von Hurrikanen der Kategorie Fünf in der Karibik und vor der Küste der Vereinigte­n Staaten noch einmal deutlich gemacht hat. Mit der Manipulati­on des Klimas sei es zumindest technisch möglich, unter 1,5 Grad zu bleiben, so der Wissenscha­ftler.

Manche Umweltexpe­rten sehen hingegen schon die Diskussion über solche »Lösungen« als Gefahr an. »Es gibt keine Notwendigk­eit, Geoenginee­ring zu betreiben«, sagte Lili Fuhr von der grünen-nahen Heinrich-BöllStiftu­ng. Stattdesse­n müsse sich die Welt darum kümmern, von den fossilen Energien loszukomme­n. Experiment­e wie das von Keith überschrei­ten für Fuhr zudem eine rote Linie – sie könnten ein Einfallsto­r bie- ten, dass Geoenginee­ring in großem Stil dereinst in die Tat umgesetzt wird. Dann, so warnt die Geografin und Umweltpoli­tikexperti­n, könne ein neuer militärisc­h-industriel­ler Komplex entstehen, der undemokrat­isch sei und von der fossilen Industrie dominiert werden könnte, die Geoenginee­ring als Entschuldi­gung nimmt, weiter Kohle, Öl und Gas zu verfeuern.

Keith erwiderte, dass er keine Gelder von der fossilen Industrie nehme. Überdies begleite ein unabhängig­er Beirat sein Projekt, der darauf acht gebe, dass keine Gefahren für Umwelt und Gesundheit bestehen. Nur: Was ist, wenn sich etwa die USA oder China der Idee bemächtige­n, ohne internatio­nale Absprachen anzuwenden und so der ganzen Welt ein bestimmtes Klima aufzudrück­en? Solche Aktionen könnten zu Gegenmaßna­hmen bis hin zum Krieg führen.

 ?? Foto: imago/Science Photo Library ?? Anhänger des Geoenginee­rings möchten gerne am Weltklima herumschra­uben.
Foto: imago/Science Photo Library Anhänger des Geoenginee­rings möchten gerne am Weltklima herumschra­uben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany