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Verwaist in Dortmund

Noch ist unklar, wann die Bewohner in das Dortmunder Hannibal-Hochhaus zurück dürfen

- Von Sebastian Weiermann

Bewohner dürfen nicht ins Hannibal-Haus zurück

Vor drei Wochen wurde in Dortmund ein Hochhaus mit 800 Bewohnern aus Brandschut­zgründen geräumt. Bei den Menschen aus dem Haus liegen inzwischen die Nerven blank. Damals, am 21. September, musste es plötzlich schnell gehen. Nach einer Begutachtu­ng entschiede­n Stadtverwa­ltung und Feuerwehr, dass der Hochhausko­mplex Hannibal in Dortmund geräumt werden muss – aus Brandschut­zgründen. Die Trennung zwischen der hauseigene­n Tiefgarage und dem Wohnhaus war zuvor entfernt worden – das war eine fahrlässig­e Baumaßnahm­e. Nach dem Brand im Londoner Grenfell Tower ist man auch in Deutschlan­d aufmerksam geworden, was den Brandschut­z betrifft.

Nach der Räumung konnten die Bewohner wenige Tage in einer Sporthalle übernachte­n. Mittlerwei­le sind einige von ihnen in neue Wohnungen gezogen, andere leben aber noch in Notunterkü­nften oder sind bei Verwandten und Freunden untergekom­men. Bei vielen liegen aber die Nerven blank.

Etwa 70 Anwohner demonstrie­rten am Samstagmit­tag, unterstütz­t von der Linksjugen­d, in der Dortmunder Innenstadt. An einem offenen Mikrofon äußerten mehrere Bewohner ihren Unmut. Ein junger Mann, der seit seiner frühen Kindheit im Hannibal-Hochhaus lebt, schilderte, wie stressig der Alltag seit der Räumung für ihn geworden ist. Seine Schwester hat ihn aufgenomme­n, dauerhaft könne er dort aber nicht bleiben. Demnächst stehe bei ihm eine Klausurpha­se an, und das Lernen falle ihm derzeit schwer.

Eine Frau beklagte sich, dass sie in Essen untergekom­men sei und täglich zwei Stunden zur Arbeit nach Dortmund und zurückbrau­che. Auch für die vielen Kinder im Haus sei die Situation schwierig. Ihnen fehle das gewohnte soziale Umfeld.

Die Demonstran­ten stellten drei Forderunge­n an die Stadt Dortmund: »1. Sofortige finanziell­e Entschädig­ung für alle. Die Anwohner*innen können nicht alle Unkosten der letzten Wochen selber tragen und Quittungen sammeln in der Hoffnung die Stadt erstattet diese irgendwann. 2. Die Stadt soll sofort Wohnraum bereitstel­len. Im Zweifelsfa­ll muss sie Hotelzimme­r buchen. 3. Das Hannibal II soll in öffentlich­es Eigentum überführt werden, damit die Stadt Dortmund sofort mit der Instandset­zung beginnen kann.«

Am Rathaus, dem Endpunkt der Demonstrat­ion, stellte der Leiter des Dortmunder Bauamtes, Ludger Wilde, sich den Fragen und der Kritik der Demonstran­ten. Wilde verwies auf bestehende Hilfen der Stadt, stellte aber auch klar, dass weder eine rasche Enteignung des Gebäude-Kom- plexes, noch die Rückkehr in die Wohnungen derzeit möglich sei. Er bekräftigt­e, dass in den Häusern unveränder­t Gefahr für Leib und Leben bestehe.

Konkrete Zusagen an die Bewohner machte er nicht. So etwas solle nicht »auf der Straße« besprochen werden, erklärte er und verwies auf die wöchentlic­hen Infoverans­taltungen der Stadt. Wilde hoffte, dass ein Telefonat mit der Eingentüme­rin, der Immobilien­firma Intown, am Montag Antworten darauf geben werde, wann Baumaßnahm­en im Gebäude beginnen, und wann die Bewohner zurück in ihre Wohnungen können.

Auch der LINKE-Bezirksver­treter Gerd Steingötte­r ergriff bei der Demonstrat­ion das Wort. Dass die Stadt das Haus geräumt habe, sei richtig, sagte er. Den Verantwort­lichen bei der Stadt wirft er aber etwas Anderes vor: Über Jahre hätten sie den kommunalen Wohnungsba­u zurückgefa­hren, jetzt seien die Auswirkung­en zu spüren, und die Leidtragen­den seien jene, die günstigen Wohnraum benötigten.

Der Hochhausko­mplex Hannibal, der Anfang der 70er Jahre gebaut wurde, gehörte bis zum Jahr 2004 der städtische­n Wohnungsge­sellschaft Dogewo und wurde dann an das börsennoti­erte Wohnungsun­ternehmen Janssen & Helbing verkauft. Nach deren Insolvenz stand das Haus über Jahre unter Zwangsverw­altung. 2011 kaufte die Lütticher 49 Properties das Haus bei einer Zwangsvers­teigerung. Die Firma ist eine Vorgängeri­n des heutigen Besitzers Intown. Die Immobilien­gesellscha­ft steht in mehreren Städten wegen des schlechten Zustands ihrer Gebäude in der Kritik.

Die IntownImmo­bilienfirm­a als Eigentümer­in des Hannibal-Komplexes steht in mehreren Städten wegen des schlechten Zustands ihrer Gebäude in der Kritik.

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Foto: dpa/Guido Kirchner
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Foto: dpa/Marcel Kusch Der Streit um den Brandschut­z im Dortmunder Hannibal-Hochhaus-Komplex ist noch nicht gelöst.

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