Verwaist in Dortmund
Noch ist unklar, wann die Bewohner in das Dortmunder Hannibal-Hochhaus zurück dürfen
Bewohner dürfen nicht ins Hannibal-Haus zurück
Vor drei Wochen wurde in Dortmund ein Hochhaus mit 800 Bewohnern aus Brandschutzgründen geräumt. Bei den Menschen aus dem Haus liegen inzwischen die Nerven blank. Damals, am 21. September, musste es plötzlich schnell gehen. Nach einer Begutachtung entschieden Stadtverwaltung und Feuerwehr, dass der Hochhauskomplex Hannibal in Dortmund geräumt werden muss – aus Brandschutzgründen. Die Trennung zwischen der hauseigenen Tiefgarage und dem Wohnhaus war zuvor entfernt worden – das war eine fahrlässige Baumaßnahme. Nach dem Brand im Londoner Grenfell Tower ist man auch in Deutschland aufmerksam geworden, was den Brandschutz betrifft.
Nach der Räumung konnten die Bewohner wenige Tage in einer Sporthalle übernachten. Mittlerweile sind einige von ihnen in neue Wohnungen gezogen, andere leben aber noch in Notunterkünften oder sind bei Verwandten und Freunden untergekommen. Bei vielen liegen aber die Nerven blank.
Etwa 70 Anwohner demonstrierten am Samstagmittag, unterstützt von der Linksjugend, in der Dortmunder Innenstadt. An einem offenen Mikrofon äußerten mehrere Bewohner ihren Unmut. Ein junger Mann, der seit seiner frühen Kindheit im Hannibal-Hochhaus lebt, schilderte, wie stressig der Alltag seit der Räumung für ihn geworden ist. Seine Schwester hat ihn aufgenommen, dauerhaft könne er dort aber nicht bleiben. Demnächst stehe bei ihm eine Klausurphase an, und das Lernen falle ihm derzeit schwer.
Eine Frau beklagte sich, dass sie in Essen untergekommen sei und täglich zwei Stunden zur Arbeit nach Dortmund und zurückbrauche. Auch für die vielen Kinder im Haus sei die Situation schwierig. Ihnen fehle das gewohnte soziale Umfeld.
Die Demonstranten stellten drei Forderungen an die Stadt Dortmund: »1. Sofortige finanzielle Entschädigung für alle. Die Anwohner*innen können nicht alle Unkosten der letzten Wochen selber tragen und Quittungen sammeln in der Hoffnung die Stadt erstattet diese irgendwann. 2. Die Stadt soll sofort Wohnraum bereitstellen. Im Zweifelsfall muss sie Hotelzimmer buchen. 3. Das Hannibal II soll in öffentliches Eigentum überführt werden, damit die Stadt Dortmund sofort mit der Instandsetzung beginnen kann.«
Am Rathaus, dem Endpunkt der Demonstration, stellte der Leiter des Dortmunder Bauamtes, Ludger Wilde, sich den Fragen und der Kritik der Demonstranten. Wilde verwies auf bestehende Hilfen der Stadt, stellte aber auch klar, dass weder eine rasche Enteignung des Gebäude-Kom- plexes, noch die Rückkehr in die Wohnungen derzeit möglich sei. Er bekräftigte, dass in den Häusern unverändert Gefahr für Leib und Leben bestehe.
Konkrete Zusagen an die Bewohner machte er nicht. So etwas solle nicht »auf der Straße« besprochen werden, erklärte er und verwies auf die wöchentlichen Infoveranstaltungen der Stadt. Wilde hoffte, dass ein Telefonat mit der Eingentümerin, der Immobilienfirma Intown, am Montag Antworten darauf geben werde, wann Baumaßnahmen im Gebäude beginnen, und wann die Bewohner zurück in ihre Wohnungen können.
Auch der LINKE-Bezirksvertreter Gerd Steingötter ergriff bei der Demonstration das Wort. Dass die Stadt das Haus geräumt habe, sei richtig, sagte er. Den Verantwortlichen bei der Stadt wirft er aber etwas Anderes vor: Über Jahre hätten sie den kommunalen Wohnungsbau zurückgefahren, jetzt seien die Auswirkungen zu spüren, und die Leidtragenden seien jene, die günstigen Wohnraum benötigten.
Der Hochhauskomplex Hannibal, der Anfang der 70er Jahre gebaut wurde, gehörte bis zum Jahr 2004 der städtischen Wohnungsgesellschaft Dogewo und wurde dann an das börsennotierte Wohnungsunternehmen Janssen & Helbing verkauft. Nach deren Insolvenz stand das Haus über Jahre unter Zwangsverwaltung. 2011 kaufte die Lütticher 49 Properties das Haus bei einer Zwangsversteigerung. Die Firma ist eine Vorgängerin des heutigen Besitzers Intown. Die Immobiliengesellschaft steht in mehreren Städten wegen des schlechten Zustands ihrer Gebäude in der Kritik.
Die IntownImmobilienfirma als Eigentümerin des Hannibal-Komplexes steht in mehreren Städten wegen des schlechten Zustands ihrer Gebäude in der Kritik.