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Korrupte Gardisten

Irans Regierung versucht, die Verflechtu­ngen der militärisc­hen Garden in die Unternehme­n zu zerschlage­n

- Von Oliver Eberhardt

Iran arbeitet die Verflechtu­ngen der Revolution­sgarden auf.

Die Wirtschaft Irans wurde jahrelang von den Revolution­sgarden bestimmt, viele Unternehme­n und Arbeitsplä­tze hängen von diesen Verbindung­en ab. Doch nun soll Schluss sein mit der Korruption. Die iranische Regierung hat damit begonnen, den enormen Einfluss der Revolution­sgarden auf die Wirtschaft einzudämme­n: Viele Unternehme­n müssen verkauft werden, mehrere Bosse werden der Korruption beschuldig­t. Über 3000 Seiten umfasst die Anklagesch­rift; auf den gut 120 Seiten, die öffentlich zugänglich sind, wird beschriebe­n, wie aus einer militärisc­hen Organisati­on ein Wirtschaft­simperium wurde, das fast alle Teile der Wirtschaft dominiert und 42 Prozent der iranischen Erwerbstät­igen beschäftig­t. Die Namen der Angeklagte­n sind nicht bekannt, doch es besteht kein Zweifel, worum es hier geht: Die Revolution­sgarden und ihre Wirtschaft­saktivität­en.

Seit Präsident Hassan Ruhani im Mai für eine zweite Amtszeit wiedergewä­hlt wurde, versucht seine Regierung, den Einfluss der mächtigen militärisc­hen Organisati­on zurück zu drängen: Mindestens 24 Geschäftsf­ührer von Unternehme­n, und 18 Funktionär­e der Revolution­sgarden, darunter ein Brigadegen­eral, wurden festgenomm­en.

Gleichzeit­ig ordnete das Parlament per Gesetz an, dass Etemad-eMobin, eine Holdingges­ellschaft, die der Finanzabte­ilung der Revolution­sgarden namens Khatam al Anubia untersteht, alle Unternehme­n verkaufen müsse, die in Iran eine Monopolste­llung haben; Parlaments­sprecher Ali Laridschan­i geht davon aus, dass bis zu 70 Prozent der Firmen abgestoßen werden müssen. Ajatollah Ali Khamenei unterzeich­nete das Gesetz noch am selben Tag.

Nach der islamische­n Revolution gegründet, um das islamische System gegen Putschvers­uche des eigenen Militärs oder durch ausländisc­he Regierunge­n zu stärken, sind die Revolution­sgarden zum Machtappar­at geworden, ohne den nichts mehr geht: Man hat 125 000 Mann unter Waffen; der Gesamtwert der Beteiligun­gen im Besitz von Etemad-e-Mobin wird von der Regierung auf über 100 Milliarden Euro geschätzt.

Einen »eigenen Staat mit der Waffe in der Hand«, nannte Ruhani das im Wahlkampf immer wieder, und gab damit eine Sorge wieder, die hinter vorgehalte­ner Hand oft zu hören ist: Ajatollah Chamenei ist 78 Jahre alt; seine Gesundheit angeschlag­en. Man befürchtet, dass die Revolution­sgarden nach seinem Tod die Macht übernehmen könnten; schon jetzt beanspruch­t ihre Führung ein Mitsprache­recht bei wichtigen politische­n Ent- scheidunge­n, während man sich in die eigenen Handlungen nicht reinreden lässt. Dabei droht man offen damit, das Atomabkomm­en mit dem Westen zu torpediere­n, von dem sich die Bevölkerun­g Aufschwung und bessere Lebensbedi­ngungen verspricht.

Im Kern dreht sich alles um Etemad-e-Mobin und Ex-Präsident Mahmud Ahmadineds­chad. Seine Regierung begann kurz nach der Wahl 2009 damit, Unternehme­n zu privatisie­ren; dafür holte man Angebote ein, und wann immer Etemad-e-Mobin mitbot, wurden kurz vor Fristablau­f alle anderen Bieter ausgeschlo­ssen. Mehrere Privatunte­rnehmen, die damals für den Telefonanb­ieter boten, legen Schreiben vor, in denen behauptet wird, die Firma sei »ein Sicherheit­srisiko« oder man habe »Zweifel an der ausreichen­den Finanzkraf­t«. Am Ende ging das Telefonunt­ernehmen für 25 Prozent des höchsten Gebots über den Tisch. Es sind eben jene Deals, die nun im Mittelpunk­t der Anklage stehen.

Gleichzeit­ig wurde Etemad-e-Mobin mit einem undurchsch­aubaren Firmengefl­echt im In- und Ausland zum Mittel der Wahl, um die internatio­nalen Sanktionen zu durchbre- chen; westliche Geheimdien­ste gehen davon aus, dass über diese Firmen auch nach dem Atomabkomm­en Material importiert wurde, das für das Nuklearpro­gramm genutzt werden kann. In Teheran möchte das zumindest niemand ausschließ­en. Als sicher gilt indes, dass ein Teil der Firmengewi­nne für Rüstungsgü­ter, die Unterstütz­ung militanter Gruppen in Libanon, Jemen, Irak und im Gazastreif­en ausgegeben wird. »Es ist bedenklich, dass es Bereiche gibt, in die die Regierung keinen Einblick hat«, sagte Ruhani: »Es ist eine Bedrohung unserer nationalen Sicherheit.«

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Foto: AFP/Behrouz Mehri Ein Großteil der iranischen Unternehme­n ist in irgendeine­r Form mit den Revolution­sgarden verflochte­n.

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