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Rechtsruck in Österreich

Die konservati­ve ÖVP unter Sebastian Kurz verdrängt ihren bisherigen Koalitions­partner SPÖ von Platz eins / Auch die rechte FPÖ legt zu

- Von Manfred Maurer, Wien

Die vorgezogen­en Neuwahlen zum Nationalra­t in Österreich haben am Sonntag mit starken Zugewinnen für ÖVP und FPÖ den befürchtet­en Rechtsruck gebracht. Die SPÖ schnitt besser ab als erwartet.

Es war der Tag des Sebastian Kurz. Mit 31,6 Prozent verdrängt die konservati­ve Österreich­ische Volksparte­i (ÖVP) letzten Hochrechnu­ngen zufolge ihren bisherigen Koalitions­partner SPÖ von Platz eins. Allerdings blieben die Christdemo­kraten mit ihrem Plus von 7,6 Prozentpun­kten gegenüber 2013 leicht unter den Prognosen, was dem Jubel in der ÖVP-Parteizent­rale allerdings keinen Abbruch tat. Denn es dürfte feststehen, dass die vor einem halben Jahr noch am Abgrund stehende Partei mit ihrem neuen Superstar den nächsten Bundeskanz­ler stellen wird. Damit wird der erst 31-jährige ÖVPChef der jüngste Regierungs­chef der Welt werden. Bereits 2013 wurde Kurz Außenminis­ter und war in diesem Amt Europas Jüngster. Zudem war er für die Integratio­nspolitik in der Alpenrepub­lik zuständig.

Für die bislang regierende SPÖ ist es am Sonntag besser gelaufen als befürchtet. Mit 26,9 Prozent der Stimmen laut den Hochrechnu­ngen hielt sie nicht nur ihr Ergebnis von 2013, sondern behauptete auch Platz zwei. Die befürchtet­e Ohrfeige nach dem Auffliegen eines SPÖ-Wahlkampfb­eraters als mutmaßlich­er Urheber einer teils antisemiti­schen Facebook-Kampagne gegen Kurz ist ausgeblieb­en. Dennoch dürfte Christian Kern nur noch bis zur Wahl eines neuen Kanzlers am Ballhauspl­atz residieren.

Und der wird wohl Kurz heißen. Auch was die Koalitions­präferenze­n angeht, dürften die Prognosen nicht gewagt sein. Zwar hielten sich am Wahlabend alle Parteigran­den mit Aussagen zu Regierungs­bündnissen zurück. Aufschluss­reich war jedoch das Applausver­halten der schwarzen Jubelgemei­nde: Sie bejubelte nicht nur den Sieg ihres Messias, sondern auch das starke Abschneide­n der FPÖ. Die Rechtspopu­listen haben mit Heinz-Christian Strache zwar das Rennen um Platz zwei verloren, legten aber um 5,5 Punkte auf 26 Prozent deutlich zu.

Die ÖVP würde sowohl mit SPÖ als auch mit der FPÖ über eine solide Mehrheit verfügen. Eine Neuauflage der Großen Koalition unter Führung der ÖVP ist jedoch unwahrsche­inlich: Kurz hat sich im Wahlkampf als Totengräbe­r dieser Österreich eine gefühlte Ewigkeit dominieren­den Konstellat­ion inszeniert. Zwischen Kurz und Kern entwickelt­e sich zudem eine herzliche Feindschaf­t, die eine Unterordnu­ng des bisherigen Kanzlers als Juniorpart­ner des 31-jährigen Aufsteiger­s unvorstell­bar erscheinen lässt. Und nicht zuletzt sind es die großen inhaltlich­en Schnittmen­gen zwischen ÖVP und FPÖ in der Ausländer- und Wirtschaft­spolitik, die schon vor der Wahl eine schwarz-blaue Koalition wahrschein­lich machten.

Eine theoretisc­he Möglichkei­t hätte auch die SPÖ. Tatsächlic­h hat Kern eine vorsichtig­e Öffnung zur FPÖ eingeleite­t. Anderersei­ts gilt nach wie vor ein Parteitags­beschluss der SPÖ, der ihm eine Koalition mit den Rechtspopu­listen verbietet. Obwohl die SPÖ im Burgenland bereits in einer Koalition mit den Freiheitli­chen regiert, würde ein Versuch, dieses Modell auf Bundeseben­e zu übertragen, wohl zu einer Spaltung der Sozialdemo­kraten führen. NochKanzle­r Kern, der nach dem »gewaltigen Rechtsruts­ch« der Politik erhalten bleiben will, wird dies nun am ehesten auf der Opposition­sbank tun.

Das wird eine andere Partei voraussich­tlich nicht mehr können: Die Grünen sind mit 3,9 Prozent knapp an der Vier-Prozent-Hürde gescheiter­t. Es bestand nur die kleine Hoffnung, dass es nach Auszählung der Briefwahls­timmen noch reicht. Der Verlust von fast neun Prozentpun­kten ist die Folge der Grabenkämp­fe in der Partei. Diese erschütter­ten die Grünen nach der erfolgreic­hen Bundespräs­identenwah­l im vergangene­n Jahr, die Österreich mit Alexander Van der Bellen erstmals einen Grünen an der Staatsspit­ze beschert hatte. Die dann folgenden internen Streiterei­en um den Kurs der Partei hatten zunächst zum Rücktritt von Parteichef­in Eva Glawischni­g geführt und dann zur Abspaltung des Abgeordnet­en Peter Pilz. Dieser trat mit einer eigenen »Liste Peter Pilz« an und schaffte mit 4,3 Prozent der Stimmen den Hochrechnu­ngen zufolge knapp den Einzug in den Nationalra­t.

In den Koalitions­spekulatio­nen spielt die Liste Pilz aber ebenso wenig eine Rolle wie die liberalen Neos, die mit 5,1 Prozent als fünfte Partei sicher im Nationalra­t vertreten sein werden. Mit keiner dieser Kleinparte­ien hätte eine der großen Drei eine Mehrheit.

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Foto: dpa/AP/Matthias Schrader Hat jetzt noch mehr zu sagen: ÖVP-Chef Kurz.

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