nd.DerTag

Mehr als ein Warnschuss

Nelli Tügel über den Sieg des Rechtspopu­lismus in Österreich

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Der EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk befand Ende Juni, die rechten Kräfte in Europa seien »nicht mehr auf dem Vormarsch«. Diese steile These war wohl der Erleichter­ung über den Ausgang der französisc­hen und niederländ­ischen Wahlen geschuldet. Heute zeigt sich, dass sie nicht nur steil, sondern auch verfrüht war. Nicht allein wegen des deutlichen Stimmenzuw­achses für die FPÖ. Sondern auch, weil eine völlig radikalisi­erte und von den »Freiheitli­chen« in vielem ununtersch­eidbar gewordene ÖVP mit einem puren Ressentime­nt-Wahlkampf in Österreich gewonnen hat.

Und die anderen? Ein linkes Lager gab sich in letzter Zeit nicht zu erkennen. Die SPÖ schloss eine Koalition mit der FPÖ nicht grundsätzl­ich aus. Der Ex-Grüne Peter Pilz, der mit eigener Liste antrat, machte auf radikal heimatverb­unden, einwanderu­ngskritisc­h – und wünschte sich ein »Silberstei­n-freies Österreich«. Die offenkundi­g antisemiti­sche Konnotatio­n dieser Anspielung auf den Skandal um Politikber­ater Tal Silberstei­n bestreitet Pilz zwar. Da er aber nicht blöd ist, darf man annehmen, dass auch dies ein Griff in die von allen Seiten viel benutzte Trickkiste des Ressentime­nt-Wahlkampfe­s war. Die Verlierer des Abends standen jedenfalls fest, lange bevor die Wahlurnen geschlosse­n wurden: Es sind jene Menschen, gegen die die Stimmungen gerichtet sind, derer sich da bedient wurde.

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