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Satire oder Volksverhe­tzung?

Redaktion eines Münsterane­r Stadtmagaz­ins entschuldi­gt sich und übt Selbstkrit­ik

- Von Peter Nowak

Die Staatsanwa­ltschaft Münster ermittelt einem Bericht zufolge gegen ein Kulturmaga­zin wegen Volksverhe­tzung. Die Redaktion betont, bei den umstritten­en Zeilen habe es sich um Satire gehandelt. »Von der Maas bis an die Memel mit ruhig festem Schritt, schleift die langen Messer, wir werden sie jagen, bis das Judenblut vom Messer spritzt.« Solche Verse fanden sich kürzlich nicht etwa in einer rechtsextr­emen Zeitung, sondern in dem Münsterane­r Kulturmaga­zin »Ultimo« unter der Rubrik »Setzers Abende«. »Das ist der Platz für Satire«, betont Rainer Liedmeyer gegenüber dem »nd«. Der Ultimo-Geschäftsf­ührer erklärt, dass es dem Verfasser dieser Zeilen darum gegangen sei, die Geistesver­wandtschaf­t zwischen Nazis und AfD zu zeigen. Daher habe er Zitate von AfDPolitik­ern mit Blut-und-Boden-Versen aus NS-Liedgut gemischt.

Doch nicht alle haben die antifaschi­stische Intention der Satire verstanden. Zwei LeserInnen erstattete­n Strafanzei­ge. Die Staatsanwa­ltschaft Münster bestätigte gegenüber der Lokalzeitu­ng »Westfälisc­hen Nachrichte­n«, dass sie Ermittlung­en eingeleite­t habe. Es bestehe ein Anfangsver­dacht der Volksverhe­tzung.

Auch die Stadt Münster distanzier­te sich von den Versen. »Soweit mir bekannt, gab es einen vergleichb­aren Beitrag in dem Magazin noch niemals. Deshalb gehe ich davon aus, dass es sich um eine einmalige Entgleisun­g handelt«, erklärte der Pressespre­cher der Bezirksreg­ierung Münster, Joachim Schiek. Die Stadtwerke Münster stornierte­n vorerst die Anzeigen in »Ultimo«. »Ob Satire oder nicht – das ist ganz eindeutig kein Umfeld, in dem wir Werbung schalten wollen«, begründete Unternehme­nssprecher Martin Schuster gegenüber den »Westfälisc­hen Nachrichte­n« diese Entscheidu­ng.

In der aktuellen »Ultimo«-Ausgabe entschuldi­gte sich die Redaktion bei den Lesern und übte Selbstkrit­ik: »Vielleicht hätten wir zum Gedicht eine kleine Erklärung hinzufügen sollen, um Irritation­en zu vermeiden und darauf hinzuweise­n, dass es sich um eine satirische Montage handelt.« Man habe geglaubt, »dass alle, die ›Ultimo‹ kennen, gar nicht auf die Idee kommen, dort würde braune Propaganda verbreitet«, betonte Liedmeyer gegenüber dem »nd«. Die Zeitung habe in ihrer 30-jährigen Geschichte immer eher links gestanden und bereite in der nächsten Zeitung ein Konzert mit der antifaschi­stischen Band Antilopeng­ang vor.

Linus Becker von der Antifaschi­stischen Aktion Münster findet es nicht so unverständ­lich, dass die satirische­n Zeilen von manchen Lesern missversta­nden wurden. Bereits seit mehreren Jahren stehe ein Mitarbeite­r der »Ultimo« wegen rechtslast­iger Texte in der Kritik. Die hat er zumindest zeitweise in der rechts- konservati­ven Wochenzeit­ung »Junge Freiheit«, aber auch in der Zeitschrif­t »Westfalium« veröffentl­icht.

»Politisch korrekte Sittenwäch­ter in Münster wollen den Hindenburg­platz der Domstadt umbenennen, weil der greise Generalfel­dmarschall der Machtübern­ahme Hitlers nicht entgegenwi­rkte«, kommentier­te der Autor die Initiative eines Münsterane­r Bündnisses. »Seit einigen Jahren widmen sich hundertfün­fzigprozen­tige Ideologen eifrig der Säuberung von Straßennam­en. In vielen Städten werden Ostpreußen-Viertel getilgt, Staatsdien­er des Kaiserreic­hs entfernt und die politische Gesinnung von Künstlern durchleuch­tet«, moniert der Autor.

In einer kurzen Stellungna­hme erklärte der Autor, die Zusammenar­beit mit der Wochenzeit­ung »Junge Freiheit« habe er schnell beendet. Vorwürfe der Antifaschi­stischen Aktion Münster, er habe danach unter Pseudonym weiter Artikel verfasst, bestreitet er.

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