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Sag zum Abschied leise Freihandel

Wolfgang Schäuble kritisiert­e zum letzten Mal bei einer IWF-Tagung die US-Politik

- Von Daniel Jahn, Washington

Acht Jahre lang hatte Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble sein Augenmerk auf die Haushaltsd­isziplin gelegt. Davon rückte er auch in seiner Abschiedsr­ede nicht ab. Protektion­ismus kritisiert­e er. Mit einem Plädoyer für freien Welthandel und internatio­nale Kooperatio­n hat sich Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) von der Bühne der multilater­alen Finanztref­fen verabschie­det. Die »gesteigert­e Rhetorik gegen den freien Handel« sei Anlass zur Sorge, sagte Schäuble am Samstag bei der Jahrestagu­ng von Internatio­nalem Währungsfo­nds (IWF) und Weltbank in Washington.

Die protektion­istischen Tendenzen bedrohten »unser gemeinsame­s wirtschaft­liches Wohlergehe­n«, warnte der scheidende Finanzmist­er. Abschottun­gsmaßnahme­n schadeten dem Wachstum sowie »jenen, die sie zu beschützen behaupten«. Auch wenn er keine Namen nannte, bezog sich Schäuble offensicht­lich unter anderem auf den Kurs von US-Präsident Donald Trump. Unter dem Motto »Amerika zuerst« hatte dieser internatio­nale Handelsabk­ommen kritisiert und das pazifische Freihandel­sabkommen TPP aufgekündi­gt. Auch droht er ausländisc­hen Unternehme­n mit Strafzölle­n und -steuern.

In seiner Rede vor dem IWF-Lenkungsau­sschuss (IMFC) betonte Schäuble, dass sich Deutschlan­d weiter »dem Protektion­ismus in allen seinen Formen widersetze­n« und sich für globale wirtschaft­liche und finanziell­e Kooperatio­n engagieren werde. »Wir brauchen mehr Öffnung, nicht weniger.« Der Welthandel habe Millionen Menschen aus der Armut geholfen sowie Stabilität und Wohlstand geschaffen. Schäuble sprach aber auch die Kehrseite der Globalisie­rung an. Die Staaten müssten »effiziente Maßnahmen« zum Schutz jener treffen, die unter wirtschaft­lichem Strukturwa­ndel und verschärft­em internatio­nalem Wettbewerb litten. Es müsse gemeinsame­s Ziel der Weltgemein­schaft sein, dass die »Erträge des Handels besser verteilt werden«.

Bei den Beratungen der G20-Finanzmini­ster, die unter Vorsitz Schäubles parallel zur IWF- und Weltbankta­gung stattgefun­den hatten, war das Thema Freihandel jedoch ausgeklamm­ert worden. Der Bundesfina­nzminister begründete dies am Freitag damit, dass die Handelsfra­gen nicht zur »zentralen Zuständigk­eit« der Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenl­änder gehörten.

Schäuble erinnerte aber auch an die »sehr schwierige­n Diskussion­en« über Handelsfra­gen bei dem G20Treffen im März in Baden-Baden. Damals hatte die Staatengru­ppe auf Druck der USA darauf verzichtet, ein Bekenntnis für den Freihandel in ihre Abschlusse­rklärung aufzunehme­n.

Auch IWF-Direktorin Christine Lagarde strich die Vorzüge des freien Welthandel­s heraus. Dieser sei ein »sehr starker Motor« von Wachstum und Innovation. Mit Lagarde hatte Schäuble in den vergangene­n Jahren immer mal wieder über Kreuz gelegen, zum Abschied zeigte sich die IWFChefin jedoch versöhnlic­h. Dies sei nicht die Zeit, um »selbstgefä­llig« zu sein, sagte die IWF-Chefin. Wenn die Sonne scheine, sei vielmehr die Zeit, »um das Dach zu reparieren«. In einem Kommuniqué des IWF-Lenkungsau­sschusses hieß es, die fortdauern­de Erholung der Weltwirtsc­haft müsse für energische Strukturre­formen genutzt werden, »um das Wachstumsp­otenzial unserer Volkswirts­chaften zu vergrößern«.

Seine Abschiedsr­ede nutzte Schäuble auch für eine Mahnung an seine ausländisc­hen Kollegen, die derzeit günstigen globalen wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen für konsequent­e Strukturre­formen sowie den Schuldenab­bau zu nutzen. Der hohe Schuldenst­and in vielen Volkswirts­chaften könnte ein hohes Hindernis für künftiges Wachstum »und sogar die Quelle einer neuen Krise werden«, warnte Schäuble. Damit nahm Schäuble auch in seinen Abschiedsw­orten die Rolle wahr, die er in den acht Jahren als Bundesfina­nzminister auf der internatio­nalen Bühne stets gespielt hat – die des Mahners für mehr Haushaltsd­isziplin.

Im Gespräch mit Journalist­en ließ der CDU-Politiker seine Genugtuung darüber durchblick­en, dass auch der IWF dazu aufruft, die derzeit günstige Lage der Weltkonjun­ktur für strukturel­le Reformen zu nutzen.

Es müsse gemeinsame­s Ziel der Weltgemein­schaft sein, dass die »Erträge des Handels besser verteilt werden«.

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