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Am Fraport blickt man besorgt auf den November

Belegschaf­t warnt vor Chaos nach Betreiberw­echsel und fürchtet, dass ältere Beschäftig­te auf der Strecke bleiben

- Von Hans-Gerd Öfinger

Bodendiens­te an Verkehrsfl­ughäfen umfassen Arbeiten wie das Beund Entladen der Flugzeuge, Reinigung und Betanken. Am Airport Frankfurt am Main übernimmt diese Arbeiten nun eine neue Firma. In der Auseinande­rsetzung um die Neuvergabe von Bodendiens­ten am Frankfurte­r Rhein-Main-Flughafen stehen die betroffene­n Beschäftig­ten der Firma Acciona wenige Wochen vor einem Betreiberw­echsel unter Spannung. Dies kam dieser Tage bei einer Protestakt­ion von Acciona-Arbeitern vor dem Hessischen Verwaltung­sgerichtsh­of in Kassel zum Ausdruck.

Bodendiens­te an Verkehrsfl­ughäfen umfassen Arbeiten wie das Beund Entladen der Flugzeuge, die Reinigung und das Betanken. Wie bereits berichtet, hatte die spanische Firma Acciona, deren deutsche Tochter seit der Jahrtausen­dwende am Frankfurte­r Flughafen mit zahlreiche­n Airlines im Geschäft ist, bei einem Ausschreib­ungsverfah­ren für diese Dienste den Kürzeren gezogen. Davon betroffen sind derzeit rund 1300 Beschäftig­te. Gewinnerin der vom Hessischen Wirtschaft­s- und Verkehrsmi­nisterium durchgefüh­rten Neuvergabe ist die Wisag Aviation Service, eine Tochter des Frankfurte­r Wisag-Konzerns.

Dass mit Wisag eine Firma ohne Tarifbindu­ng im Verfahren überhaupt zum Zuge kam, stieß den Acciona-Beschäftig­ten und ihrem Betriebsra­t sauer auf. Viele vermuten hinter dem Deal ein starkes Stück Lobbyarbei­t. Schließlic­h ist der Wisag-Gründer und Aufsichtsr­atschef Claus Wisser als SPD-Mitglied seit Jahrzehnte­n im po- litischen Hessen gut vernetzt. Sein Wisag-Konzern ist mit den zunehmende­n Privatisie­rungen und Ausglieder­ungen von Dienstleis­tungen bei staatliche­n Stellen und Privatfirm­en stetig gewachsen. Wisag-Ableger bieten rund um die Autoindust­rie auch Leiharbeit und Werkverträ­ge an und provoziert­en immer wieder Arbeitskäm­pfe.

Seit August gingen Acciona-Beschäftig­te mehrfach auf die Straße und stellten Sinn und Zweck des gesamten Vergabever­fahrens in Frage. Das Thema beschäftig­te auf Antrag der Linksfrakt­ion auch den Hessischen Landtag. Dabei beteuerte Wirtschaft­s- und Verkehrsmi­nister Tarek Al-Wazir (Grüne), das Verfahren sei auf der Grundlage europarech­tlicher Vorgaben erfolgt. Kritische Gewerkscha­fter hingegen hinterfrag­en den seit Jahrzehnte­n verfolgten Kurs Richtung Liberalisi­erung, Privatisie­rung, Verdrängun­gswettbewe­rb und Lohndumpin­g im Luftverkeh­r.

Um den zum 1. November 2017 vorgesehen Betreiberw­echsel und damit das faktische Aus von Acconia auf dem Rhein-Main-Airport noch in letzter Minute abzuwenden, hatte die Firma Klage beim Hessischen Verwaltung­sgerichtsh­of eingerecht. Mit ihrer Kundgebung vor dem Justizgebä­ude unterstric­hen Acciona-Beschäftig­te nochmals die Forderung nach Verbleib der Bodendiens­te bei Acciona und appelliert­en an die Richter, dies bei ihrer Entscheidu­ng zu berücksich­tigen. Ein reibungslo­ser Ablauf der Bodenabfer­tigung könne für Fluggesell­schaften und Passagiere durch Acciona erhalten bleiben, heißt es in einem Offenen Brief des Betriebsra­ts. Und: »Ein Betreiberw­echsel am größten Flughafen Deutschlan­ds zum jetzigen Zeitpunkt wird aus unserer Sicht zu erhebliche­m Chaos führen.« Die Beschäftig­ten hoffen, dass das Gericht den Betreiberw­echsel noch stoppt. Eine Entscheidu­ng der Richter wird in den nächsten Tagen erwartet.

Anfang vergangene­r Woche hatte die Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di den Abschluss eines Anerkennun­gstarifver­trags mit Wisag verkündet, der den bisher für Acciona gültigen Tarifvertr­ag auf die WISAG Aviation Service ausweitet. Auf dieser Grundlage könne nun die bisherige Acciona-Belegschaf­t wie bisher weiter arbeiten, heißt es in einer gemeinsame­n Erklärung von ver.di und WisagManag­ement. »Wir haben einen tariflosen Zustand abgewendet und sichergest­ellt, dass die Beschäftig­ten die gleichen Arbeitsbed­ingungen haben werden wie bisher, wenn die WISAG Aviation die Konzession in Kürze übernimmt. Ver.di erwartet jetzt, dass alle Beschäftig­ten übernommen werden«, erklärte der federführe­nde Frankfurte­r Gewerkscha­ftssekretä­r Ronald Laubrock.

Doch Acciona-Beschäftig­te und Betriebsra­tsmitglied­er trauen dem Frieden nicht und kritisiere­n die von Laubrock geäußerte Erwartung als »Augenwisch­erei«. Denn es sei keinesfall­s sicher, dass allen bisherigen Beschäftig­ten ein gleichwert­iger Arbeitspla­tz angeboten werde. Nun könne WISAG »aus einem Pool von 1300 Beschäftig­ten nun die für sie geeigneten auspicken. Ältere Kollegen – oder auch jene mit Einschränk­ungen – werden hier klar auf der Strecke bleiben«, heißt es. Zudem befürchten Acciona-Beschäftig­te, dass Wisag – wie in anderen Standorten – auch nun den Betrieb in mehrere Unternehme­n aufspalten wolle und dadurch ein »Teile und Herrsche«-Spiel betreibe.

Wisag-Gründer Wisser ist als SPD-Mitglied seit Jahren im politische­n Hessen gut vernetzt.

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Foto: dpa/Klaus Gabbert Gepäckabga­be und Check-In im Fraport

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