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In Freie, ins Weite

- Von Uwe Stolzmann

Sie

sind sein Markenzeic­hen: lange Locken. Linard Bardill war ein Rebell, er ist ein Poet, ein Liederer. Im Leben nahm er so manche Steilkurve, seine Lieder zeugen davon. Gute Nachricht: Auf zwei CDs gibt es jetzt die besten Songs aus 33 Jahren, darunter manche Überraschu­ng.

Begegnung in seinem Atelier in Scharans im Schweizer Kanton Graubünden: Ein karger Raum mit Tisch und Bank, zwei Mikros, Gitarre. Auf der Bank sitzt Linard Bardill, Jahrgang 1956, eine CD entsteht: »Der kleine Buddha«. Schon beginnt er zu singen, mit dieser starken, warmen Stimme. »Rägebogebu­ddha«, ein Lied für seinen Sohn. Er singt es mit Wehmut und Liebe, als ginge es just jetzt ums ganze Leben. Da ist kein Publikum. Bardill aber singt, als stünde er vor Tausenden. Eine Naturgewal­t ist dieser Sänger; wer zu dicht bei ihm sitzt, wird fortgeschw­emmt.

Noch eine Begegnung, im Turmhaus der Familie, 15. Jahrhunder­t. Eine Kammer, der Tisch aus Nussbaum. Durch kleine Fenster geht der Blick ins Weite, übers Domleschgt­al zum Beverin. Bardill erzählt von Tamangur, dem mythischen Arvenwald im Engadin. Erzählt, wie gefährdet der Wald sei, genau wie die Sprache der Bündner, seine Sprache, das Rumantsch. Plötzlich greift er zur Gitarre; ein Akkord erklingt, dann singt er auf Rumantsch, und das Haus scheint mitzusinge­n. »Der Friedhof von Schuls«: »Vom Kirchturm schlägt die Stunde, im Talgrund rauscht der Inn. Der Fluss sagt, was die Glocke sagt: Das Leben kommt, das Leben geht.«

Bardill war Pfarrer und war Rebell. Er ist ein Troubadour, ein Erzähler, Sänger, Komponist, auch ein Philosoph. Stets auf der Suche ist dieser Liederer: nach Erkenntnis. Er geht gern unbequeme Wege; er eckt auch gern mal an, ein charismati­scher Kämpfer. Die Wegmarken dieser Lebenswand­erung finden sich verstreut auf 13 Platten und CDs. Drei Dutzend weitere CDs hat er für Kinder aufgenomme­n. Für sein Werk gab’s Goldene Schallplat­ten, den Salzburger Stier, den Deutschen Kleinkunst­preis. »Widerborst­ig« nannte die Jury seine Lieder.

Nun können wir viel Gutes wiederhöre­n, Stücke aus gut dreißig Jahren. »Best of 33«: Die DoppelCD zeigt den ganzen Bardill, mit seinen Wunden, seiner Weisheit. Zeigt den Mann, der die Welt verändern möchte, und den, der sie bewahren will. Deutsch und Rumantsch singt er, mal heiter und mal melancholi­sch, von Liebe und Tod. Über Dichter, die er liebt. Über die schwierige Heimat. Von Tamangur und vom Rägebogebu­ddha. Und natürlich vom Friedhof in Schuls. Die Gitarre fordert, treibt, aber häufiger singt auch sie.

»Che allegria«, schreibt Linard Bardill auf der CD, »dies alles mit euch teilen zu dürfen!« Danke, Linard, möchte man antworten. Danke, dass du uns mitnimmst in deine Weite.

Linard Bardill: Best of 33 (SoundServi­ce)

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Foto: Privat

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