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Starker Protest

Alexander Ludewig rät Hertha BSC: mehr Mut und weniger Marketing

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Zwei Worte reichen, um den sportliche­n Teil des Sonnabends im Olympiasta­dion zu beschreibe­n: »Ein Scheißspie­l!« So fasste Berlins Mittelfeld­spieler Per Skjelbred das 0:2 von Hertha BSC gegen Schalke zusammen. Danach ging es viel um Werte, Tradition, Vereinsphi­losophie und Identifika­tion. Dass Herthas Klubsprech­er Marcus Jung dazu noch recht viel Aufklärung­sarbeit leisten musste, hat zwei wesentlich­e Ursachen.

Erstens: Der Anlass ging etwas unter. Als sich die Mannschaft von Hertha BSC vor dem Anpfiff geschlosse­n zum Kniefall auf den Rasen begab, wusste kaum jemand warum. Die Botschaft des Stadionspr­echers verlor sich im Olympiasta­dion irgendwo zwischen der defekten Lautsprech­eranlage und dem Lärm der 50 000 Zuschauer auf den Rängen. Es war ein Zeichen der Solidaritä­t mit den vielen Sportlern in den USA, die während der Nationalhy­mne nicht stehen, sondern knien. Aus Protest gegen Rassismus und Diskrimini­erung in ihrem Land. Marcus Jung erklärte: »Wir sind ein Teil der weltweiten Sportgemei­nschaft.« Hertha BSC wolle mit dieser Aktion ein Zeichen setzen und diese Form des Protests in die Bundesliga holen.

Eine sehr gute Idee. Noch stärker wirkt der Protest dadurch, dass er eben nicht Teil einer dieser seltenen, aber angeordnet­en und seelenlos wirkenden Kampagnen von Verbänden wie dem DFB oder der DFL war.

Apropos Kampagnen – und damit zum zweiten Punkt. Werte, Tradition und Vereinsphi­losophie? Dass es durchaus schwierig ist, sich mit Hertha BSC zu identifizi­eren, liegt am Klub selbst. Der beauftragt eine Werbeagent­ur, die ihm Jahr für Jahr ein neues Image verpasst. Die alte Dame will modern sein. »Berlins ältestes Startup« – das war Hertha BSC in der vergangene­n Saison.

Ebenso zweifelhaf­t ist die Kampagne für diese Spielzeit. Zur peinlichen Lachnummer wurde sie am Sonnabend. »Auf Berlin kommt Großes zu. Aber heute erstmal Gelsenkirc­hen«, stand auf dem Programmhe­ft zum Spiel. »Na dann mal viel Glück bei den großen Dingen, die jetzt kommen«, wünschte Schalkes Manager Christian Heidel den chancenlos­en Berlinern nach dem verdienten 2:0 seiner Mannschaft.

Mehr Mut – wie beim Kniefall – und weniger Marketing könnte man Hertha BSC auch wünschen.

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