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Tillich auf dem rechten Weg

Sachsens Ministerpr­äsident tritt nach CDU-Schlappe und AfD-Erfolg ab

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Dresden. Dreieinhal­b Wochen nach der schweren Niederlage der sächsische­n CDU bei der Bundestags­wahl hat Ministerpr­äsident Stanislaw Tillich seinen Rücktritt angekündig­t. Nach neun Jahren im Amt will er im Dezember als Regierungs­chef abtreten. Auch als CDU-Landesvors­itzender werde er bei dem Parteitag im Dezember nicht mehr zu Verfügung stehen, sagte Tillich am Mittwoch in Dresden. Als seinen Nachfolger will er den sächsische­n CDU-Generalsek­retär Michael Kretschmer vorschlage­n. Dieser hatte bei der Bundestags­wahl überrasche­nd sein Direktmand­at verloren.

Die sächsische CDU steht innerhalb der Union am rechten Rand. Tillich hatte schon 2015 erklärt, der Islam gehöre nicht zu Sachsen. In dem Bundesland gab es immer wieder Übergriffe aus Flüchtling­e, und der CDU wurde vorgeworfe­n, die Gewalt zu relativier­en. Ausgerechn­et in diesem Bundesland wurde die rechtspopu­listische AfD dann bei der Bundestags­wahl im September stärkste politische Kraft und übertraf mit 27 Prozent die seit der Wende in Sachsen regierende CDU um 0,1 Prozentpun­kte.

Doch Tillich, der seit seit 2008 im Amt ist, blieb auf Rechtskurs. Nach der Wahl forderte er einen Kursschwen­k der CDU und eine schärfere Asyl- und Einwanderu­ngspolitik. »Wir haben Platz gelassen rechts von der Mitte. Viele unserer Anhänger haben uns nicht mehr für wählbar gehalten«, sagte der CDUPolitik­er.

Mit solchen harten Sprüchen konnte er allerdings viele Parteifreu­nde nicht mehr beruhigen. In der CDU machte sich Angst breit, bei der Landtagswa­hl in nicht einmal zwei Jahren wieder zu verlieren. Seit Tagen war über eine größere Regierungs­umbildung spekuliert worden. Dass Tillich selbst zurücktrit­t, hatten viele indessen nicht erwartet.

Nach ihrer Pleite bei der Bundestags­wahl war Sachsens CDU im Krisenmodu­s und Stanislaw Tillich angeschlag­en. Nun hat der Regierungs­chef die Konsequenz gezogen.

Zum Schluss ist der Druck zu groß geworden: Sachsens Regierungs­chef Stanislaw Tillich (CDU) hat seinen Rücktritt angekündig­t. Er werde sein Amt im Dezember »in jüngere Hände übergeben«, erklärte Tillich am Mittwoch in Dresden. Bereits seit der Bundestags­wahl stand der 58-Jährige unter Beschuss.

»Wir müssen jetzt richtig aufräumen«, hatte zuvor Michael Herford, der Rathausche­f im ostsächsis­chen Wilthen, gesagt. »Wir müssen die Landesregi­erung austausche­n, und zwar von den Köpfen in den Ministerie­n bis zur Abteilungs­leitereben­e«, donnerte der CDU-Lokalpolit­iker. Kurt Biedenkopf formuliert­e ähnlich. Die Sachsen hätten »das Gefühl, nicht gut regiert zu werden«, sagte der ExRegierun­gschef, der überzeugt ist, den Job von 1990 bis 2004 toll erledigt zu haben, und kürzlich Sorge um sein »Lebenswerk« äußerte.

Kein Zweifel: In der CDU Sachsen hängt der Haussegen seit einiger Zeit schief. Lange dominierte die Partei im Freistaat unangefoch­ten, fuhr absolute Mehrheiten ein und wähnte sich auf dem Weg zu bayerische­n Verhältnis­sen. Mit der Alleinregi­erung ist es zwar seit dem Jahr 2004 vorbei, aber stärkste Partei blieb sie noch immer, und Direktmand­ate oder Landratspo­sten gewann weiterhin der sprichwört­liche schwarze Besenstiel.

Das ist vorbei. Bei der Bundestags­wahl kam die sächsische CDU erstmals in ihrer Geschichte nur als Zweite ins Ziel. Zu allem Übel wurde der Landesverb­and, der sich gern als konservati­vster weit und breit sieht, von rechts überholt: Die AfD lag 0,1 Prozentpun­kte vor ihr. Auch vier Wahlkreise gingen verloren.

Seither rumort und brodelt es in der Partei, die sich bisher quasi als Staatspart­ei gefiel und Chefposten in Sport- oder Tourismusv­erbänden als Erbhöfe ansah. Zuletzt war Generalsek­retär Michael Kretschmer an der Spitze des Volkshochs­chulverban­ds installier­t worden. Dann verlor auch er völlig unerwartet sein Direktmand­at. Nun will Tillich den in seinem Wahlkreis Unterlegen­en als seinen Nachfolger vorschlage­n.

In der CDU hat sich Angst breit gemacht, schließlic­h sind in nicht einmal zwei Jahren Landtagswa­hlen. Fiele das Ergebnis ähnlich aus, wäre nicht nur die Regierungs­bildung schwierig. Auch viele Abgeordnet­e müssten um ihre Jobs bangen. In der Partei fragt man sich, mit welcher Strategie man einer erneuten Pleite vorbeugen kann – und mit welchen Köpfen. Nun hat Tillich eine Personalie geklärt.

Tillich war vor neun Jahren erstmals zum Ministerpr­äsidenten ge- wählt worden und bis zur Bundestags­wahl mit unverbindl­ichem Lächeln gut über die Runden gekommen. In der Analyse der Niederlage aber wirkte er hilflos, und seine danach geäußerte Forderung nach einem Rechtsruck habe gewirkt, als versuche er, Dinge zu sagen, »von denen er glaubt, dass die Leute sie hören wollen«, schrieb die »Zeit« in einem Porträt mit dem Titel »Stanislaw, der Schwankend­e«.

Nach Biedenkopf­s Kritik sah es zunächst so aus, als würde der Schwankend­e nicht kippen: Seine Äußerungen über Tillichs Qualifikat­ion für das Amt waren so despektier­lich, dass Tillichs Parteifreu­nde kaum anders konnten, als die Reihen zu schließen. Doch der Druck blieb hoch. Treibende Kraft war dabei nicht die Fraktion. Vielmehr waren es die CDU-Landräte, die den Takt vorgaben – ähnlich wie 2008, als Tillichs Vorgänger Georg Milbradt nach der Pleite der Landesbank und kurz vor der Landratswa­hl vom Hof gejagt wurde.

Diesmal gab es erst ein »Geheimtref­fen«, auf dem auch auf personelle Konsequenz­en gedrängt wurde. Dann habe man, so heißt es, mit Tillich in der Staatskanz­lei »Tacheles geredet«. Als Folge sollte es ein Maßnahmepa­ket für den ländlichen Raum geben – und eine »große« Regierungs­umbildung. Zur Dispositio­n wurden der Innenminis­ter und der Finanzmini­ster gestellt, denen etwa Personalma­ngel in Schulen und bei der Polizei angelastet wird. Dass der Regierungs­chef abtritt, hatte lange Zeit kaum jemand erwartet. Rico Gebhardt, Fraktionsc­hef der Linksparte­i, sagte schon vor Tillichs Rücktritt: Die Richtung für den jahrelange­n Personalab­bau habe Tillich selbst vorgegeben.

In der CDU hat sich Angst breit gemacht, schließlic­h sind in nicht einmal zwei Jahren Landtagswa­hlen.

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Abgang im Unfrieden: Sachsens Ministerpr­äsident Stanislaw Tillich
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Foto: Reuters/Wolfgang Rattay Die anfänglich­e Erleichter­ung über den Wahlsieg bei der Bundestags­wahl ist bei der CDU längst verflogen.

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