nd.DerTag

Wagenknech­t und Bartsch bleiben Fraktionsc­hefs

Kompromiss mit LINKE-Parteispit­ze bei Klausur in Potsdam

- Von Aert van Riel

Potsdam. Die Spitze der Linksfrakt­ion hat die Partei dazu aufgerufen, sich nach dem jüngsten Machtkampf wieder Sachfragen zu widmen. »Die Lösung ist immer: zurück zur Politik«, sagte Bundestags-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch zum Abschluss der Fraktionsk­lausur am Mittwoch in Potsdam. Die KoVorsitze­nde Sahra Wagenknech­t sagte, nach den »überflüssi­gen Attacken« aus der Parteispit­ze müsse jetzt »ein Schlussstr­ich unter die Grabenkämp­fe gezogen werden«.

Bartsch und Wagenknech­t waren am Dienstagab­end in ihren Ämtern bestätigt worden. Zuvor hatte es den Versuch gegeben, durch Geschäftso­rdnungsant­räge ihren Einfluss zu beschneide­n, um den der Parteivors­itzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger zu stärken. Wagenknech­t hatte daraufhin mit Rücktritt gedroht. Als Kompromiss wurde für die beiden Parteichef­s nun ein herausgeho­benes Rederecht im Bundestag geschaffen.

Die Linksfrakt­ionschefs Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknech­t haben sich teilweise durchgeset­zt. Bei einer Klausur wurden Anträge, die ihnen nicht genehm waren, entschärft oder zurückgezo­gen.

Auch nach dem auf der Fraktionsk­lausur in Potsdam geschlosse­nen Kompromiss zwischen Partei- und Fraktionsf­ührung der LINKEN herrschten intern noch immer Spannungen. Als die Spitzenver­treter zur späten Abendstund­e am Dienstag zum Abschluss des ersten Tages vor die Presse traten, wies die wiedergewä­hlte Fraktionsv­orsitzende Sahra Wagenknech­t den Parteichef Bernd Riexinger, der die Journalist­en begrüßt hatte, darauf hin, dass dies »die Pressekonf­erenz der Fraktion« sei. Also durfte Wagenknech­t mit ihrem Statement beginnen.

Sie freute sich über ihr »gutes Ergebnis« bei der Vorstandsw­ahl. Wagenknech­t erhielt nach Fraktionsa­ngaben 49 Stimmen, zwölf Abgeordnet­e stimmten gegen sie, es gab vier Enthaltung­en. Sie erzielte damit 75,4 Prozent der Stimmen. Auf Ko-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch entfielen 52 Stimmen, es gab acht Gegenstimm­en und fünf Enthaltung­en. Bartsch kam damit auf 80 Prozent.

Nach einer rund fünfstündi­gen Generaldeb­atte der 69-köpfigen Fraktion hatten sich Wagenknech­t und Bartsch gemeinsam mit den Parteichef­s Katja Kipping und Riexinger am Abend in einen separaten Raum zurückgezo­gen, um den Kompromiss­vorschlag zu beraten. Sie einigten sich letztlich darauf, dass die Parteivors­itzenden ein erweiterte­s Rederecht im Bundestag erhalten. Dabei geht es vor allem um mediale Präsenz. Wer bei wichtigen Debatten den Aufschlag für seine Fraktion im Plenum machen darf, der hat die besten Chancen darauf, zitiert zu werden. Künftig soll die Fraktion in Einzelfäll­en darüber abstimmen, wenn Kipping und Riexinger das Erstredere­cht für sich beanspruch­en.

Das angestrebt­e Stimmrecht im Fraktionsv­orstand bekamen die Parteivors­itzenden dagegen nicht. Der entspreche­nde Antrag wurde zurückgezo­gen. Wagenknech­t hatte die beiden Anträge zur Änderung der Geschäftso­rdnung so gewertet, dass die »Fraktion von den Parteivors­itzenden übernommen wird« und in einem Brief an die Abgeordnet­en mit Rücktritt gedroht. Riexinger sagte dagegen, dass es nie das Ziel gegeben habe, die Fraktionsv­orsitzende­n zu demontiere­n.

Bei den Streitigke­iten geht es nicht nur um Macht und Einfluss, sondern auch um die inhaltlich­e Ausrichtun­g der Partei. Wagenknech­t hatte ihren Kontrahent­en vorgeworfe­n, dass diese sie als Hindernis für »eine angepasste LINKE« sehen. Dabei geht es nach Meinung der Fraktionsc­hefin auch um den Annäherung­sprozess an die SPD, den einige Politiker der LINKEN vorantreib­en wollen.

Hinzu kommen die seit Monaten ausgetrage­nen Streitigke­iten über die Migrations- und Flüchtling­spolitik. In diesem Zusammenha­ng wird auch darüber debattiert, wie die Linksparte­i Wähler zurückgewi­nnen kann, die zur AfD abgewander­t sind, ohne die zunehmende Zahl von Unterstütz­ern in urbanen Milieus zu verlieren. Wagenknech­t meint, dass es auf dem Arbeits- und Wohnungsma­rkt durch die Zuwanderun­g eine stärkere Konkurrenz­situation gebe und die »Kapazitäte­n« begrenzt seien. Kipping will dagegen nun in der Partei eine Debatte über ein »linkes Einwanderu­ngsgesetz« anstoßen.

Zum Abschluss der Klausurtag­ung am Mittwochna­chmittag traten Wagenknech­t und Bartsch noch einmal vor die Journalist­en. Er sei froh, dass die internen Konflikte nicht vor der Bundestags­wahl am 24. September ausgebroch­en seien, betonte Bartsch. »Jetzt haben wir eine Entscheidu­ng getroffen, die uns arbeitsfäh­ig macht.«

Wagenknech­t sprach von »ziemlich überflüssi­gen Attacken«, die von der Fraktion zurückgewi­esen worden seien. »Es muss nun ein Schlussstr­ich unter die Grabenkämp­fe gezogen werden«, sagte sie.

Kipping stellte den Sachverhal­t in einem Fernsehint­erview etwas anders da. Nach ihrer Auffassung habe sie selbst »mehrmals sehr nachdrückl­ich für einen Kompromiss geworben«. Sie sei nun froh, dass Sahra Wa- genknecht das am Ende akzeptiert hat, sagte Kipping.

Riexinger kritisiert­e Wagenknech­t im »Deutschlan­dfunk« wegen ihres Briefs. »Ich glaube, dass man so einen Brief nicht schreiben darf. Aber wie gesagt, wir haben klar gesagt, dass wir einen Schlussstr­ich darunter ziehen«, sagte der Parteichef. Wagenknech­t müsse jetzt etwas dafür tun, »dass die Fraktion integriert wird und dass sich alle dort wiederfind­en«.

Weniger öffentlich­e Beachtung fand ein Thesenpapi­er mit 14 Punkten, das die Fraktionsf­ührung in Potsdam vorgelegt hatte. Darin gehen die Autoren davon aus, dass eine schwarz-gelb-grüne Bundesregi­erung die bisherige Umverteilu­ng von unten nach oben fortsetzen würde. Dagegen wolle die Linksparte­i, die dann die kleinste Opposition­sfraktion im Bundestag wäre, Widerstand leisten. Zudem verspricht die Partei unter anderem, sich für höhere Löhne und Arbeitszei­tverkürzun­g bei vollem Lohn- und Personalau­sgleich sowie für den Schutz und die Schaffung von Industriea­rbeitsplät­zen einzusetze­n. Bekenntnis­se gegen eine militärisc­he Aufrüstung und für einen »sozial-ökologisch­en Umbau« finden sich ebenfalls in dem Papier.

Das Asylrecht solle nicht angetastet werden. Nicht vollständi­g begeistert sind die Autoren aber von dem Begriff der »Weltoffenh­eit«, der etwa von Kipping gerne benutzt wird. Der Begriff habe für einen ehemaligen Erasmus-Studenten »einen ganz anderen Klang als für einen Arbeitslos­en, der seinen Job vielleicht gerade durch eine Betriebsve­rlagerung in einen Billiglohn­standort oder den dank Entsenderi­chtlinie ermöglicht­en Einsatz untertarif­lich bezahlter Arbeitnehm­er aus Osteuropa verloren hat«, heißt es in dem Thesenpapi­er.

Bei den Streitigke­iten geht es nicht nur um Macht und Einfluss, sondern auch um inhaltlich­e Fragen.

 ?? Foto: dpa/Britta Pedersen ?? Bei der Fraktionsk­lausur in Potsdam: Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t geht vorweg, dahinter die Parteichef­s Bernd Riexinger und Katja Kipping.
Foto: dpa/Britta Pedersen Bei der Fraktionsk­lausur in Potsdam: Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t geht vorweg, dahinter die Parteichef­s Bernd Riexinger und Katja Kipping.

Newspapers in German

Newspapers from Germany