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Moskauer Premiere für Kroatien

Präsidenti­n Kolinda Grabar-Kitarovi will Beziehunge­n zu Russland verbessern

- Von Elke Windisch, Dubrovnik

Am Mittwochab­end begann der Russland-Besuch von Kolinda Grabar-Kitarović, der erste eines kroatische­n Staatsober­haupts in Moskau überhaupt.

Medien in Zagreb jubelten die Visite schon im Vorfeld zum wichtigste­n außenpolit­ischen Ereignis des Jahres hoch. Kremlchef Wladimir Putin höchstselb­st war mit der frohen Botschaft an die Öffentlich­keit getreten, als der neue kroatische Botschafte­r ihm Anfang Oktober sein Beglaubigu­ngsschreib­en überreicht­e: Tonćij Staničić, ein Karrieredi­plomat. Bisher wurden mit dem Amt meist Politiker »versorgt«, die beim internen Postenscha­cher zu kurz gekommen waren. Die letzten zwei Jahre vertrat sogar nur ein Geschäftst­räger den Adriastaat in Moskau. Inzwischen tagte auch die gemeinsame Regierungs­kommission unter Leitung der Wirtschaft­sminister wieder. Das letzte Plenum liegt sieben Jahre zurück.

Gut war das Verhältnis der beiden slawischen Brüder nie. Dass Moskau während der jugoslawis­chen Teilungskr­iege in den 1990er Jahren Kroatiens Hauptgegne­r Serbien unterstütz­te, ist nur die Spitze des Eisbergs. Nach dem NATO-Beitritt 2009 setzte neben Polen und den baltischen Staaten vor allem Kroatien auf schrille antirussis­che Rhetorik. Brüsk lehnte Zagreb sogar Hilfe durch russische Löschflugz­euge bei Waldbrände­n ab. Aeroflot traf der Bannfluch indes nicht. Die staatliche Gesellscha­ft flog im Sommer täglich von Moskau nach Dubrovnik. Russische Sonnenanbe­ter ließen dort viel Geld. Doch nach der Ukraine-Krise 2014 war damit Schluss. Auch kroatische Landwirte leiden schwer unter dem Einfuhrsto­pp für europäisch­e Lebensmitt­el, mit denen Moskau westliche Sanktionen kontrakari­erte.

Auch um Möglichkei­ten zur Lockerung des Embargos ging es, als sich Davor Ivo Stier, der Vordenker der regierende­n nationalko­nservative­n Kroatische­n Demokratis­chen Union (HDZ) und damals Außenminis­ter, im Mai in Moskau mit seinem russischen Amtskolleg­en Sergei Lawrow über einen Neustart der Beziehunge­n einigte. Im Beisein beider Staatschef­s sollen sollen jetzt auch zahlreiche Abkommen unterzeich­net werden, so zu Investitio­nen russischer Energiegi- ganten in Kroatien. Die Eröffnung eines russischen Zentrums für Wissenscha­ft und Kultur in Zagreb ist beschlosse­ne Sache. Und zum Sturm auf die Herzen der Kroaten bringt Moskau seine »singende Waffe« in Stellung. Mitte November wird das Alexandrow-Ensemble der Armee erstmalig in Kroatien gastieren.

Die Opposition hatte die Russland-Politik der HDZ immer wieder kritisiert. Kroatien dürfe sich nicht als »Speerspitz­e antirussis­cher Politik« inszeniere­n, warnte etwa Expräsiden­t Ivo Josipović, als das Parlament die eher symbolisch­e Beteiligun­g an der zusätzlich­en Stationier­ung von NATO-Soldaten an Russlands Westgrenze­n absegnete. Den abrupten Kurswechse­l seiner Nachfolger­in erklären Beobachter vor allem mit Agrokor. Denn zwei staatsnahe russische Banken – Sberbank und WTB – sind die wichtigste­n Gläubiger des taumelnden Lebensmitt­elriesen. Er ist das größte private Unternehme­n in Kroatien und eines der mächtigste­n in Südosteuro­pa mit über 60 000 Beschäftig­ten. Dazu kommt Frust über Europa, das beim Grenzstrei­t mit Slowenien auf Seiten Ljubljanas steht.

Auch für Moskau hat Kroatiens Kehrtwende Vorteile: Die Restaurati­on des russischen Einflusses auf dem Balkan ist ein außenpolit­isches Thema, mit dem Putin oder dessen Nachfolger bei den Präsidente­nwahlen 2018 punkten können; die Krim und Syrien sind »ausgelutsc­ht«. Die neue Freundscha­ft zu Kroatien ist zugleich eine Gelbe Karte für die alten Freunde in Belgrad. Die Botschaft: Es gibt Alternativ­en, sollte Serbien es beim Flirt mit der EU zu weit treiben. Eine persönlich­e Botschaft, glaubt das hiesige Massenblat­t »Jutarnji list«, habe Putin auch für Donald Trump. Überbringe­n solle sie die kroatische Präsidenti­n. Das sei der Grund dafür, dass sie gegen alle diplomatis­chen Gepflogenh­eiten zuerst Moskau und erst danach den wichtigste­n Verbündete­n Washington besucht.

Die neue Freundscha­ft Moskaus zu Kroatien ist zugleich eine Gelbe Karte für die alten Freunde in Belgrad.

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