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Schweizer Spion vor Gericht

Daniel M. forschte im Auftrag des Geheimdien­stes die NRW-Finanzverw­altung aus

- Von Hermannus Pfeiffer

Wegen des »Verdachts geheimdien­stlicher Agententät­igkeit« muss sich ein 54-jähriger Schweizer in Deutschlan­d seit Mittwoch vor Gericht verantwort­en.

Peer Steinbrück wollte einmal die Kavallerie in die Schweiz schicken. Kurz zuvor hatte die OECD die Eidgenosse­n auf ihre »schwarze Liste« der Steueroase­n gesetzt. Daraufhin versprach die Schweiz, ihr Bankgeheim­nis bei Steuerhint­erziehung zu lockern und künftig die internatio­nalen Standards der OECD zu befolgen. Dieses Einlenken führte Bundesfina­nzminister Steinbrück vor acht Jahren »umgangsspr­achlich formuliert« auf die siebte Kavallerie im Fort Yuma zurück. Die müsse nicht unbedingt ausreiten. »Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.«

Die Schweiz war besonders bei deutschen Steuerhint­erziehern jahrzehnte­lang überaus beliebt. Aber dann tauchten immer mehr CDs mit heiklen Daten bundesdeut­scher Staatsbürg­er auf. Sie waren Schweizer und Liechtenst­einer Banken entwendet worden – und wurden von den Behörden in Deutschlan­d gekauft. Vor allem von NordrheinW­estfalen. Die Datensätze sollen dem Fiskus nach Angaben des damaligen NRW-Finanzmini­sters Norbert Walter-Borjans bis zu sieben Milliarden Euro eingebrach­t haben. Das prominente­ste »Opfer«: Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel, der allerdings mit einer Bewährungs­strafe davonkam.

Nach der Steinbrück-Attacke scheint man in Berner Regierungs­kreisen selber auf Angriff umgeschalt­et zu haben. Um die Datenlecks zu schließen, schickte man den Spion Daniel M. nach Deutschlan­d. Seit Mittwoch muss er sich deswegen vorm Oberlandes­gericht in Frankfurt am Main verantwort­en. Die deutsche Bundesanwa­ltschaft wirft dem Schweizer Staatsbürg­er vor, von Juli 2011 bis Februar 2015 für den eidgenössi­schen Nachrichte­ndienst NDB die Finanzverw­altung des Bundesland­es Nordrhein-Westfalen ausgespäht zu haben.

Dem Angeklagte­n wird zur Last gelegt, persönlich­e Daten von drei Steuerfahn­dern beschafft zu haben, die mit dem Ankauf von Steuer-CDs befasst gewesen waren. Dazu soll der Spion einen Detektiv angeheuert haben und einen sogenannte­n Maulwurf in der Finanzverw­altung platziert haben. Der Angeklagte habe dafür von seinen »nachrichte­ndienstlic­hen Auftraggeb­ern« Geld bekommen. Für sei- ne Spionagetä­tigkeit soll Daniel M. mehr als 100 000 Euro erhalten haben, die er teilweise an seine Geschäftsp­artner weitergele­itet habe.

Der Ende April festgenomm­ene vermeintli­che Agent könnte mit einer Bewährungs­strafe davonkomme­n. Bedingung dafür sei aber ein »glaubhafte­s« Geständnis, sagte der Senatsvors­itzende Oberlandes­gericht, Josef Bill. Bezüglich der Spionage rund um die Steuer-CDs hatte Daniel M. bereits vor dem Prozess ein Teilgestän­dnis abgelegt. Der schwerwieg­endere Vorwurf, der 54-Jährige habe einen maulwurf in Düsseldorf aufgebaut, wird von den Verteidige­rn bestritten.

Nach der Anklageerh­ebung kündigte Daniel M. eine Aussage an. Zudem signalisie­rte die Verteidigu­ng Interesse an einem kurzen Verfahren. Die Prozessbet­eiligten zogen sich daraufhin zu einem Rechtsgesp­räch zurück, die Verhandlun­g wurde zunächst unterbroch­en. Im Vorfeld des Prozesses war das auch internatio­nal viel beachtete Verfahren zunächst bis Mitte Dezember angesetzt. Bis zum nächsten Verhandlun­gstermin am 26. Oktober will der Angeklagte nun eine schriftlic­he Erklärung abgeben. Er will dann auch Fragen beantworte­n.

Die Informatio­nen des Spions sollen dazu beigetrage­n haben, dass in der Schweiz die strafrecht­liche Verfolgung deutscher Steuerfahn­der möglich wurde. So ermittelt die Schweizer Bundesanwa­ltschaft seit einigen Jahren gegen mehrere nordrhein-westfälisc­he Steuerfahn­der we- gen des Vorwurfs der nachrichte­ndienstlic­hen Wirtschaft­sspionage und der Verletzung des Bankgeheim­nisses. Gegen drei deutsche Steuerfahn­der gibt es Haftbefehl­e.

Die Regierung der »Indianer«, der Bundesrat in Bern, hat den Einsatz von Spionen im August gerechtfer­tigt – »in diesem Fall von Spionageab­wehr«. Das Einholen von Informatio­nen sei bei einer strafrecht­lichen Untersuchu­ng »üblich«, umso mehr wenn die internatio­nale polizeilic­he Zusammenar­beit und Rechtshilf­e nicht möglich sei. Doch so richtig rund lief die Berner Attacke nicht: Seit 2015 ermittelt auch die Schweizer Bundesanwa­ltschaft gegen Daniel M. Er soll Kundendate­n von schweizer Banken gestohlen haben.

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Foto: imago/imagebroke­r Daniel M. soll ausspionie­rt haben, wer die Schweizer Steuer-CDs an die Behörden verkaufte.

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