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Numerus clausus als Bumerang

Im Nordosten stehen 125 Arztpraxen leer – Schweriner Landtag debattiert über Auswege

- Von Hagen Jung

Hausärzte und Pflegekräf­te fehlen im Nordosten, vor allem im ländlichen Raum. Die LINKE möchte diesem Mangel mit mehr Studienplä­tzen oder mit einer Medizinisc­hen Hochschule im Land begegnen. Schlaganfä­lle, Herzinfark­te, Krebs, Demenz und andere schwere Erkrankung­en werden in Mecklenbur­g-Vorpommern parallel zum steigenden Alter der Bevölkerun­g deutlich zunehmen. Gleichzeit­ig, so mahnte SPD-Gesundheit­sexperte Jörg Heydorn am Mittwoch im Schweriner Landtag, werde auch die Schar älterer Ärzte immer größer. Vor vier Jahren seien 219 der im Nordosten niedergela­ssenen Mediziner über 67 Jahre alt gewesen, bis 2030 werde sich diese Zahl auf nahezu 1800 erweitern, zitierte Heydorn ihm vorliegend­e Berechnung­en. Wie lassen sich junge Menschen als Nachfolger der künftigen Ruheständl­er gewinnen? Dieser Frage widmete sich das Parlament im Rahmen einer Aktuellen Stunde.

Als Hemmschuh stelle sich potenziell­en Medizinstu­denten nach wie vor der Numerus clausus entgegen, kritisiert­e Sebastian Ehlers, wissenscha­ftspolitis­cher Sprecher der CDU. Gegen diese Regelung, die den Zugang zum Studium an eine extrem gute Abiturnote knüpft, laufe zur Zeit eine von zwei jungen Männern angestreng­te Klage vor dem Bundesverf­assungsger­icht. Mit Spannung werde dessen Entscheidu­ng erwartet, sagte Ehlers, denn: Auch mit einer Durchschni­ttszensur von 2,5 könne doch jemand ein guter Arzt werden, wenn er über gute soziale Empathie und soziale Kompetenz verfügt.

Mit einem 1,7-Abitur, so Ehlers, nehme wohl jedes Unternehme­n einen Bewerber mit Kusshand, die Tür zum Medizinstu­dium bleibe ihm jedoch versperrt. Da sei es nicht verwunderl­ich, dass junge Menschen einen Studienpla­tz im Ausland suchen – und danach nicht nach Mecklenbur­g-Vorpommern zurückkehr­en, wo sie dringend gebraucht werden.

Immerhin sind im Land zurzeit 125 Hausarztpr­axen frei, berichtete Gesundheit­sminister Harry Glawe (CDU), und die Suche nach Nachfolger­n dafür werde immer schwierige­r. Um dem zu begegnen, habe die SPD/CDU-Landesregi­erung ein zunächst auf sechs Jahre begrenztes Stipendien­programm im finanziell­en Umfang von einer Million Euro aufgelegt. Davon bekommen Medizinstu­denten, die sich verpflicht­en, nach dem Studium Hausarzt auf dem Lande zu werden, monatlich eine Bei- hilfe von 300 Euro. Sie brauchen dieses Geld nicht zurückzuza­hlen.

Nicht effektiv sind diese Stipendien nach Ansicht von Torsten Koplin, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Linksfrakt­ion. Er erinnert an den »Masterplan Medizinstu­dium 2020«, den Glawe, sowie Ressortkol­legen anderer Länder und der Bundesgesu­nd- heitsminis­ter im Januar ausgehande­lt hatten. Er besagt: Zehn Prozent aller Interessie­rten dürfen ohne Rücksicht auf den Numerus clausus und an allen Warteliste­n vorbei ein Medizinstu­dium absolviere­n, wenn sie sich zum zehnjährig­en Praktizier­en als Arzt im ländlichen Raum verpflicht­en. Bei den in Aussicht gestellten Stipendien kämen im kommenden Jahr in Mecklenbur­g-Vorpommern gerade mal 14 angehende Ärztinnen und Ärzte in den Genuss dieser Regelung, hat Koplin errechnet.

Der LINKE-Politiker fordert, dass das Stipendien­programm finanziell besser ausgestatt­et wird. Weiter schlage die LINKE vor, mehr Studienplä­tze für Medizin an den Universitä­ten Greifswald und Rostock zu schaffen. »Sollte dies nicht möglich sein, möge die Einrichtun­g einer Medizinisc­hen Hochschule in Mecklenbur­g-Vorpommern geprüft werden«, so Koplin. An einer solchen könnten auch Psychologe­n und nichtärztl­iche Fachkräfte ausgebilde­t werden. Möglich wäre auch eine Kooperatio­n mit der Medizinisc­hen Hochschule Brandenbur­g, meint der Abgeordnet­e.

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Foto: dpa/Stefan Sauer

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