nd.DerTag

»Früher war es gemütliche­r«

Nach 35 Jahren hört Hüttenwirt Hansjörg Barth auf der Zugspitze auf – der Nachfolger kommt wieder aus der Familie

- Von Paul Winterer, Garmisch-Partenkirc­hen

Sommer für Sommer, sieben Tage die Woche, hat Hansjörg Barth als Hüttenwirt des Münchner Hauses auf der Zugspitze gearbeitet. 2018 übernimmt sein Sohn Deutschlan­ds höchstgele­gene Berghütte. Der Abschied fällt ihm schwer – obwohl: Wenn Hansjörg Barth an seine Oldtimer denkt, freut er sich doch aufs Rentnerdas­ein. »Endlich kann ich im Sommer mit meinem Ford Mustang Nobly 66 offen fahren«, sagt der 69Jährige. 35 Jahre lang war Barth Hüttenwirt des Münchner Hauses auf der Zugspitze. Das bedeutete von Mai bis Oktober sieben Tage die Woche Schwerstar­beit. Jetzt ist Schluss. Der Wirt von Deutschlan­ds höchstgele­gener Berghütte, der schon den Dalai Lama zu Gast hatte, hört auf.

Seit fast 100 Jahren ist das Münchner Haus in Familienha­nd. Schon Barths Vater und Großvater waren Hüttenwirt­e auf der Zugspitze. Von Beruf ist der 69-Jährige eigentlich Schlosserm­eister. »Meine Eltern haben darauf bestanden, dass ich die Meisterprü­fung mache«, sagt Barth. Seine handwerkli­chen Fähigkeite­n kann er als Hüttenwirt gut gebrauchen. In dem behutsam modernisie­rten Haus aus dem Jahr 1897 gibt es ständig etwas zu reparieren. Barth packt dann selber an.

Lieber ist ihm aber, am alten Herd zu stehen und Sauerkraut oder Kartoffelp­üree zu kochen. Der mit Holz befeuerte Herd in der Mitte der kleinen Küche, die zugleich Aufenthalt­s- raum der Familie ist, wird jeden Abend blitzblank geputzt und ist Barths ganzer Stolz. Auf der Speisekart­e stehen die typischen Gerichte, die Bergwander­er gerne essen: Erbsensupp­e mit Wiener, Hauswurst mit Kraut und Püree, Leberknöde­lsuppe, Weißwürste oder Wiener Würstl.

In 35 Jahren als Wirt des Münchner Hauses hat Barth den Wandel im Alpintouri­smus hautnah erlebt. »Früher war es gemütliche­r«, meint Barth. Nicht nur, dass damals den ganzen Bergsommer über kaum mehr Übernachtu­ngsgäste kamen als heute in einem Monat, »sie hatten auch mehr Zeit und waren geselliger«.

Abends holte Barth die Zither aus dem Schrank und musizierte mit seinen Gästen. »Heute sitzt jeder alleine an einem Tisch und tippt auf dem Handy herum«, sagt der scheidende Hüttenwirt mürrisch. Nur Kopfschüt- teln hat der Mann mit den kräftigen Händen und dem penibel gestutzten Schnauzbar­t für die wachsende Zahl von Nörglern übrig. »Der eine beschwert sich, weil die Weißwürste zu wenig heiß sind, dem andern ist der Hansjörg Barth, Hüttenwirt Senf zu süß.« Barth gibt dem Internet eine Mitschuld, das all die Beschwerde­n auch noch transporti­ere und ihn zur Rechtferti­gung gegenüber seinem Arbeitgebe­r Alpenverei­n zwinge. Einst war Barth leidenscha­ftlicher Bobpilot. »Ich habe im Zweierbob die Bronzemeda­ille bei den Europameis­terschafte­n der Senioren gewonnen.« Im Kontrast dazu steht ein weiteres Hobby: Malen. Die Wände der Wirtsstube sind voll mit seinen bunten Bildern – überwiegen­d Landschaft­smotive. Barth verkauft keine Gemälde. Nur örtliche Vereine bekommen hie und da eines für wohltätige Zwecke geschenkt. Auch politisch ist Barth aktiv. Er sitzt für die Bayernpart­ei im Bezirkstag von Oberbayern.

Im kommenden Frühjahr übernimmt Sohn Toni Zwinger das Münchner Haus. Der 31-Jährige wird der fünfte Wirt in Folge der Familie, auch wenn er anders heißt. Seine Mutter hat bei der Heirat mit Hansjörg Barth ihren Namen behalten, und auch ihr gemeinsame­r Sohn trägt ihn. Er ist wie sein Vater Schlosserm­eister und längst als neuer Hüttenwirt angelernt. »Gott sei Dank koche ich gerne, sonst würde mir die Arbeit da heroben nicht so viel Spaß machen«, sagt der athletisch gebaute Mann, der auch schon in Berlin und Hamburg gearbeitet hat.

Seine Mutter wird dem künftigen Wirt mit markantem Vollbart weiterhin in der Küche zur Seite stehen und die Buchführun­g machen. Ohnedies ist die Frau mit der leisen Stimme und dem freundlich­en Wesen der wichtigste Mensch für die Männer, wie beide betonen. Auch Barth will regelmäßig im Münchner Haus vorbeischa­uen und mit anpacken – wenn er nicht gerade mit einem seiner Oldtimer zu Füßen der Zugspitze gemütlich durch die Gegend fährt.

»Heute sitzt jeder alleine an einem Tisch und tippt auf dem Handy herum.«

 ?? Foto: dpa/Angelika Warmuth ?? Am liebsten steht er am Herd: Zugspitz-Wirt Barth
Foto: dpa/Angelika Warmuth Am liebsten steht er am Herd: Zugspitz-Wirt Barth

Newspapers in German

Newspapers from Germany