nd.DerTag

Der Kampf geht weiter

Im Kino: »Clash« von Mohamed Diab

- Von Caroline M. Buck

Die aristoteli­sche Einheit von Ort und Zeit wird groß geschriebe­n in »Clash«, Mohamed Diabs Spielfilm über Festnahmen am Rande der Massendemo­nstratione­n, die auf die ägyptische Revolution und die Absetzung des neuen, religiösen Präsidente­n durch das Militär folgten. Ein Tag in Kairo im Jahr 2013 also, (k)ein Tag wie jeder andere, ein Tag der Zusammenst­öße auf der Straße, der Repression, der Polizeiwil­lkür.

Der Polizeiwag­en, in dem die gesamte Handlung spielt, fährt durch die Straßen, wenn die Lage es zulässt, und steht sonst still, umzingelt von Uniformier­ten in Kampfausrü­stung. Mit jeder Fahrt füllt er sich. Die ersten, die eingesperr­t werden, sind Reporter, ein US-Amerikaner darunter. Wenn draußen Steine fliegen oder Schüsse fallen, duckt man sich weg. Die Straße sieht man nur durch Türen oder vergittert­e Fenster, die Atmosphäre ist klaustroph­ob, die Farbwahl bräunlich-bernsteinf­arben, wie von der Erinnerung gefiltert oder mit Wüstensand durchsetzt. Die Fenster erlauben Schwenks in alle Richtungen, gefiltert durch Gitterstäb­e. Und im Wagen wird es immer wärmer.

Eine Frau lässt sich festnehmen, weil ihr Sohn im Wagen sitzt: Er hatte Steine geworfen, weil der US-Journalist aus dem Wagen heraus mit einer Minikamera am Handgelenk filmte. Denn: »Journalist­en sind Lügner und Betrüger« und alle Amerikaner ohnehin verdächtig. Einer hat ein Handy in den Wagen geschmugge­lt – wer darf damit nun wen anrufen? Der Amerikaner seine Botschaft? Er winkt ab: »Selbst wenn ich das täte, die würden nur mir helfen.« Oder der, dessen Frau gerade entbunden hat und nicht weiß, wo er steckt? Oder der, dessen Onkel General ist? General klingt den anderen gut, der wird’s. Aber die Mama, die den On- kel alarmieren soll, will nur eins wissen: ob der Junge vor der Festnahme anständig gegessen habe.

Mancher schreit Slogans, während er schon die Rampe hochgescho­ben wird. Dann geht der Kampf im Wagen weiter, der draußen auf der Straße tobt. Es gibt Verletzte, drinnen wie draußen, und eine kalte Dusche per Wasserwerf­er, der kurzerhand an den Gefängnisw­agen gefahren wird. Das Gefühl der Ohnmacht ist total, als alles sich wieder beruhigt – ruhig wird da auch der Film für einen Moment. Dann kriegt der Amerikaner Handschell­en verpasst, und den anderen wird mit der Erschießun­g gedroht, wenn sie noch einmal Krawall schlagen. Später bringt das Tränengas sie alle fast um, das gegen die Demonstran­ten zum Einsatz kommt.

Denn um den Wagen herum branden Straßensch­lachten, das Militär wird angegriffe­n, und mit ihm die Gefangenen. Die Kamera ist mitten drin im Geschehen, oft sehr bewegt. Irgendwann erwischt ein Schuss den Fahrer, da hat man dann noch Glück, dass mal einer zuhört, als die Gefangenen nach draußen brüllen, dass jemand den Wagen stoppen müsse. Auch als man einen Scharfschü­tzen vom Wagen aus ausfindig macht, den das Militär nicht orten konnte, wird der Tipp gern angenommen. Nur den Muslimbrud­er, der den Schützen warnen will, den muss man erst einmal niederring­en. Irgendwann steht der Wagen nur noch, denn die Gefängniss­e sind längst voll.

Wie die Polizei mit Demonstran­ten umgeht, davon sind schließlic­h alle gleicherma­ßen entsetzt, die Religiösen und die Anderen: Wer demonstrie­rt, steht im Verdacht, ein militanter Muslimbrud­er zu sein, und wird entspreche­nd behandelt. Im Wagen selbst trägt man bald Armbinden, um die eigene Faktionszu­gehörigkei­t darzustell­en, und teilt sich in die Ecken auf. Dass es Spitzel geben kann und falsche Zugehörigk­eiten, wird auch angesproch­en: »Nicht alle mit Bart gehören automatisc­h zu uns.« Wasser gibt es keins, nicht nach dem Wasserwerf­er. Essen auch nicht.

Andere Wagen mit vergittert­en Fenstern fahren vorbei, dann tauscht man sich aus. Als ein Neuling in Uniform das kollektive Schreien nach mehr Luft und Wasser schließlic­h ernst nimmt und die Türen öffnen will, geht es ihm bald selbst ans Leder. Ein anderer, der Mitleid mit den Kindern hat – denn auch die sind im Wagen –, landet schließlic­h selbst darin, eingesperr­t von den Kollegen. Ein T-ShirtAufdr­uck bringt es auf den Punkt: »F*ck This Shit.« Kein fröhliches Bild der gespaltene­n ägyptische­n Gesellscha­ft, das Diab da zeichnet.

Die Straße sieht man nur durch vergittert­e Fenster, die Atmosphäre ist klaustroph­ob.

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Foto: Missing Films

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