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Der Zukunft zugewandt

Leipzigs Musterschü­ler schaffen gegen Porto wieder mal Historisch­es. RB aber will mehr – und das möglichst schnell

- Von Alexander Ludewig, Leipzig

Es ist geschafft: Mit einem 3:2 gegen den FC Porto feiert RB den ersten Sieg in der Champions League. Kaum eine andere Mannschaft lernt so schnell wie die Leipziger. Der Klub ist aber auch sehr ungeduldig.

Etwas Unvergessl­iches zu schaffen, ist nur wenigen vorbehalte­n. In Leipzig hingegen wird Geschichte schreiben derzeit immer noch leicht gemacht. Am Dienstagab­end setzte RasenBalls­port den nächsten Meilenstei­n in der noch jungen Vereinsges­chichte. Als Schiedsric­hter Paolo Tagliavent­o vor 41 000 Zuschauern um 22:37 Uhr die Partie zwischen RB und dem FC Porto abgepfiffe­n hatte, wurde nach dem 3:2 der erste Erfolg in der Champions League gefeiert.

Historisch. Kein Wort wurde in der Leipziger Arena wohl öfter bemüht. Zur Einstimmun­g auf die Partie lief nochmal der »historisch­e Treffer von Emil Forsberg« über die Anzeigetaf­eln. Der schwedisch­e Mittelfeld­spieler hatte im »historisch­en«, weil ersten Spiel des Klubs in der Königsklas­se am 13. September gegen Monaco das erste Tor erzielt. Und ganz im Sinne der eigenen Geschichts­schreibung wurden die Portugiese­n vom Stadionspr­echer offiziell »in der Heldenstad­t« willkommen geheißen.

Später griff auch Ralph Hasenhüttl auf das naheliegen­de zurück und war »sehr glücklich über den historisch­en Sieg.« Dann wandte sich der Leipziger Trainer wieder schnell seinem derzeitige­n Lieblingst­hema zu: der Zukunft. Natürlich ist auch für ihn das nächste Spiel das schwerste. Den VfB Stuttgart müsse man am kommenden Sonnabend mindestens genauso ernst nehmen wie den FC Porto. Aber Hasenhüttl dachte noch weiter. Es wäre eine Sensation, in der Champions League zu überwinter­n. Und noch viel weiter: Angesichts des Spektakels, das seine Mannschaft gerade geboten habe, läge eine »schöne Zukunft« vor RB.

Schon nach dem Sieg am vergangene­n Wochenende bei Borussia Dortmund hatte Hasenhüttl den Blick weit nach vorn geworfen. Dass er »eine sehr spannende Saison« erwarte, kann durchaus als verbale Drohung an die etablierte Konkurrenz gesehen werden. Und das nicht mal unberechti­gt. Denn die Spieler machen derzeit aus seinen Worten Taten.

Wie gegen den FC Porto. Schon nach einer Viertelstu­nde Spielzeit war der Gegner der Verzweiflu­ng nahe. Kopfschütt­eln, Schulterzu­cken: Immer wieder signalisie­rten die Verteidige­r ihre Hilflosigk­eit. Während RB Angriff auf Angriff folgen ließ, kannten die Portugiese­n den gegnerisch­en Strafraum nur aus der Ferne. Die Leipziger waren im Kopf und auf den Beinen schneller. Der stete Druck führte zu Fehlern beim Gegner. Entscheide­nd war aber die Variabilit­ät im An- griffsspie­l von RB: direktes Kombinatio­nsspiel durch die Mitte hinein bis in den Strafraum, schnelle Läufe über die Außenbahne­n bis zur Grundlinie mit folgendem Pass in den Rücken der Abwehr oder bestens heraus gespielte Schussposi­tionen aus der Ferne. Zudem hat der ballführen­de Spieler meist mehrere Optionen.

Die Mannschaft des FC Porto war damit sichtlich überforder­t. Sie wusste selten, wie sie verteidige­n musste. Die Leipziger Tore als Beleg: Nach acht Minuten erzielte Willi Orban die Führung, ein Abstauber aus kurzer Distanz. Entscheide­nd war der kurz zuvor gewonnene Zweikampf von Marcel Halstenber­g. Der Linksverte­idiger hatte am gegnerisch­en Strafraum Druck gemacht und einen Eckball herausgeho­lt. Der 26-Jährige, einer der besten am Dienstagab­end, leitete auch den zweiten Treffer nach 38 Minuten ein: Pass Halstenber­g, Hacke Emil Forsberg, direkter Pass Marcel Sabitzer, Tor Forsberg. So rasant ging es weiter, zwei Minuten später erzielte Stürmer Jean-Kevin Augustin nach einer schnellen Ballerober­ung Tor Nummer drei: Das kompromiss­lose Leipziger Pressing begann wieder weit vorn, ließ den Gegnern im Spielaufba­u keine Zeit, verunsiche­rte sie und provoziert­e Fehler.

Am Ende des Spiels lautete das Chancenver­hältnis 21:9. Dass RB Leipzig nicht mehr Tore geschossen hat, könnte am Ende in dieser Gruppe mit Besiktas Istanbul und Monaco noch wehtun. Ebenso wie die beiden vermeidbar­en Gegentreff­er: Schon zur Halbzeit stand es 3:2 – und Porto hatte eigentlich keine Chance.

Wirklich böse war Ralph Hasenhüttl darüber nicht. Er nennt es einen »Lernprozes­s«. Vor der neuen, großen Herausford­erung Königsklas­se habe er seinen Spielern keinen allzu großen Druck gemacht. »Wir wollen ihnen Zeit geben.« Da er aber anscheinen­d eine Mannschaft von lauter Musterschü­lern hat, geht es dann doch etwas schneller als anderswo. Die Champions League im Crashkurs: Remis im ersten Spiel gegen Monaco, Niederlage im ersten Auswärtssp­iel bei außergewöh­nlicher Kulisse in Istanbul. Alles in Ordnung für Hasenhüttl. Aber: »Heute gab es keine Ausreden mehr«, offenbarte er nach der Partie den Hinweis an seine Spieler, irgendwann auch liefern zu müssen.

Gefordert, getan. Nun will der Trainer »versuchen, die Limits noch weiter nach oben zu verschiebe­n.« Da war Hasenhüttl wieder bei seinem Lieblingst­hema. Zwar ist einerseits die Erleichter­ung schon zu spüren, dass die überrasche­nd guten Leistungen aus der Vorsaison in der Gegenwart bestätigt werden können. Aber: RasenBalls­port Leipzig kann die Zukunft kaum erwarten. Denn der Klub ist getrieben vom Erfolg. Und der wird im Fußball nicht an gewonnenen Spielen, sondern an Titeln gemessen.

 ?? Foto: imago/Karina Hessland ?? Selten ohne Foulspiel zu stoppen: Wie Torschütze Jean Kevin Augustin (r.) war am Dienstagab­end die gesamte Leipziger Mannschaft meist einen Schritt schneller als ihre Gegner vom FC Porto um Alex Telles.
Foto: imago/Karina Hessland Selten ohne Foulspiel zu stoppen: Wie Torschütze Jean Kevin Augustin (r.) war am Dienstagab­end die gesamte Leipziger Mannschaft meist einen Schritt schneller als ihre Gegner vom FC Porto um Alex Telles.

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