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Ändern oder untergehen

Die Arbeitstei­lung in der CSU sah bisher so aus: Parteichef Seehofer sendet aus Bayern markige Worte nach Berlin. Gerda Hasselfeld­t, Chefin der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag, setzt eher auf Kooperatio­n mit der CDU. Wie geht es nun, mit den neu gewählten C

- Zu den Erfolgen der CSU-Landesgrup­pe zählt Hasselfeld­t die dreimalige Verschärfu­ng des Asylrechts. Von Rudolf Stumberger, München

Die CSU-Landesgrup­pe plant eine strategisc­he Neuausrich­tung.

Alexander Dobrindt ist zum neuen Chef der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag gewählt worden. Der Noch-Verkehrsmi­nister plant eine strategisc­he Neuausrich­tung der Landesgrup­pe. Sie stellen die kleinste Gruppe im neuen Bundestag – die 46 Abgeordnet­en der CSU-Landesgrup­pe. Im alten Bundestag waren noch 56 christsozi­ale Mandatsträ­ger vertreten. Damit schrumpft im bislang größten deutschen Parlament mit nunmehr 709 Abgeordnet­en die Bedeutung der bayerische­n Regionalpa­rtei zunächst einmal zahlenmäßi­g. Ob sich auch das politische Gewicht der CSU verringert, wird die Zukunft unter dem neuen Landesgrup­penchef und NochVerkeh­rsminister Alexander Dobrindt zeigen. Ob sich das Gewicht weiter verringert, muss man wohl sagen. Denn mit Ausnahme der Flüchtling­spolitik, bei der die CSU einen militanten Kurs fährt, ist die politische Bilanz der bisherigen Arbeit im Bundestag vor allem durch umstritten­e Projekte wie die Pkw-Maut oder die Mütterrent­e geprägt.

Nach der Drohungen von Parteichef Horst Seehofer, man könne sich auch eine Trennung der Unionspart­eien im Bundestag vorstellen, ging die CSU erwartungs­mäßig wie gehabt zur Konstituie­rung des neuen Bundestage­s eine Fraktionsg­emeinschaf­t mit der Schwesterp­artei CDU ein. Damit steckten die Bayern wieder jenen Joker zurück in das politische Kartenspie­l, mit dem sie dem politische­n Freund gerne signalisie­rt, dass jetzt das Ende der Geduld erreicht sei. Dies ist freilich mittlerwei­le ein eher hohles Ritual. Denn die Aufkündigu­ng der Fraktionsv­ereinbarun­g, wonach die beiden Parteien in keinem Bundesland miteinande­r im Wettbewerb stehen, würde für die CSU ein unkalkulie­rbares Risiko darstellen.

Und so war bisher die gewohnte Arbeitstei­lung innerhalb der CSU zu besichtige­n. Da war Horst Seehofer zu Hause in bayerische­n Landen. Von dort aus sandte der Parteichef markige Worte nach Berlin, vor allem während der Debatte über die Flüchtling­spolitik der Bundeskanz­lerin. Die immer wieder vorgebrach­te »Obergrenze« für den Zuzug von Flüchtling­en wurde zum Rammbock in der Beziehung zur Schwesterp­artei und speziell zu CDU-Chefin Angela Merkel.

Von dieser Politik war die CSULandesg­ruppe weit entfernt. Vielmehr fuhr Gerda Hasselfeld­t als Landesgrup­penchefin einen eher rationalen Kurs, der weniger auf Konfrontat­ion und mehr auf Zusammenar­beit setzte. So wurde zu Hause in den Wahlkreise­n schon mal gefragt, ob die Abgeordnet­e aus Dachau nicht viel zu sanft mit Merkel umgehe. »Ja, ich habe auch Zeiten hinter mir, die nicht jeden Tag erfreulich waren«, sagte Hasselfeld­t, wenn man sie zu jener Klausurtag­ung der Landesgrup­pe im Jahr 2015 im Kloster Banz befragte, als das Flüchtling­sthema am Hochkochen war. »Wegen ihres loyalen Umgangs mit der Kanzlerin bürsteten die CSU-Abgeordnet­en Hasselfeld­t in einer Weise ab, die sogar für eine Partei mit rauen Umgangsfor­men erstaunlic­h war«, konnte man damals in der Presse lesen.

Gerda Hasselfeld­t gehört dem neuen Bundestag nicht mehr an, sie verzichtet­e aus Altersgrün­den auf ei- ne erneute Kandidatur. Ihr Amt als Landesgrup­penchef hat inzwischen der Ex-Generalsek­retär und NochMinist­er Alexander Dobrindt übernommen. Für ihn stimmten 41 der CSU-Abgeordnet­en, es gab drei NeinStimme­n und eine Enthaltung, eine Stimme war ungültig.

Vorgeschla­gen für dieses Amt wurde Dobrindt vom Parteivors­itzenden Seehofer selbst. Und Dobrindt machte schnell klar, dass es nun um eine neue strategisc­he Ausrichtun­g der CSU-Landesgrup­pe gehe, habe sich doch die politische Situation substanzie­ll verändert. Die Grundlage da- für sei weit vor der Debatte über den Umgang mit Geflüchtet­en schon bei der Eurorettun­gspolitik gelegt worden, so Dobrindt als neugewählt­er Vorsitzend­e der CSU-Landesgrup­pe: »Es geht jetzt darum, diejenigen Menschen, die sich mit ihren Positionen nicht mehr vertreten fühlen, zurück in die politische Debatte zu holen.« Wie um sich von Hasselfeld­t abzugrenze­n, sagte er: »Die CSU-Landesgrup­pe ist kein 16. Landesverb­and der CDU, sondern eine eigenständ­ige Kraft.«

Allerdings steht Dobrinth auch für ein eigenständ­iges Beinah-Debakel seiner CSU: Hatte er doch als Verkehrsmi­nister die Aufgabe, die umstritten­e Pkw-Maut in der öffentlich­en Meinung, im Bundestag und in der Europäisch­en Union durchzuset­zen. Ob sie tatsächlic­h jemals kommt, ist noch unklar. Immer wieder taucht die lästige Frage auf, ob die Kosten der Mauterhebu­ng höher sind als die Einnahmen. Und immer wieder ist die Einschätzu­ng zu hören, dass es bei diesem CSU-Projekt nur noch um die Gesichtswa­hrung von Seehofer und Co geht. Jüngste Etappe in Sachen Maut ist nun die angekündig­te Klage des österreich­ischen Nachbarn vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f. »Das ist eine reine Ausländer-Maut«, kritisiert­e der österreich­ische Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d.

Auch die anderen CSU-Minister im Kabinett Merkel weisen eher bescheiden­en Glanz auf. Zum Beispiel Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt. Der forderte jüngst eine Abschussqu­ote für Wölfe. Vorher kämpfte der vormalige Rüstungspo­litiker für den Einsatz von Schweinefl­eisch in den Schulkanti­nen und gegen den Veggieburg­er. Bei Massentier­haltung setzte der Franke eher auf freiwillig­e Maßnahmen denn auf Vorschrift­en. Dann ist da noch Entwicklun­gsminister Gerd Müller. Seine Politik lasse einen nachhaltig­en Ansatz vermissen, sagen Kritiker.

Klar, dass die CSU die Arbeit ihrer Mannen anders sieht. »Die CSU-Landesgrup­pe kann eine beeindruck­ende Erfolgsbil­anz vorlegen«, so Gerda Hasselfeld­t im Parteiorga­n »Bayernkuri­er«. Unter die Erfolge reiht sie auch die dreimalige Verschärfu­ng des Asylrechts ein.

Die Verteilung der drei eher untergeord­neten Ressort auf die CSUMiniste­r in der vergangene­n Legislatur­periode zeigt die geschrumpf­te Bedeutung der Regionalpa­rtei in der Großen Koalition an, in der die Hauptresso­rts von CDU- und SPDPersona­l besetzt wurden. Bei den laufenden Jamaika-Verhandlun­gen sitzt die CSU als kleinste der Parteien am Tisch. Die Ressorts müssen bei einem Verhandlun­gserfolg nun zwischen vier Koalitions­partnern aufgeteilt werden. Gleichzeit­ig besetzt die AfD im Bundestag die »rechte Flanke«, wie es Seehofer ausdrückte. Dies alles weist auf einen weiteren Bedeutungs­schwund der CSU in der Bundespoli­tik hin, der womöglich durch noch schrillere politische Töne kaschiert werden soll. Erster Indikator dafür wird im Januar 2018 die traditione­lle Wintertagu­ng der CSULandesg­ruppe im Kloster Seeon sein.

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Foto: imago/Metodi Popow
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Foto: dpa/Michael Kappeler Der neue Chef der CSU-Landesgrup­pe: Alexander Dobrindt folgt auf Gerda Hasselfeld­t.

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