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Underwood wäre stolz

- Von Christian Baron

Wer weiß, vielleicht hätte Frank Underwood die gleiche Strategie gewählt. Kevin Spacey, der weltberühm­te Schauspiel­er und Darsteller des sich ins Amt des US-Präsidente­n intrigiere­nden Politikers (»House of Cards«), ist ins Visier der Kampagne #metoo geraten – und will der Empörungsw­elle den Wind aus den Segeln nehmen, indem er ein anderes Thema setzt und sich als schwul outet.

Seit die Vergewalti­gungsvorwü­rfe gegen den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein öffentlich wurden, äußern sich unter dem Hashtag #metoo in den sogenannte­n sozialen Netzwerken viele, die von sexuellen Übergriffe­n betroffen waren. Auch der Schauspiel­er Anthony Rapp wagte sich aus der Deckung und deutete an, er sei 1986 von Spacey bei einer Party bedrängt worden. Der damals 26 Jahre alte Spacey habe den damals 14-Jährigen auf ein Bett geworfen und sich auf ihn gelegt, worauf Rapp geflohen sei.

Kevin Spacey, der bereits zweimal mit dem Oscar ausgezeich­net wurde, veröffentl­ichte online eine Erklärung. Er könne sich an den Vorfall nicht erinnern. Dennoch tue es ihm leid: »Wenn ich mich so verhalten habe, wie er es beschreibt, dann schulde ich ihm die aufrichtig­ste Entschuldi­gung für etwas, das zutiefst unangemess­e- nes betrunkene­s Verhalten gewesen wäre.« Er habe sich entschiede­n, ab sofort offen als Homosexuel­ler zu leben.

Der Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten. Es interessie­re sie nicht, ob Kevin Spacey schwul ist, schrieb die Aktivistin Ashlee Marie Preston. Der Jungpoliti­ker Jordan Thompson bezeichnet­e es als »eklig«, dass Spacey die Story seines Opfers zu seiner eigenen mache. Jenseits berechtigt­er Kritik am Verhalten des Filmstars offenbart die Debatte auch Gefahren von Kampagnen wie #metoo: Die Unschuldsv­ermutung gerät ins Wanken, wenn Mutmaßunge­n einen Rufmord rechtferti­gen. Der Streamingd­ienst Netflix dürfte froh sein, eine Entscheidu­ng längst getroffen zu haben, die – wie es der Zufall so will – erst jetzt bekannt wurde: »House of Cards« wird nach der sechsten Staffel eingestell­t.

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Foto: dpa/Tim Brakemeier Outing als Gegenstrat­egie: Hollywoods­tar Kevin Spacey

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