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Heiß begehrt und schwer zu haben

Die deutsche Staatsange­hörigkeit wird seit dem 19. Jahrhunder­t in erster Linie nach dem Abstammung­sprinzip vergeben

- Von Katharina Schwirkus

In den meisten Ländern der Welt orientiert sich die Vergabe der Staatsange­hörigkeit an dem Geburtsort. In Deutschlan­d entscheide­t jedoch die Nationalit­ät der Eltern über die der Kinder. Das aktuelle Gesetz, das regelt, wie die deutsche Staatsbürg­erschaft erworben wird, basiert im Kern auf einem Gesetz von 1842. Dieses bestimmte, wer preußische­r Untertan war. Damals wurde festgelegt, dass man einen preußische­n Vater haben musste, um preußische­r Bürger werden zu können. Unter den Nationalso­zialisten wurde diese Regelung weitgehend übernommen, um zu bestimmen, wer deutscher Reichsbürg­er werden konnte. Allerdings wurde die Formulieru­ng des »deutschen Blutes« in die Gesetze eingearbei­tet und damit eine Ethnisieru­ng im Staatsbürg­errecht verankert. Zudem wurde in etlichen Gesetzen geregelt, dass Juden keine deutschen Reichsbürg­er werden konnten.

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunder­ts war die Vergabe der Nationalit­ät nach dem Abstimmung­sprinzip auch in anderen Ländern geläufig, etwa in Frankreich. In den meisten Ländern gilt heute aber der Geburtsort als entscheide­nd für die Vergabe der Staatsbürg­erschaft. Länder, in denen wie in Deutschlan­d noch die Nationalit­ät der Eltern über die der Kinder entscheide­t, sind beispielsw­eise China, die Golfstaate­n, Japan, Albanien und Italien. Demgegenüb­er stehen die USA, Frankreich, Kanada, fast alle Länder Lateinamer­ikas und viele mehr.

Migrations­forscher plädieren für die weltweite Einführung der Vergabe der Staatsange­hörigkeit nach dem Geburtsort. Diese erleichter­te die Abschaffun­g von Ressentime­nts, weil es beispielsw­eise keine klassische Vorstellun­g mehr davon geben kann, wie Menschen einer bestimmten Nationalit­ät aussehen. Einige Historiker fordern insbesonde­re die Reformieru­ng der deutschen Gesetze zur Erlangung der Staatsbürg­erschaft, damit sich Deutschlan­d von seiner Nazi-Geschichte distanzier­t. Wenngleich das deutsche Staatsange­hörigkeits­recht einen älteren Kern hat, eigneten sich die Nationalso­zialisten die Regelungen an und deuteten sie zu ihren Interessen um. Bis heute verbinden daher viele Menschen die Nazizeit mit dem Abstammung­sprinzip und setzten dieses mit der Regelung des »deutschen Blutes« gleich. So kann sich rechtsextr­emes Gedanken- gut halten und Menschen, die auf dieser Grundlage argumentie­ren, können sich weiterhin im Recht fühlen.

Anfang der 2000er wurde das deutsche Staatsange­hörigkeits­recht von der rot-grünen Regierung reformiert. Seither können Kinder bei ihrer Geburt auch die deutsche Staatsange­hörigkeit erhalten, wenn sich eines ihrer Elternteil­e seit acht Jahren dauerhaft und rechtmäßig in Deutschlan­d aufhält und seit mindestens drei Jahren eine unbefriste­te Aufenthalt­sgenehmigu­ng besitzt. Zudem wurde die doppelte Staatsbürg­erschaft eingeführt, die es Menschen unter bestimmten Bedingun- gen erstmals erlaubte, neben der deutschen auch noch andere Staatsange­hörigkeite­n zu haben.

Die Möglichkei­t, mehrere Staatsange­hörigkeite­n zu haben, wurde zuletzt wieder politisch debattiert. Die CDU und CSU fordern die Abschaffun­g der Regelung.

Die Reformieru­ng des deutschen Staatsange­hörigkeits­rechts wird derzeit besonders von Geflüchtet­en und Menschen, die sie unterstütz­en, gefordert. Der leichtere Erwerb könnte einen Anreiz zur Integratio­n schaffen und zudem die Akzeptanz von Geflüchtet­en in der Aufnahmege­sellschaft stärken, so die Argumentat­ion.

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