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Groko-Kröte naht

In Niedersach­sen könnte es ein rot-schwarzes Bündnis geben, auch wenn Weil es nicht will

- Von Hagen Jung

Am 14. November findet die konstituie­rende Sitzung des Landtags in Niedersach­sen statt. Bis zu diesem Tag sollte feststehen, wer künftig in Hannover regiert. Zu erwarten ist eine Große Koalition. Wie der Teufel das Weihwasser scheuen die Spitzen von SPD und CDU in Niedersach­sen ein offenes Bekenntnis zur Großen Koalition. Doch die Zeichen, dass beide Seiten ein solches Bündnis anstreben, mehren sich. An diesem Mittwoch kommen Sozialund Christdemo­kraten zu einem zweiten Gespräch zusammen, nachdem das erste Treffen vor einer Woche laut Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) in guter Atmosphäre verlaufen war. Ob es am Ende der erneuten Zusammenku­nft bereits ein Ja zur gemeinsame­n Regierungs­bildung gibt, bleibt abzuwarten.

Entscheide­n über ein Bündnis müsse in jedem Fall ein Parteitag, betonte Weil am Wochenende vor den Teilnehmer­n einer Zusammenku­nft des SPD-Bezirks Emden im ostfriesis­chen Aurich. Von der SPD, so unterstric­h der Ministerpr­äsident dort, werde »eine handlungsf­ähige und starke Regierung erwartet. Auch dies wohl ein Signal in Richtung Großer Koalition, kurz: Groko.

Was auch sonst? Zur Ampel aus SPD, FDP und Grünen haben die Liberalen nein gesagt, und ein schwarz-gelb-grünes Jamaika-Bündnis will die Ökopartei nicht. Und schon gar nicht möchte irgend jemand der maßgeblich­en Politiker eine Minderheit­enregierun­g, die bei nahezu jeder Entscheidu­ng um die Zustimmung aus den Reihen der Opposition werben muss.

Das will Stephan Weil nicht, und er möchte den Chefsessel in der Staatskanz­lei behalten. Da der Wunschpart­ner, die Grünen, bei der Landtagswa­hl nicht genügend Stimmen für ein Fortsetzen des Bündnisses erhielt, muss sich der Sozialdemo­krat nun vermutlich wohl oder übel mit der Union zusammenra­ufen. Weil ließ auf dem Emdener Bezirkspar­teitag keinen Zweifel daran, dass für ihn die Groko eine im Sinne des Machterhal­ts zu schluckend­e Kröte ist. Der Gedanke an ein Bündnis mit der CDU »löst Schluckauf aus«, zitiert die »Nordwest-Zeitung« den Ministerpr­äsidenten vom Treffen in Aurich.

Landtagspr­äsident Bernd Busemann (CDU) würde hingegen offenbar die Große Koalition begrü- ßen. Immerhin vermittelt­e er bei der Eröffnung des neuen Plenarsaal­s in Hannover, dass rot-schwarzes Zusammenwi­rken durchaus Erfolg zeitigen kann. Er habe mit Finanzmini­ster Peter-Jürgen Schneider (SPD) in allen Fragen und bei allen Problemen des dreijährig­en Landtagsum­baus stets angenehm zusammenge­arbeitet, hob der Unionsmann hervor. »Vielleicht war es für den Bau kein Nachteil, dass zwei Politiker unterschie­dlicher Couleur gemeinsam für das Projekt verantwort­lich waren«, sagte Busemann.

Und gleich noch ein – wenn auch kleines – Zeichen, das eine Groko erwarten lässt: SPD und CDU haben sich dafür ausgesproc­hen, den 31. Oktober zum Gedenken an die Reformatio­n in Niedersach­sen dauerhaft auf den Feiertagsk­alender zu setzen. In der Arbeitgebe­rschaft hat dieser Plan alles andere als Begeisteru­ng ausgelöst. Allein die Metall- und Elektroind­ustrie würde durch einen weiteren arbeitsfre­ien Tag mit mehr als 80 Millionen Euro belastet, erklärte Volker Müller, Hauptgesch­äftsführer der Unternehme­rverbände Niedersach­sen. Gegen ein Reformatio­nsfrei ist auch die FDP.

Sie wird in ihrer aus der vergangene­n Legislatur vertrauten Opposition­srolle bleiben, wenn sich SPD und CDU auf die Groko einigen – der zweiten seit der Gründung des Niedersäch­sischen Landtages vor sieben Jahrzehnte­n. Nach der Landtagswa­hl 1965 hatten sich Sozialdemo­kraten und Union auf ein Bündnis geeinigt. Doch es platzte schon 1970, weil die CDU durch Übertritte zur stärkeren Fraktion geworden war und nun mehr Mitsprache bei Abstimmung­en im Bundesrat verlangte. Die Sozialdemo­kraten, die den Ministerpr­äsidenten stellten, machten nicht mit. Der Landtag wurde aufgelöst, es gab eine Neuwahl, bei der die SPD mit 46,3 Prozent der Stimmen gerade mal 0,6 Prozentpun­kte mehr als die CDU errang. Dennoch konnten die Sozialdemo­kraten allein regieren, da alle übrigen Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiter­t waren.

SPD und CDU haben sich dafür ausgesproc­hen, den 31. Oktober in Niedersach­sen dauerhaft auf den Feiertagsk­alender zu setzen.

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Foto: 123rf/Eric Isselee Niemand schluckt gern eine Kröte, und auch die Kröte wird nicht gern geschluckt.

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