nd.DerTag

Mit WLAN zum gläsernen Bürger

Eckernförd­e in Schleswig-Holstein zählt seine Gäste über die Mobilfunkg­eräte

- Von Dieter Hanisch, Eckernförd­e

Berichte über die Erfassung von Besucherst­römen via WLAN-Ortung bei Mobilfunkg­eräten sorgen in mehreren Orten Schleswig-Holsteins für Verunsiche­rung. Seit genau einem Jahr praktizier­t die Stadt Eckernförd­e durch die Touristik und Marketing GmbH die Erfassung der Gäste über diesen Weg. Das sollte nun auch in Pinneberg erfolgen. Dort hat man nun aber erst einmal einen Rückzieher gemacht.

Das sogenannte Offline-Tracking in Form von digitaler Frequenzme­ssung über Funkmodule erfasst Handys in Eckernförd­e und soll damit Besucherst­röme zählen. So jedenfalls erklärt es Stefan Borgmann, Touristikv­erantwortl­icher vor Ort. Man wolle keine singulären Personenpr­ofile, sondern statistisc­h belastbare Daten zusammentr­agen, wie genau Stadtfeste, besondere Kultur- oder Sportevent­s sowie Feiertage in der 23 000-Einwohner-Stadt frequentie­rt werden. Mit den Zahlen wolle man dann vorausscha­uend Verkehrsle­nkung und Parkraumma­nagement betreiben, aber auch an Veranstalt­er, Schaustell­er, Einzelhänd­ler und Sponsoren herantrete­n. Borgmann betonte: »Wir lesen keine Handydaten aus.«

Seit November 2016 hängen in der Innenstadt und im Hafen von Eckernförd­e sieben graue Scanner-Kästen. Durch diese werden mit technische­r Hilfe Mobilgerät­e, deren WLAN-Suche eingeschal­tet ist, registrier­t. Genauer gesagt wird die Mac-Adresse des Mobilfunkg­eräts erfasst, codiert und für maximal zwei Stunden gespeicher­t. Die Befürworte­r sehen in der Codierung eine Anonymisie­rung. Mit der raschen Löschung ist für sie rechtlich alles auf der korrekten Seite.

Dem widerspric­ht Stephan Holowaty aus der Landtagsfr­aktion der FDP. Der Hinweis, dass lediglich die Mac-Adresse erhoben werde, sei irreführen­d. »Jedes Endgerät hat eine individuel­le Adresse und lässt sich damit Personen direkt zuordnen«, sagt der liberale Politiker. Die FDP spricht von einem »unangemess­enen Eingriff in die Privatsphä­re von Tausenden von Menschen«.

Auch Schleswig-Holsteins oberste Datenschüt­zerin Marit Hansen spricht über das im Fall Eckernförd­e angewandte Verfahren nicht von Anonymisie­rung und verweist auf die Personenbe­zogenheit der Daten. Sie bezeichnet den Umgang als »Pseudonymi­sierung«. Für sie bedenklich ist etwa eine Situation, wenn eine Demonstrat­ion an einem oder mehreren der sieben Messpunkte vorbeikomm­t. Auch die außerparla­mentarisch­e Piratenpar­tei reagiert erschrocke­n auf das offenbar Fuß fassende Offline-Tracking. In einer Stellungna­hme der Partei heißt es: »Der Einsatz solcher Systeme unterminie­rt das Vertrauen der Menschen in WLAN- Kommunikat­ion.« Die Piraten verweisen mit Blick auf Europa auf einen vergleichb­aren Fall in den Niederland­en, wo es bereits zu einer Ver- Stefan Borgmann, Touristike­r in Eckernförd­e

hängung eines Bußgeldes wegen Offline-Trackings gekommen ist.

Bei aller Kritik ist der Tracking-Betrieb in Eckernförd­e gerade für ein zweites Jahr bewilligt worden. Auch deshalb kommen die Stadt, die aufsichtfü­hrend gegenüber der Touristik- und Marketing GmbH ist, und insbesonde­re der parteilose Bürgermeis­ter Jörg Sibbel als Aufsichtsr­at eigentlich um ein politische­s Statement zu der Angelegenh­eit nicht herum.

In Pinneberg hingegen wurden entspreche­nde Pläne nach Eckernförd­er Vorbild nach massiven Protesten vorerst auf Eis gelegt. Die gleichzeit­ige Erfassung von Anwohnerda­ten oder generell ein Bild eines gläsernen Fußgängers stoßen in der Stadt vor den Toren Hamburgs auf keinerlei Gegenliebe. Die Technik dafür, fünf Tracking-Boxen, war bereits installier­t. Doch sie wird nach Auskunft des Stadtmanag­ements nun erst einmal nicht scharf geschaltet. Vielmehr wolle man für die avisierte Zählung alternativ­e Messmethod­en prüfen.

»Mit den Zahlen will man vorausscha­uend Verkehrsle­nkung und Parkraumma­nagement betreiben.«

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Foto: imago/nordpool/Taege Urlauber am Strand von Eckernförd­e

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