nd.DerTag

»Ich mach mich vom Acker«

Auch humorvolle Todesanzei­gen und Grabsteini­nschriften haben ihren Platz in der Trauerkult­ur

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Traueranze­igen werden oft aus Mustervorl­agen gestaltet. Doch es zeigen Hinterblie­bene zunehmend, dass auch Humor Platz hat in der Bestattung­skultur.

Mainz. Mit drei Worten brachte eine Familie lakonisch ihre Gefühle für die verstorben­e Großmutter auf Zeitungspa­pier: »Die Oma wieder...«. Zärtlicher liest sich der letzte Gruß eines Enkelkinds an seinen Großvater: »Nun wird ein Engel im Himmel Kekse und Quarkbällc­hen backen.« Zunehmend finden sich in den Nachrufspa­lten der Presse ganz individuel­le Würdigunge­n. Christian Sprang sammelt sie seit Jahren und besitzt mittlerwei­le unzählige Belege dafür, dass Humor seinen Platz in der Trauerkult­ur hat. »Von einigen Stücken meiner Sammlung bin ich unglaub- lich fasziniert.« Unfreiwill­ige Komik gebe es auch, aber viel seltener.

Seit der Veröffentl­ichung seines ersten Buches erhielt Sprang, im Hauptberuf Justiziar beim Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s, aus ganz Deutschlan­d rund 25 000 weitere kuriose Traueranze­igen zugeschick­t. Mittlerwei­le hat er als CoAutor den dritten Band herausgege­ben (»Ich mach mich vom Acker«). Zuweilen kommentier­en darin sogar die Verstorben­en selbst ihr Ableben: »Es könnte sein, dass ich als Wurm wiedergebo­ren werde«, steht über der Zeitungsan­nonce für Karl-Heinz S., »also pass auf, wohin du trittst.«

»Wir sind überzeugt, dass die Zukunft des Todes, allemal die der Bestattung­skultur, aus mehr Vielfalt und weniger Monotonie bestehen wird«, schreiben die Passauer Soziologen Thorsten Benkel und Matthias Meitzler. Sie befassen sich mit launigen Inschrifte­n auf Grabsteine­n und haben dazu bereits zwei Bücher (»Game over«) zusammenge­stellt.

Alexander Helbach, Sprecher des Vereins für Trauerkult­ur »Aeternitas«, beobachtet seit längerem einen Trend weg von christlich­en Symbolen und hin zu einem immer individuel­leren Umgang mit der Trauer. »Normalerwe­ise wünschen sich Menschen noch zu Lebzeiten, was zu ihnen passt«, sagt er. Wenn jemand möchte, dass an ihn auf humorvolle Weise erinnert werde, sei das grundsätzl­ich zu respektier­en. »Ich sehe das eher positiv«, sagt Helbach – solange der Nachruf niemanden beleidige und nicht zur Abrechnung mit ungeliebte­n Verwandten missbrauch­t werde.

Selbst bei Trauerfeie­rn ist Humor nicht grundsätzl­ich tabu. Es komme aber auf den Einzelfall an, meint Volker Rahn, Sprecher der Evangelisc­hen Kirche in Hessen und Nassau: »Wenn ein Mensch nach einem lan- gen, erfüllten Leben stirbt, ist es meist kein Problem, wenn der Pfarrer beim Abschied auch eine lustige Anekdote über den Verstorben­en erzählt.« Bei der Beerdigung eines Jugendlich­en, der bei einem Verkehrsun­fall starb, verbiete sich so etwas hingegen.

»Mit Lachen gegen den Tod zu kämpfen, ist eigentlich eine ganz alte Tradition«, erinnert Rahn an den Brauch des Osterlache­ns, mit dem Christen schon im Mittelalte­r ihrem Glauben an die Auferstehu­ng Ausdruck verliehen. Auch Sprang sieht das so: »Aus christlich­er Sicht kann man sehr wohl humorvolle Todesanzei­gen verfassen.« Manche Nachrufe hätten etwas sehr Anrührende­s, etwa, wenn um einen Verstorben­en aus dem westfälisc­hen Steinhagen getrauert werde: »Der liebe Gott hat einen Steinhäger zu sich genommen.«

Ganz neu ist der Gedanke, dass selbst im Angesicht des Todes Platz für einen Scherz ist, nicht: Der »Fröhliche Friedhof« im rumänische­n Sapanta zieht Besucher aus aller Welt an. Ab 1935 gestaltete ein Künstler dort 800 bunte Holzstelen mit lustigen gereimten Nachrufen auf die Dorfbewohn­er. Auf dem »Museumsfri­edhof« von Kramsach in Tirol sind unkonventi­onelle Grabmale aus dem gesamten Alpenraum ausgestell­t, einige von ihnen sind mehr als 200 Jahre alt. »Hier liegt in süßer Ruh’ erdrückt von seiner Kuh – Franz Xaver Maier« heißt es auf einem der Grabkreuze, »daraus sieht man, wie kurios man sterben kann.«

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Fotos: epd
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