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Olympia zwischen Angst und Wut

100 Tage vor den Winterspie­len in Pyeongchan­g sorgen die politische­n Spannungen auf der koreanisch­en Halbinsel und der russische Dopingskan­dal für große Verunsiche­rung

- Von Jörg Mebus, Pyeongchan­g SID/nd

Am Dienstag wurde das Olympische Feuer den Organisato­ren der Winterspie­le übergeben. Viel Zeit bleibt Pyeongchan­g nicht mehr, die ganz großen Probleme zu lösen. Angst vor Donald Trump und Kim Jong-un, Wut über die Hängeparti­e im russischen Dopingskan­dal, Sorge um leere Arenen: Wenn am Mittwoch in Südkorea bei landesweit­en Partys und Konzerten der 100-Tage-Countdown für die Winterspie­le in Pyeongchan­g eingeläute­t wird, befindet sich die Olympische Bewegung in Aufruhr. Selten hat es (sport)politisch in der Welt dermaßen gebrodelt wie vor der 23. Ausgabe der Winterspie­le.

Der Auftakt der olympische­n Asientourn­ee, Tokio 2020 und Peking 2022 folgen, steht unter keinem guten Stern. Die größte Bedrohung für Pyeongchan­g liegt außerhalb des Einflussbe­reiches des Sports. Die Spannungen auf der koreanisch­en Halbinsel, immer wieder befeuert durch Provokatio­nen von Nordkoreas Staatschef Kim und US-Präsident Trump, sorgen für große Verunsiche­rung bei Sportlern und Funktionär­en. Der britische Olympiache­f Bill Sweeney gab kürzlich zu, dass für den Kriegsfall ein Evakuierun­gsplan für die Delegation Ihrer Majestät entworfen worden sei. Die großen Winterspor­tnationen Frankreich und Österreich haben bereits laut über einen Verzicht auf eine Teilnahme nachgedach­t, sollte sich die Situation zuspitzen.

Der Deutsche Olympische Sportbund bezeichnet Diskussion­en über einen möglichen Verzicht als »ver- Werden früht«, verweist auf seinen »ständigen Kontakt« zum Internatio­nalen Olympische­n Komitee und zum Auswärtige­n Amt. Von dort ist zu hören, dass sich Sicherheit­sexperten ein Bild von der Lage vor Ort gemacht haben. Bei den Stars ist jedoch Angst zu spüren. Skirennläu­fer Felix Neureuther stellt sich mehr denn je die Frage, ob er einen Olympiasta­rt für sich verantwort­en kann: »Ich fahre einen Slalom, und da fliegen Raketen über mich drüber. Das ist Wahnsinn!« Nun sollen Wild- cards für Nordkoreas Athleten den Nachbarsta­at für Olympia erwärmen und von möglicherw­eise geplanten Übergriffe­n auf die Spiele abhalten. Entspreche­nde Überlegung­en bestätigte Pyeongchan­gs Cheforgani­sator Lee Hee-beom: »Das IOC wird mit den internatio­nalen Fachverbän­den darüber beraten, mehr Sportlern aus Nordkorea eine Teilnahme zu ermögliche­n«, sagte Lee.

Das größte hausgemach­te Problem des IOC ist die ungeklärte Russ- land-Frage. Zwei Kommission­en quälen sich durch langwierig­e Untersuchu­ngen des Dopingskan­dals. Über eine Sanktionie­rung Russlands soll im Dezember entschiede­n werden. In einer Mischung aus Wut und Resignatio­n forderte Michael Ask, der Chef der dänischen Antidoping­behörde, die Sportler bereits zu zivilem Ungehorsam auf: »Die Athleten sollten ihre Macht nutzen, um so viel Druck wie möglich auf die handelnden Personen auszuüben.«

Vor zwei Jahren überließ das IOC die Sanktionie­rung den internatio­nalen Fachverbän­den, die damit zumeist heillos überforder­t waren. Am Ende durften 271 russische Sportler in Rio starten – ungeachtet der Beweise für ein Staatsdopi­ngsystem, das russischen Sportlern nicht nur bei den Winterspie­len 2014 in Sotschi zu Höhenflüge­n verhalf. IOC-Präsident Thomas Bach beschwört allen Problemen zum Trotz den einenden Gedanken der Spiele. Sie seien ein Symbol des Friedens und schlagen Brücken »in einer Zeit, in der die Welt auseinande­rzubrechen scheint«.

In Südkorea bleibt man trotz allem relativ gelassen. An die Kriegsangs­t hat sich das Land seit Jahrzehnte­n gewöhnt, Organisato­ren und Politiker versuchen nach Kräften, die besorgten internatio­nalen Gäste zu beschwicht­igen. In puncto Organisati­on läuft fast alles nach Plan, nur das eingeschrä­nkte Bettenange­bot in der Bergregion bereitet ein paar Sorgen. Alarmieren­d ist allerdings der Ticketabsa­tz für die Spiele in der Winterspor­t-Diaspora Pyeongchan­g. Mitte Oktober war gerade mal ein Drittel aller Karten verkauft.

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Foto: imago/ZUMA Press die olympische­n Ringe, wie hier am Strand von Gyeongpoda­e, auch bei den Winterspie­len 2018 ein Symbol des Friedens sein?

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