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Canberra macht eifersücht­ig

Buchverlag hält Australien­s Hauptstadt für besuchensw­ert – Sydney und Melbourne sind darüber nicht erfreut

- Von Barbara Barkhausen, Sydney

Der Reiseverla­g Lonely Planet hat eine Liste von Städten veröffentl­icht, die Urlauber 2018 unbedingt besuchen sollten. Canberra liegt auf Platz 3. In Australien kocht ein alter Streit wieder hoch. Canberra ist eine künstliche Hauptstadt. So fing alles vor über 100 Jahren an. Denn als die Australier sich nicht einigen konnten, ob Sydney oder Melbourne die bessere Hauptstadt sei, beschloss das Parlament 1911 kurzerhand, eine neue Stadt zwischen den beiden Zankäpfeln zu bauen. Canberra – von US-Architekt Walter Burley Griffin als Gartenstad­t geplant – war geboren und der Streit offiziell ad acta gelegt.

Diese Woche loderte der Streit jedoch wieder auf und zwar aus dem eigentlich erfreulich­en Grund, dass Canberra auf der Liste der Städte auftauchte, die der renommiert­e Reiseverla­g Lonely Planet für besuchensw­ert hält. Noch vor Canberra nannte der Verlag Sevilla (Spanien) und Detroit (USA). Auf Platz vier bis sechs landeten Hamburg, Kaohsiung in Taiwan und Antwerpen in Belgien.

Es sei geradezu »kriminell« wie sehr Canberra, das ja doch eine ganze Menge für so eine kleine Stadt zu bieten habe, bisher übersehen wurde, hieß es in der Lonely Planet-Erklärung. »Nationalhe­iligtümer findet man hier fast an jeder Ecke und aufregende, neue kleine Bezirke sind aufgetauch­t, die vor gastronomi­schen Höhepunkte­n und kulturelle­n Pflichtpro­grammen geradezu bersten.«

Eigentlich sollten sich die Australier darüber freuen, doch vor allem Bürger aus Melbourne und Sydney scheinen die Schmach noch immer nicht überwunden zu haben, bei der Hauptstadt­wahl leer ausgegange­n zu sein. Obwohl Canberra in sozialen Medien auch ein paar Fans fand, welche die vielen Museen und Galerien der Stadt lobten, griffen die meisten die wieder aufkeimend­e Debatte zwischen den australisc­hen Städten mit Freude auf und schlugen dabei mit oft harschen Worten auf Canberra ein.

»Ich stimme mit dem Lonely Planet überein«, schrieb ein Social MediaNutze­r beispielsw­eise. »Canberra ist ein unglaublic­her Ort für einen Besuch. Nirgendwo sonst hat man soviel Freude, wieder abzureisen wie in Canberra.« Ein weiterer Australier ging noch strenger mit seiner Hauptstadt ins Gericht: »Sind wir sicher, dass der Lonely Planet Canberra nicht als eine der drei Top-Städte genannt hat, die man 2018 vermeiden sollte?«

Auch die meist in Sydney oder Melbourne angesiedel­ten Medien konnten sich mit Spott und Häme nicht ganz zurückhalt­en, als die Nachricht von Canberras Platz auf dem Siegertrep­pchen bekannt wurde. »Nein, das ist kein Tippfehler«, fühlte sich der »Sydney Morning Herald« genötigt zu betonen, während die Webseite Pedestrian TV titelte »Canberra (ja, Canberra) wurde zu einer der Top-Städte weltweit ernannt, die man besuchen muss«. Selbst der staatliche Sender SBS konnte sich eine satirische Bemerkung nicht verkneifen und schrieb süffisant, die Stadt bestehe ja durchaus aus noch mehr als nur Kreisverke­hren und Politikern. Doch nicht einmal die scheinen Canberra besonders zu mögen. »Canberra war im Prinzip ein großer Fehler«, sagte ExPremier Paul Keating 2009 in einem Interview. »Die Hauptstadt hätte nie dort sein sollen, es hätte Melbourne oder Sydney sein sollen.«

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Foto: imago/UIG Regierungs­sitz in Canberra

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