Zwei Enden, kein guter Anfang
Zwischenbilanz der Sondierungen für Jamaika-Koalition fällt ernüchternd aus
Berlin. Jamaika ist bisher weiterhin allein ein Inselstaat in der Karibik und noch kein absehbares Regierungsmodell in Deutschland. Am Freitag zogen die Unionsparteien CDU und CSU sowie FDP und Grüne eine Zwischenbilanz ihrer Sondierung einer gemeinsamen Koalition. Dabei bemühten sich die Beteiligten nach Kräften, Zuversicht zu verbreiten, obwohl es an konkreten Beispielen mangelt, wie sie die erheblichen Differenzen in ihren jeweiligen Wahlprogrammen überbrücken wollen. Erstmals äußerte sich auch Kanzlerin Angela Merkel, und sie tat es mit Zuversicht. Sie gehe zwar von weiterhin schwierigen Bera- tungen aus. »Aber ich glaube nach wie vor, dass wir die Enden zusammenbinden können, wenn wir uns mühen und anstrengen.«
Es gelte nun, aus den gefundenen Zutaten einen »leckeren Teig zu rühren«, versuchte sich der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, an einem verheißungsvollen Vergleich. »Wir haben noch viele Baustellen und der Ausgang ist völlig offen.« Dies formuliert hingegen Simone Peter im nd-Interview zum Thema. Mit Blick auf gegenseitige Vorwürfe und Reibereien in den Sondierungsrunden der letzten beiden Wochen forderte die Vorsitzende der Grünen vor allem Ernsthaf- tigkeit aller Beteiligten – »das vermisse ich bei einigen in der FDP«.
Jeder Partner solle seine Identität zur Geltung bringen können, versprach die Kanzlerin. »Unser Land positiv weiterentwickeln«, das wollten alle vier beteiligten Parteien unstreitig, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU). Er betonte die übereinstimmende Bereitschaft, künftig mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben. In einem Papier zur Außen- und Sicherheitspolitik blieben Streitthemen vorerst ausgeklammert.
Wenn man das ziellose herumrudern der »Jamaikaner« in Berlin beobachtet, kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es bei den Beteiligten allein darum geht, mit im Boot zu sitzen, auch wenn es noch gar nicht feststeht, in welche Richtung die Reise geht oder gehen soll. Die Themen sind auch nicht gerade dazu geeignet, eine erkennbare Linie für den Hauptinhalt der Politik zu erkennen. Geht es mehr darum, dass sich Europa entwickelt oder sollen Dieselautos abgeschafft werden? Zumindest sind Steuererleichterungen im Gespräch. Mittlere und kleine Einkommen sollen entlastet werden, also wer mehr Steuern zahlt, wird mehr entlastet als der mit einer geringeren »Steuerlast«. Und wer wegen seines zu geringen Einkommens gar keine Steuern zahlt? Der wird eben nicht entlastet, obwohl gerade er es am nötigsten hätte. Das nennt sich dann Gerechtigkeit, oder?
Alles was soziale Gerechtigkeit schaffen würde, wie höhere Mindestlöhne, Regelsätze, gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit, Bürgerversicherung, auskömmliche Rente, sichere Arbeitsplätze paritätische Finanzierung des Gesundheitssystems, wahre Chancengleichheit bei Bildung und Beruf, nur um einige zu nennen, wurde bisher durch Dieselrauch und Europageschwafel, Frauenquoten und Soliabschaffung erfolgreich verdrängt. Mexiko und vor allem China sich einen feuchten Dreck um die Sanktionen schert, die Washington allen Blockadebrechern androht. Mittlerweile hat sich also auch Russland wieder in den illustren Kreis der Unterstützer eingereiht. Die Gründe dafür dürften Havanna egal sein, denn es geht wie seit 25 Jahren um das nackte Überleben.
Ob Russland mit dem noch kleinen Handelsvolumen große Sprünge machen kann, muss sich erst noch zeigen, da vor allem China zur Zeit auf Kuba wirtschaftlich der Platzhirsch ist. Außen- und innenpolitisch zumindest aber ist die wirtschaftliche Verstärkung durch Russland nicht zu unterschätzen.