nd.DerTag

Zwei Enden, kein guter Anfang

Zwischenbi­lanz der Sondierung­en für Jamaika-Koalition fällt ernüchtern­d aus

- Wolfgang Waitz, Auerbach Uwe Höntzsch, Bernau

Berlin. Jamaika ist bisher weiterhin allein ein Inselstaat in der Karibik und noch kein absehbares Regierungs­modell in Deutschlan­d. Am Freitag zogen die Unionspart­eien CDU und CSU sowie FDP und Grüne eine Zwischenbi­lanz ihrer Sondierung einer gemeinsame­n Koalition. Dabei bemühten sich die Beteiligte­n nach Kräften, Zuversicht zu verbreiten, obwohl es an konkreten Beispielen mangelt, wie sie die erhebliche­n Differenze­n in ihren jeweiligen Wahlprogra­mmen überbrücke­n wollen. Erstmals äußerte sich auch Kanzlerin Angela Merkel, und sie tat es mit Zuversicht. Sie gehe zwar von weiterhin schwierige­n Bera- tungen aus. »Aber ich glaube nach wie vor, dass wir die Enden zusammenbi­nden können, wenn wir uns mühen und anstrengen.«

Es gelte nun, aus den gefundenen Zutaten einen »leckeren Teig zu rühren«, versuchte sich der Bundesgesc­häftsführe­r der Grünen, Michael Kellner, an einem verheißung­svollen Vergleich. »Wir haben noch viele Baustellen und der Ausgang ist völlig offen.« Dies formuliert hingegen Simone Peter im nd-Interview zum Thema. Mit Blick auf gegenseiti­ge Vorwürfe und Reibereien in den Sondierung­srunden der letzten beiden Wochen forderte die Vorsitzend­e der Grünen vor allem Ernsthaf- tigkeit aller Beteiligte­n – »das vermisse ich bei einigen in der FDP«.

Jeder Partner solle seine Identität zur Geltung bringen können, versprach die Kanzlerin. »Unser Land positiv weiterentw­ickeln«, das wollten alle vier beteiligte­n Parteien unstreitig, erklärte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Union im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU). Er betonte die übereinsti­mmende Bereitscha­ft, künftig mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben. In einem Papier zur Außen- und Sicherheit­spolitik blieben Streitthem­en vorerst ausgeklamm­ert.

Wenn man das ziellose herumruder­n der »Jamaikaner« in Berlin beobachtet, kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es bei den Beteiligte­n allein darum geht, mit im Boot zu sitzen, auch wenn es noch gar nicht feststeht, in welche Richtung die Reise geht oder gehen soll. Die Themen sind auch nicht gerade dazu geeignet, eine erkennbare Linie für den Hauptinhal­t der Politik zu erkennen. Geht es mehr darum, dass sich Europa entwickelt oder sollen Dieselauto­s abgeschaff­t werden? Zumindest sind Steuererle­ichterunge­n im Gespräch. Mittlere und kleine Einkommen sollen entlastet werden, also wer mehr Steuern zahlt, wird mehr entlastet als der mit einer geringeren »Steuerlast«. Und wer wegen seines zu geringen Einkommens gar keine Steuern zahlt? Der wird eben nicht entlastet, obwohl gerade er es am nötigsten hätte. Das nennt sich dann Gerechtigk­eit, oder?

Alles was soziale Gerechtigk­eit schaffen würde, wie höhere Mindestlöh­ne, Regelsätze, gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit, Bürgervers­icherung, auskömmlic­he Rente, sichere Arbeitsplä­tze paritätisc­he Finanzieru­ng des Gesundheit­ssystems, wahre Chancengle­ichheit bei Bildung und Beruf, nur um einige zu nennen, wurde bisher durch Dieselrauc­h und Europagesc­hwafel, Frauenquot­en und Soliabscha­ffung erfolgreic­h verdrängt. Mexiko und vor allem China sich einen feuchten Dreck um die Sanktionen schert, die Washington allen Blockadebr­echern androht. Mittlerwei­le hat sich also auch Russland wieder in den illustren Kreis der Unterstütz­er eingereiht. Die Gründe dafür dürften Havanna egal sein, denn es geht wie seit 25 Jahren um das nackte Überleben.

Ob Russland mit dem noch kleinen Handelsvol­umen große Sprünge machen kann, muss sich erst noch zeigen, da vor allem China zur Zeit auf Kuba wirtschaft­lich der Platzhirsc­h ist. Außen- und innenpolit­isch zumindest aber ist die wirtschaft­liche Verstärkun­g durch Russland nicht zu unterschät­zen.

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Foto: dpa/Michael Kappeler Disput in der Deutschen Parlamenta­rischen Gesellscha­ft in Berlin

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