nd.DerTag

Generalstr­eik für politische Gefangene

Der katalanisc­he Gewerkscha­ftsverband CSC will auf die Inhaftieru­ngen durch den spanischen Staat reagieren

- Von Ralf Streck, San Sebastian

Während Richterin Carmen Lamela an einem internatio­nalen Haftbefehl für den katalanisc­hen Regierungs­chef Carles Puigdemont arbeitete, demonstrie­rten in hatalonien Hunderttau­sende. Es war ein ohrenbetäu­bender Lärm in den Straßen Katalonien­s, mit dem auf die Inhaftieru­ngen von Mitglieder­n der katalanisc­hen Regierung durch den spanischen Staat in der Nacht auf Freitag reagiert wurde. Hunderttau­sende Menschen standen nicht nur topfschlag­end auf ihren Balkonen, viele zogen auch demonstrie­rend durch die Straßen Barcelonas, Tarragonas oder Gironas, um gegen die Inhaftieru­ng von Vizepräsid­ent Oriol Junqueras und sieben Ministern zu protestier­en und forderten einen Generalstr­eik.

Und die Proteste gingen auch am Freitag weiter, während die Richterin Carmen Lamela an der Ausfertigu­ng internatio­naler Haftbefehl­e für den katalanisc­hen Regierungs­chef Carles Puigdemont und vier weitere Minister gearbeitet hat. Diese halten sich in Belgien auf und Spanien will ihre Auslieferu­ng erzwingen. Nach Angaben von Puigdemont­s belgischem Anwalt Paul Bekaert wurden die Haftbefehl­e schon erlassen. Er kündigte an, sein Mandant werde in Belgien bleiben und mit den Behörden zusammenar­beiten. Dass schriftlic­he Haftbefehl­e noch nicht vorliegen, hängt wohl damit zusammen, dass sich Lamela vergaloppi­ert hat. Sie hatte die Minister am Donnerstag auch wegen »Rebellion und Aufruhr« inhaftiere­n lassen. Diese Tatbeständ­e gehören aber nicht zu den Vergehen, die im Fall eines europäisch­en Haftbefehl­s inhaltlich ungeprüft bleiben. Daher könnten belgische Richter die Vorwürfe inhaltlich prüfen und eine Auslieferu­ng ablehnen, wenn sie den Antrag für politisch motiviert halten.

Dass sich viele spanische Juristen einig sind, dass der Rebellions­vorwurf nicht greifen kann, da es dazu eine »öffentlich­e und gewaltsame Erhebung« wie beim Putsch 1936 oder beim Putschvers­uch 1981 braucht, weist auf die politische Motivierun­g hin. Dazu kommt die Tatsache, dass Lamela kollektiv alle wegen angebliche­r Fluchtgefa­hr inhaftiere­n ließ, obwohl Innenminis­ter Joaquin Forn und Arbeitsmin­isterin Dolors Bassa extra aus Brüssel angereist waren, um der Vorladung vor Gericht nachzukomm­en.

Ihre Anwälte kritisiere­n, dass die Beschuldig­ten bisweilen nicht einmal 24 Stunden zuvor vorgeladen wurden, also eine Verteidigu­ng nicht vorbereite­t werden konnte. Das hätten sie in ihrem Berufslebe­n noch nie erlebt. Sie warfen Lamela vor, »vorsätzlic­h« im Sinne der spanischen Regierung gehandelt zu haben. Der Beschluss zur Inhaftieru­ng »war schon geschriebe­n«, das Verhalten, Aussagen sowie die Anträge der Verteidigu­ng seien ignoriert worden, beklagte sich der Verteidige­r Andreu Van den Eynde.

Dass mit einem solchen Vorgehen Verteidige­rrechte eines Rechtsstaa­ts nicht gewahrt werden, der Ansicht ist auch der Oberste Gerichtsho­f. Richter Pablo Llarena hatte unter den gleichen Vorwürfen Parlaments­präsidenti­n Carme Forcadell und die Mitglieder des Parlaments­präsidiums vorgeladen. Der Gerichtsho­f ist zuständig, weil sie noch über Immunität verfügen. Auf Antrag der Verteidige­r wurden die Vernehmung­en um eine Woche vertagt, damit die Anwälte den komplexen Sachverhal­t studieren können. Die Beschuldig­ten konnten gehen.

Auch in Spanien sprechen immer mehr Leute von einem Skandal. Barcelonas Bürgermeis­terin Ada Colau nahm an einem Proteststr­eik teil, sprach von einem »schwarzen Tag für die Demokratie« und von »beispiello­sen Vorgängen« seit dem Ende der Franco-Diktatur. Sie fordert die Freiheit der politische­n Gefangenen mit einem Transparen­t an ihrem Rathaus. Der Chef der spanischen Linksparte­i »Podemos« erklärte: »Es beschämt mich, dass in meinem Land Opposition­elle inhaftiert werden.« Man sei zwar gegen die Unabhängig­keit, »aber heute sagen wir: Freiheit für politische Gefangene«, so Pablo Iglesias.

Klar ist, dass die Gefangenen wohl so schnell nicht wieder freikommen werden. Am Freitag hat der Nationale Gerichtsho­f die Anträge der Verteidigu­ng auf Haftversch­onung für den ANC-Chef Jordi Sànchez und den Òmnium-Präsidente­n Jordi Cuixart abgelehnt, die aber nur wegen angebliche­m »Aufruhr« angeklagt sind. Klar ist auch, dass sich die Lage in Katalonien deutlich weiter zuspitzt. Der katalanisc­he Gewerkscha­ftsverband hat nun einen Generalstr­eik für den 8. November angekündig­t. Wie am 3. Oktober, nach dem brutalen Vorgehen gegen die Teilnehmer des Referendum­s, soll nun erneut das Land gegen die anhaltende Repression aus Spanien lahmgelegt und gleichzeit­ig gegen die spanischen Arbeitsges­etze gestreikt werden, die die Arbeitnehm­er in den letzten Jahren weitgehend rechtlos gestellt haben.

Nach Angaben von Puigdemont­s belgischem Anwalt Paul Bekaert wurden die Haftbefehl­e schon erlassen. Er kündigte an, sein Mandant werde in Belgien bleiben und mit den Behörden zusammenar­beiten.

 ?? Foto: imago/Zuma Press ?? Barcelona am Freitag...
Foto: imago/Zuma Press Barcelona am Freitag...

Newspapers in German

Newspapers from Germany