Reine Kopfsache
Walter Moers erfand mit »Prinzessin Insomnia« eine Geschichte, wie nur er sie schreiben kann
Zwei Figuren, ein Gehirn: Das sind schon alle Zutaten, die Walter Moers für seinen neuen Roman braucht. Moers, der Erfinder des Fantasiekontinents Zamonien, doktert ja sei geraumer Zeit am dritten Band der Träumende-Bücher-Trilogie. Nach dem grandiosen Auftakt »Die Stadt der träumenden Bücher« mit dem Buchnarren und Möchtegern-Literaten Hildegunst von Mythenmetz als Hauptdarsteller und der tristen Fortsetzung »Das Labyrinth der träumenden Bücher« wartet die Fangemeinde auf das längst angekündigte Finale, das eigentlich nur besser werden kann, dessen Verfertigung allerdings alles andere als flott von der Hand zu gehen scheint.
Der Zufall spielte Moers ein anderes Projekt zu. Er lernte Lydia Rohde kennen, eine junge Frau, die an einer heimtückischen Schlafkrankheit – bzw. Nichtschlafkrankheit – leidet, mit allen fatalen Folgen für Körper und Psyche. Moers beschäftigte sich mit dem Thema und erfand eine Geschichte, wie nur er sie schreiben kann. Dass auch sie in Zamonien spielt, ist nicht zwangsläufig; sicherheitshalber erwähnt der Autor seinen Kontinent gleich im allerersten Satz.
Prinzessin Dylia – dies eine offensichtliche Hommage an die Inspiratorin Lydia Rohde, die sich in dem Buch auch als vorzügliche Illustratorin erweist – leidet unter Schlaflosigkeit. Niemand kann ihr helfen; auch nicht ein ganzes Rudel Leibärzte sowie sonstige Wunderheiler und Hofschranzen. Die Prinzessin, durch zuweilen wochenlanges Wachbleiben bis an die Schmerzgrenze überreizt, vertreibt sich die Zeit und das Leiden mit allerlei abseitigen Wort- und Gedankenspielen, bis sie eines langweiligen Tages feststellt, dass sie Besuch hat.
Auftritt Halvarius Opal. Ihr Nachtmahr. Ein irisierendes Wesen, nur für Dylia sichtbar. Ein Schwadroneur, Angeber, Nervtöter. Wäre er Politiker, hätte er gesagt, er sei gekommen, um zu bleiben. Ja, versichert er der Prinzessin, sie werde ihn nun nicht mehr los, er sei ihr Albtraum und werde sie in den Wahnsinn und das damit verbundene Ende treiben – am besten, sie beeile sich mit letzterem, das verkürze das Leiden. Zu ändern sei daran nichts, denn er sei ein alter Profi. Punkt.
Die Prinzessin, erst erschrocken, dann gar nicht so unangenehm berührt von der unverhofften Abwechslung in ihrem ereignislosen Alltag, meinsam kommen sie aus dieser Hirnschale wieder raus. Die Rollen der beiden verschieben sich; mehrfach muss die Prinzessin den Nachtmahr retten, der sich, wenn Ungemach droht, als Jammerlappen erweist, als blutiger Anfänger, der mit Sprüchen zu beeindrucken sucht.
Am Ende wird die Prinzessin den Nachtmahr mit einem fiesen Trick los. Aber damit ist es nicht vorbei. Irgendwann kommt er wieder, das weiß sie nach der gemeinsamen Reise. Und dann fängt alles von vorn an.
Wer dieses Buch gelesen hat, kann eigentlich ruhigen Gewissens kein Auge mehr schließen. Denn er weiß: In deinem Kopf verbirgt sich eine Mördergrube.
Walter Moers: Prinzessin Insomnia &der der alptraumfarbene Nachtmahr. Roman. Knaus, 338 S., geb., 24,99 €.