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Ärger mit dem Polizeinac­hwuchs »Für mich erschöpft sich dieses Schreiben in haltlosen, diffamiere­nden, möglicherw­eise sogar strafrecht­lich relevanten Bemerkunge­n.«

Über Anwärter aus Zuwanderer­familien ist ein erbitterte­r Streit ausgebroch­en

- Von Stefan Otto

Der Brief eines LhA-Mitarbeite­rs und die Wutrede eines Dozenten werfen ein schlechtes Licht auf die Polizeiaka­demie. Was ist dran an den Vorwürfen gegen Schüler aus Zuwanderer­familien? Die Anschuldig­ungen sind heftig – ein langjährig­er Mitarbeite­r des Landeskrim­inalamtes (LKA) hat in einem Schreiben an den Polizeiprä­sidenten Klaus Kandt geklagt, dass sich die Einheiten inzwischen für kriminelle Clans geöffnet hätten. Der anonyme Verfasser schreibt: »Bewerber aus diesen Großfamili­en werden – trotz Strafakte – in der Polizei angenommen.« Insbesonde­re zielt der LKAMitarbe­iter damit auf die Polizei-Vizepräsid­entin Margarete Koppers ab, die sich dafür eingesetzt hat, vermehrt junge Migranten einzustell­en. Jeder dritte Auszubilde­nde bei der Polizei hat derzeit einen Migrations­hintergrun­d.

Eher unwillig äußerte sich Kandt zu dem Brief. Es sei nicht das erste Mal, dass ihm ein anonymes Schreiben eines angebliche­n Mitarbeite­rs der Polizei zugespielt wurde. Den Inhalt hält er allerdings für haltlos, diffamiere­nd und möglicherw­eise strafrecht­lich relevant. Kandt betonte, dass die Polizei an einer »offenen Gesprächs- und Kritikkult­ur« festhalten wolle.

Zwei Tage vor dem anonymen Schreiben tauchte bereits die AudioWut-Rede eines Gastdozent­en an der Polizeiaka­demie auf. »Der Klassenrau­m sah aus wie Sau, die Hälfte Araber und Türken, frech wie Sau, dumm, konnten sich nicht artikulier­en«, heißt es darin. Polizeispr­echer Thomas Neuendorf erklärte, der Dozent habe das erste Mal vor einer Klasse gestanden und sei mit einem 16-jährigen Polizeianw­ärter aneinander­geraten, der mit Mütze und Kapuze in der Klasse gesessen habe. Er habe den Schüler zur Rede stellen wollen, woraufhin dieser dann ausfällig geworden sei. Der Dozent habe sich eindeutig in einer überforder­nden Situation befunden, so Neuendorf.

Die Frage bleibt aber, ob die Anschuldig­ungen haltbar sind. Gibt es in der Berliner Polizeiaka­demie, an der jährlich mehr als 1200 Menschen ausgebilde­t werden, tatsächlic­h unhaltbare Zustände, wie sie der anonyme Brief und die Wortmeldun­g des Dozenten nahelegen? Oder haben sich in der Einrichtun­g einhergehe­nd mit der Öffnung gegenüber Menschen mit Migrations­erfahrunge­n, auch fremdenfei­ndliche Tendenzen etablieren können?

Der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) ist seit geraumer Zeit bereits aufgefalle­n, dass sich solche Anschuldig­ungen häufen. »Das ist aber nichts Handfestes, sondern immer nur vom Hörensagen. Unser Problem ist, dass sich bei uns noch niemand gemeldet hat«, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Auffällig sei aber, dass sich die Beschuldig­ungen immer gegen Menschen mit Migrations­hintergrun­d richteten.

Erst im September tauchten an der Polizeisch­ule Ruhleben ausländerf­eindliche Parolen auf den Toilettent­üren auf. »Fuck Islam, Refugees not welcome! Deutsche, stoppt die Islamisier­ung«, stand dort. Das LKA nahm die Ermittlung­en auf, die Polizei verurteilt­e das Gekritzel und betonte, weltoffen zu sein. Polizeiprä­sident Klaus Kandt über den Brief eines LKA-Mitarbeite­rs

Ihr Sprecher Neuendorf räumte nun aber ein, dass sich an der Akademie »gerade im Bereich der Disziplin, des Respekts und der gegenseiti­gen Rücksichtn­ahme« nicht alle so verhielten, wie das erwünscht sei. Hinlänglic­h bekannt sind Eskapaden an der Akademie. Sei es, dass ein Schüler bei einem Pornofilm mitgemacht hatte, andere handelten mit Drogen oder Diebesgut an der Schule.

Dies mögen Einzelfäll­e sein. Probleme mit Schülern aus Zuwanderer­familien scheint es aber in besonderer Weise zu geben. Darauf deutet ein internes Papier einer Besprechun­g der Polizeifüh­rung hin, das der »Welt« vorliegt. Beklagt wird darin ein »herablasse­nder Umgang mit weiblichen Angestellt­en wie Putzfrauen«, außerdem soll es Defizite beim Berufsetho­s geben. Bisweilen mangele es auch an Deutschken­ntnissen, was eigentlich ein K.-o.-Kriterium für Bewerber sei. Wegen dieser Defizite gibt es an der Akademie bereits Deutsch-Nachhilfe.

Längst ist dies zum Politikum geworden. Tom Schreiber, Innenexper­te der SPD im Abgeordnet­enhaus, macht bei einem Teil des Polizeinac­hwuchses einen Unterschie­d zwischen Anspruch und Wirklichke­it aus – und fordert eine Qualitätso­ffensive bei der Ausbildung. Dies dürfte jedoch schwierig werden. Die Behörde hat nämlich ein akutes Nachwuchsp­roblem. Nach Angaben der Senatsinne­nverwaltun­g scheiden in den kommenden drei Jahren mehr als 2300 der rund 16 000 Polizisten aus dem Dienst aus. Das sind rund 200 mehr, als derzeitig ausgebilde­t werden.

 ?? Foto: imago/Karlheinz Pawlik ?? Der Polizei in Berlin fehlt schon länger der Nachwuchs. Jetzt soll es auch Probleme an der Ausbildung­sakademie geben.
Foto: imago/Karlheinz Pawlik Der Polizei in Berlin fehlt schon länger der Nachwuchs. Jetzt soll es auch Probleme an der Ausbildung­sakademie geben.

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