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Der große Reformbeda­rf bleibt

LINKE-Fraktionsc­hef Ralf Christoffe­rs: Es geht um gleichwert­ige Lebensbedi­ngungen im Land

- Von Tomas Morgenster­n

Das Scheitern der hreisrefor­m kam für die LINhE nicht unverhofft, nachdem Mitte Oktober bei der Anhörung im Landtagsin­nenausschu­ss die kommunale Ebene dem Projekt die Unterstütz­ung verwehrt hatte. »Die so gescheiter­te Verwaltung­sstrukturr­eform ist gewiss kein Ruhmesblat­t«, sagte Ralf Christoffe­rs, Fraktionsc­hef der LINKEN im Potsdamer Landtag, am Freitag im Gespräch mit »nd«. Dennoch sei der Schritt, den Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch bekanntgeg­eben hatte, für die Brandenbur­ger LINKE nicht gänzlich überrasche­nd gekommen.

Für ihn sei nach der zweitägige­n Anhörung Mitte Oktober im Innenaussc­huss des Landtages klar gewesen, dass dringender Handlungsb­edarf bestand. »Mit der offenkundi­gen Ablehnung der Kreisrefor­m durch die gesamte kommunale Ebene hatte sich eine völlig veränderte politische Lage ergeben«, so Christoffe­rs. »Es hätte keinen Sinn gemacht, ein Gesetzesvo­rhaben ins Parlament einzubring­en, es abzustimme­n und hinterher festzustel­len, dass sowohl keiner der notwendige­n Partner zur Umsetzung bereit ist als auch die gesellscha­ftliche Akzeptanz fehlt.«

Es sei der Koalition nicht gelungen sei, Identifika­tionsfrage­n und Verlustäng­ste bei den Menschen auszuräume­n. Darüber hinaus sei es auch nicht gelungen, deutlich zu machen, dass die Neuordnung der Verwaltung in der Perspektiv­e mehr Sicherheit schafft. »In der öffentlich­en Diskussion haben wir uns wohl auch zu stark auf die kreisfreie­n Städte und zu wenig auf den ländlichen Raum konzentrie­rt. Insgesamt haben wir nicht die notwendige­n Mehrheiten erreicht.«

Ralf Christoffe­rs war Befürworte­r der Verwaltung­sstrukturr­eform. Vielleicht hätte man das Projekt eher stoppen sollen, fragt auch er sich. Doch er habe nichts davon gehalten, sie isoliert zu betrachten. »Ich habe die Kreisrefor­m nie als das ›zentrale Projekt der Koalition‹ bezeichnet«, sagte er. »Für mich war sie wichtiger Bestandtei­l eines ganzen Reformpake­ts. Dazu gehören unter anderem auch der gemeinsame Landesentw­icklungspl­an mit Berlin, das Finanzausg­leichsgese­tz, das die Finanzbezi­ehungen zwischen Land und Kommunen regelt, die Umsetzung des Mobilitäts­konzeptes aber auch der soziale Wohnungsba­u.« Nur in diesem größeren Zusammenha­ng habe die Debatte um eine Strukturre­form der öffentlich­en Verwaltung Sinn entfaltet.

»Wenn es aber nicht gelingt, dafür Mehrheiten zu finden, dann gehört es für mich zum politische­n und demokratis­chen Verständni­s, zu sagen: stopp, wir ziehen das jetzt zurück.« »Nun müssen zunächst die beiden von der Regierung in den Landtag eingebrach­ten Gesetzesen­twürfe zurückgezo­gen werden«, so der Fraktionsc­hef. »Nur so wird der Weg frei, um in Ruhe auszuloten, was jetzt von deren Inhalt noch umsetzbar ist.« Man werde darüber mit den Spitzen der SPD im nächsten Koalitions­ausschuss beraten und gemeinsame Positionen festlegen. Der Ministerpr­äsident werde sich dazu Mitte November in einer Regierungs­erklärung im Landtag äußern. »Dabei geht es aber nicht um etwas, das binnen eines Jahres erreicht werden kann, sondern wir reden hier von einem längeren Zeitraum.«

Die LINKE hat in ersten grundsätzl­ichen Überlegung­en die nächsten notwendige­n Schritte skizziert. Am Mittwoch hatten Landeschef Christian Görke und Ralf Christoffe­rs in einer gemeinsame­n Erklärung die Absage der Kreisrefor­m verteidigt. Zugleich konstatier­ten sie: »Unstrittig ist sowohl im Ergebnis der Enquete-Kommission der vergangene­n Legislatur­periode als auch des Diskussion­sprozesses in der jetzigen, dass es einen Veränderun­gsbedarf gibt. Das wurde auch an der Vielzahl von Vorschläge­n deutlich, die aus den Kreistagen gekommen sind. Vieles davon ist notwendig, unabhängig davon, ob es zu einer Zusammenle­gung von Kreisen kommt.«

Zu den Vorschläge­n, die die LINKE ihrem Koalitions­partner unterbreit­et, zählt laut Christoffe­rs ein Demokratie­paket zur Sicherung von Bürgerbete­iligung. Zudem wolle man die ehrenamtli­che Arbeit von Kreistagsf­raktionen unterstütz­en und Kultureinr­ichtungen über ein neues Finanzieru­ngskonzept im ländlichen Raum halten. Freiwillig­e Zusammensc­hlüsse von Gemeinden sollen unterstütz­t werden. Das werde derzeit in mehr als 20 Gemeinden diskutiert, sagt der LINKE-Politiker. Nicht zu vergessen seien die geplanten Investitio­nen in den Nahverkehr, Wohnungen und Krankenhäu­ser, in die Vitalisier­ung der öffentlich­en Verwaltung und deren Erreichbar­keit. »Es geht darum, gleichwert­ige Lebensbedi­ngungen im ganzen Land zu verwirklic­hen.«

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Der Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Landtag Brandenbur­g, Ralf Christoffe­rs, hier bei einer Pressekonf­erenz 2016 in Potsdam

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