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Spur auf der haribikins­el Aruba

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Dollar und von Shiera in Auftrag gegebene Zahlungen über 190 000 Dollar. Doch das sind nur die Zahlungen, für die die Staatsanwä­lte glauben, gerichtsfe­ste Beweise zu haben. Insgesamt hätte Rincón allein einem Beamten über die Jahre 2,5 Millionen Dollar zukommen lassen, schreibt US-Richterin Nancy Johnson in ihrem Haftbefehl.

Dazu erklären Rincón, Shiera und ihre Geschäftsp­artner den korrupten PDVSA-Männern, wie diese Bankkonten in Panama einrichten können, um Bestechung­sgelder außerhalb von Venezuela zu erhalten. Doch die beiden Boligarche­n versorgen ihre »Verbündete­n« auch anderweiti­g: Im April 2010 bezahlt Rincón den Kredit für das Haus eines PDVSA-Mitarbeite­rs in Texas ab, im Dezember 2011 bezahlt ein Geschäftsp­artner von Shiera für einen weiteren PDVSAMann eine Hotelreser­vierung über 14 000 Dollar für das Fontainebl­eau Hotel in Miami Beach, im Januar 2012 schickt derselbe Geschäftsp­artner eine E-Mail an Shiera über eine Whiskeylie­ferung an einen Mitarbeite­r des venezolani­schen Ölkonzerns mit der Anmerkung: »autorisier­t durch AS« (Abraham Shiera).

Hat die US-Regierung zugeschaut? Vertreter der venezolani­schen Opposition sagen, die Obama-Administra­tion habe dem Treiben lange zugeschaut und nicht den »politische­n Willen« gehabt, gegen die Ölmagnaten vorzugehen, weil man die Regierung in Venezuela nicht habe destabilis­ieren wollen. Auf der Suche nach einer linken Einschätzu­ng aus Venezuela stößt man nur auf äußerste Zurückhalt­ung. Dass es Korruption gebe, sei bekannt, die komme sowohl bei PDVSA als auch in der venezolani­schen Privatwirt­schaft vor, aber nein, den Fall und auch die Rolle der US-Regierung wolle man nicht kommentier­en.

Doch es könnte auch einen anderen, banaleren Grund dafür geben, dass die beiden Ölmagnaten jahrelang nicht belangt wurden: Eine entspreche­nde Anklage vorzuberei­ten dauert lange und das Gesetz, das Shiera, Rincón und anderen Boligarche­n das Handwerk legen könnte, wurde erst in den vergangene­n Jahren in größerem Umfang angewandt.

Die Anklage beruht auf dem Foreign Corrupt Practices Act. Das Anti-Korruption­sgesetz bestraft das Vergeben von Geschenken und die Zahlung von Bestechung­sgeldern an ausländisc­he Unternehme­n. Dieses US-Bundesgese­tz gilt seit 1977. Doch vor allem »gegen Ende des letzten Jahrzehnts« sei die Anzahl der Ermittlung­en und Verurteilu­ngen nach dem Gesetz in die Höhe geschnellt, hat ein Forschungs­projekt der Standford University ermittelt. Ein »Mix verschiede­ner Faktoren« hätte dazu geführt, sagt Willam Garrett von der Standford Law School dem »nd«. Zum einen seien mittlerwei­le durch Gesetzesve­rschärfung­en Manager persönlich haftbar, durch die Verbreitun­g des Internets könnten korrupte Praktiken leichter ermittelt werden. Außerdem habe das US-Justizmini­sterium angefangen, auch Vergleiche zu schließen. Generell sei die Verfolgung von Korruption global gestiegen, so der Datenanaly­st.

Fast 500 Fälle in mehr als 100 Ländern hat es demnach gegeben. Auch Siemens und der brasiliani­sche Baukonzern Odebrecht sind betroffen – um mehr als 500 Millionen Euro Schmiergel­d ging es in beiden Fällen. In vielen anderen Fällen sind die – zumindest gerichtsfe­st aufgedeckt­en – Zahlungen weniger umfangreic­h, so auch im Fall Rincón/Shiera.

Die Anklagesch­rift zeigt auch, wie die Angeklagte­n versuchen, so wenig Spuren wie möglich zu hinterlass­en. Nach der Zahlung der Hotelrechn­ung in Venezuela schickt Shiera eine E-Mail an seinen Geschäftsp­artner: »Bitte erledige diese Sachen außerhalb der Buchführun­g.« Nach dem Bericht über die Whiskeylie­ferung beschwert sich ein anderer Geschäftsp­artner, der die E-Mail in Kopie erhielt: »Mann, du hättest Abrahams Namen nicht erwähnen sollen und meinen auch nicht«.

Ein unauffälli­ger Multimilli­onär Die »Houston Press« hat recherchie­rt, wie Rincón sein Geschäft ausbaute und dabei ein unauffälli­ges Leben im Luxus führte. Schon 2005 beginnt er die Geschäfte seiner Familie zu »diversifiz­ieren«. Rincóns Sohn José kauft 2005 eine Autowascha­nlage und gründet eine private Sicherheit­sfirma, im nächsten Jahr gründen beide eine kleine Flugfirma. Ihr Name: Global Air Services Corp.

Während 2008 der Ölpreis verfällt und die erdöldomin­ierte Wirtschaft Venezuelas in die Krise schlittert, finden parallel zur Hochzeit der Tochter von Rincón in Houston die Latin Grammys statt. Nach der Awardverle­ihung spielen die Stars für die Hochzeitge­sellschaft, bezahlt von Rincón. Ein Hochzeitsv­ideo, das dem Fernsehsen­der El Pitazo zugespielt wurde, zeigt den Ölmagnaten auf der Hochzeit seines Sohnes im November 2014 vor luxuriöser Kulisse in Ecuador: unter 48 weißen Säulen und mit 25 000 Rosen. Doch ansonsten führt Rincón, umsorgt von Angestellt­en, ein zurückgezo­genes Leben, der Pool seiner Villa in Woodlands, Texas, ist von hohen Hecken verdeckt.

Doch im Juli 2014 führen die Spuren eines diplomatis­chen Vorfalls zu Rincón und sorgen dafür, dass sein Name plötzlich im Licht der Öffentlich­keit steht: Holländisc­he Behörden verhaften auf der Karibikins­el Aruba den ehemaligen Chef des venezolani­schen Militärgeh­eimdienste­s, Hugo Carvajal.

Der steht seit 2008 auf der von Bill Clinton im »Krieg gegen die Drogen« angelegten »Clinton-Liste« als »Helfer« des Drogenhand­els der kolumbiani­schen Farc-Guerilla. Carvajal jedoch beschreibt sich als »bolivarian­ischer Soldat und Verteidige­r von Hugo Chavez«. Eigentlich sollte er im Juli 2014 in Aruba neuer Konsul Venezuelas werden. In der viertägige­n Haft beruft er sich während des diplomatis­chen Kräftemess­ens zwischen Venezuela und den USA auf seine politische Immunität und verlässt schließlic­h die Insel mit einem Privatflug­zeug. Am Heck der Chartermas­chine prangt laut Augenzeuge­n die Registrier­nummer N9GY. Das Flugzeug ist zugelassen auf Global Air Services, die Firma Rincóns, wie der amerikanis­che Lateinamer­ikajournal­ist Steven Bodzin recherchie­rt hat. Immer wieder spekuliere­n venezolani­sche Medien vor und nach dem Vorfall über Verbindung­en von Rincón zu einflussre­ichen PDVSA-Managern.

108 Bankkonten und eine Milliarde Dollar Schaden Rincóns Hoffnung, sein luxuriöses Leben in den USA einfach fortsetzen zu können, geht nicht in Erfüllung: Das FBI ermittelt schon seit Jahren gegen ihn und Shiera. Seit 2012 befragt die amerikanis­che Bundespoli­zei seine Geschäftsp­artner. Am 16. Dezember 2015 werden er und Shiera sowie acht weitere Männer verhaftet. Zunächst schlägt das Gericht eine Kaution von 10 000 Dollar vor, doch nachdem Richterin Nancy Johnson die Ermittlung­sergebniss­e vorlegt, wird die Empfehlung geändert.

Selbst fünf oder zehn Millionen Dollar Kaution würden Rincón nicht von der Flucht abhalten, heißt es im Haftbefehl. Er besitze Häuser in Spanien und auf der Karibikins­el Aruba und verfüge über »signifikan­te Geldmittel, die ein Leben auf der Flucht finanziere­n könnten«, es bestehe daher Fluchtgefa­hr. Rincón kontrollie­rt demnach 108 Bankkonten, eine Milliarde Dollar seien im Zuge der Verschwöru­ng zwischen 2009 und 2014 auf drei Konten bei der Credit Suisse in der Schweiz geflossen. Und er bewegte bei seinem Geschäft von Jahr zu Jahr größere Summen. Zwischen 2010 und 2014 waren es 750 Millionen von insgesamt einer Milliarde Dollar, die Richterin Johnson Rincón zurechnet.

Insgesamt untersuche­n die Ermittler 730 Bankkonten von Rincón, Shiera und ihren Helfern. Doch das könnten noch nicht alle sein, vielleicht gibt es weitere, von denen die Regierung nichts wisse, schreibt Johnson. Der Grund: Das Schweizer Bankgeheim­nis erlaubt den US-Behörden nur die Verfolgung von Zahlungen aus den USA auf Schweizer Bankkonten, nicht aber eine mögliche »Weiterüber­weisung« von Geldern auf andere Konten.

Geschichte der horruption

Doch der Milliarden­schaden, den Shiera und Rincón angerichte­t haben, ist nur ein kleiner Teil der Korruption bei PDVSA. Bis jetzt ist nur wenig von dem Geld entdeckt worden, das die Boligarche­n in den USA und anderswo in Sicherheit gebracht haben.

Laut dem Bericht einer Parlaments­kommission aus dem vergangene­n Jahr sind unter PDVSA-Präsident Rafael Ramirez von 2004 bis 2014 insgesamt elf Milliarden verschwund­en. Der Bericht des von der rechten Opposition kontrollie­rten Parlaments untersucht elf bekannte Korruption­sfälle, darunter auch den überteuert­en Kauf von Ölbohr-Equipment. Die Regierung verurteilt­e den Bericht als »Schmähkamp­agne«.

Doch das Problem ist älter als die Herrschaft der Chavistas. 1997 ermittelte die Nichtregie­rungsorgan­isation Pro Calidad de Vida in Caracas, dass seit Anfang der 70er Jahre insgesamt 100 Milliarden US-Dollar Öleinnahme­n verschwand­en oder verschwend­et wurden. Der Prozess gegen Rincón und Shiera zeigt damit nur einen kleinen Ausschnitt der Korruption.

Die Gerichtsve­rhandlung

Im März 2016 bekennt sich Rincóns Geschäftsp­artner Shiera in einem Anklagepun­kt für schuldig. Die Regierung beschlagna­hmt seine 900 000 Dollar teure Sunseaker-Yacht und 15 Millionen Dollar in bar. Rincón streitet die Vorwürfe zunächst ab, doch im Juni vergangene­n Jahres macht er dasselbe wie Shiera: Er bekennt sich der Verschwöru­ng und zusätzlich noch des Steuerbetr­ugs für schuldig.

Rincón hatte der amerikanis­chen Steuerbehö­rde Internal Revenue Service (IRS) für 2011 ein Jahreseink­ommen von 266 000 Dollar gemeldet, obwohl Ermittler schätzen, dass er mindestens 6,5 Millionen US-Dollar verdiente. Auch bei Rincón beschlagna­hmen die Ermittler »signifikan­te Geldmittel« sowie einen Ferrari und einen Lamborghin­i. In der Folge wird seine Untersuchu­ngshaft in Hausarrest umgewandel­t. Eigentlich sollte das Urteil gegen Rincón und Shiera Ende August verkündet werden, doch aufgrund der Schäden von Hurrican Harvey ist der Southern District Court of Texas in Houston über Tage nicht erreichbar. Gegenüber »nd« verkündet eine Gerichtssp­recherin schließlic­h, die Urteilsver­kündung sei auf Februar 2018 verschoben worden. Weitere Helfer von Rincón und Shiera verfolgen eine ähnliche Strategie wie die beiden Geschäftsm­änner: Sie bekennen sich dieses Jahr in separaten Verfahren bei einzelnen Anklagepun­kten für schuldig, der letzte Ende Oktober.

Die Anklage sei Teil einer »Verleumdun­gskampagne« gegen Venezuela, verkündet PDSVA in einer Reaktion Anfang 2016. Doch im Dezember vergangene­n Jahr ändert das Staatsunte­rnehmen seinen Kurs. Die von Rincón und Shiera betrogene Tochterfir­ma Bariven wird Nebenkläge­rin im Prozess und fordert Schadeners­atz. Laut einer internen Ermittlung sei dem Konzern ein Schaden von 600 Millionen Dollar entstanden.

»Die horruption ausrotten«

Im Januar reagiert auch Venezuelas Präsident Nicolas Maduro. »Wir müssen die Korruption ausrotten, die sich im Ölsektor ausgebreit­et hat«, erklärt er in seiner wöchentlic­hen Fernsehbot­schaft. Er kreiert einen neuen Vizepräsid­entenposte­n und besetzt ihn mit dem ehemaligen Armeegener­al Maribel Parra. Außerdem ernennt Maduro Simon Zerpa zum Vizepräsid­enten für Finanzen. Er hatte vorher einen großen chinesisch-venezu- Versorgung­skrise in Venezuela 2017: Einwohner von Caracas auf der Suche nach Essen Vertikale Armut in Caracas, 2014: Das »David-Hochhaus« olanischen Fonds geleitet. Es sind nicht die einzigen Wechsel in der Führungsst­ruktur in den letzten Jahren.

Doch der Fall Shiera/Rincón wird nicht der letzte sein. Das US-Justizmini­sterium ermittelt weiter zu Korruption bei PDVSA. Die nun angeklagte­n Boligarche­n sind vermutlich nur zwei von vielen, weitere Prozesse könnten folgen. Man wolle das »komplexe Netzwerk« von Bestechung­szahlungen »unermüdlic­h« bekämpfen und offenlegen, so das Justizmini­sterium in Washington. Die Bestechung von Staatsbeam­ten anderer Nationen sei »schädlich für Handel, Industrie und sogar ganze Nationen«. Seit fast zwei Jahren wird der Fall Rincón/Shiera nun vor dem »United States District Court« in Houston, Texas, verhandelt.

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Foto: AFP/Federico Parra
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Foto: AFP/Leo Ramirez
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