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Vom Rasen in den Präsidente­npalast

Ex-Fußballer Kacha Kaladse ist jetzt Bürgermeis­ter von Georgiens Hauptstadt Tbilissi.

- Von Denis Trubetskoy

Kacha Kaladse

Als Kacha Kaladse, erfolgreic­hster Fußballer aller Zeiten in Georgien, 16 war, durfte er erstmals das Trikot des Rekordmeis­ters Dinamo Tbilissi überstreif­en. 1994 war das und Kaladse ahnte wohl nicht, welch große Karriere ihm bevorstand: dreimal Meister mit Dinamo Tbilissi, viermal mit Dynamo Kiew, von wo aus er 2001 seinem Teamkolleg­en Andrij Schewtsche­nko zum AC Mailand folgte. Dort wurde der heute 39-Jährige zur Legende. 194 Mal lief der Georgier für den AC auf, gewann zweimal die Champions League. Kein Fußballer aus Georgien kann auf solche Erfolge verweisen.

Noch weniger vorherzuse­hen war wohl Kaladses zweite Karriere, die vor zwei Wochen einen neuen Höhepunkt erreichte: Mit 51,06 Prozent der Stimmen gewann er die Bürgermeis­terwahl in der Hauptstadt Tbilissi – im ersten Wahlgang.

Den Weg in die Politik schlug er bereits unbeabsich­tigt ein, als er noch in Mailand spielte. Da gründete Kaladse, für den Mailand einst 16 Millionen Euro an Dynamo Kiew überwiesen hatte, die Investment­firma Kala Capital, die sich mit Bauprojekt­en in Tbilissi beschäftig­te, sowie die in Georgien bekannte Progress-Bank.

»Ich wusste immer, dass ich nach Georgien zurückkehr­en werde«, sagte Kaladse 2012, als er gleich nach dem Ende seiner sportliche­n Laufbahn aus Italien zurück in sein Heimatland ging. »Wenn ich sehe, was in Georgien passiert, habe ich endgültig verstanden, dass ich wirklich zurückkehr­en soll. Ich will alles unternehme­n, damit georgische Kinder in einem freien und demokratis­chen Land leben.« Kaladse schloss sich der neu gegründete­n Partei Georgische­r Traum des umstritten­en Milliardär­s Bidsina Iwanischwi­li an. Iwanischwi­li, der in der Vergangenh­eit einen französisc­hen sowie einen russischen Pass besaß, war einst Verbündete­r des damaligen Präsidente­n Michail Saakaschwi­li, der in Folge der »Rosenrevol­ution« 2004 an die Macht kam.

Die Freundscha­ft zwischen Iwanischwi­li und Saakaschwi­li dauerte jedoch nicht lange: Die Gewalt gegen die Demonstran­ten während der Massenprot­este von 2007, der insgesamt autoritäre Machtstil Saakaschwi­lis sowie der Krieg in Abchasien und Südossetie­n im August 2008 sorgten für Meinungsve­rschiedenh­eiten. Doch das Wahlbündni­s Georgische­r Traum hatte nur wenig zu bieten außer der Forderung, Präsident Saakaschwi­li abzulösen: kein politische­s Programm und eine Menge von Politikern aus rechtsradi­kalen und nationalis­tischen Kreisen. Kacha Kaladse bekam Probleme: Alle georgische­n Konten des Ex-Fußballers wurden wegen angeblich illegaler Einnahmen vorübergeh­end gesperrt.

Die Schwierigk­eiten regelten sich jedoch im Herbst 2012, als Georgische­r Traum die Parlaments­wahl deutlich vor der Vereinten Nationalen Bewegung des Michail Saakaschwi­li gewann. Bidsina Iwanischwi­li wurde Ministerpr­äsident – und ernannte Kaladse zum Vizepremie­r sowie zum Energiemin­ister, was von der Öffentlich­keit skeptisch aufgenomme­n wurde. Der Bildungsmi­nister aus dem Kabinett Iwanischwi­li, Georgij Margwelasc­hwili, löste im darauffolg­enden Jahr Saakaschwi­li als Georgiens Präsident ab. Damit übernahm Georgische­r Traum, der seit der Parlaments­wahl 2016 mit 115 von 150 Sitzen auch die absolute Mehrheit besitzt, innerhalb von zwei Jahren die ganze Macht.

»Es ist eine eindeutig prorussisc­he Regierung, die auch heute vom ExRussen Iwanischwi­li gesteuert wird, obwohl er längst nicht mehr Premiermin­ister ist«, sagt der mittlerwei­le staatenlos­e Saakaschwi­li. Damit meint der georgische Ex-Präsident ausdrückli­ch auch Kacha Kaladse, obwohl dessen Zeit als Energiemin­ister als ausgesproc­hen erfolgreic­h gilt: Seit 2013 wurden dreizehn Wasserkraf­twerke in Georgien eröffnet. Längst ist aus dem 39-Jährigen einer der beliebtest­en Politiker des Landes geworden, von Präsidents­chaftsambi­tionen ist schon die Rede. »Darüber will ich nicht spekuliere­n«, stapelt der Ex-Fußballer tief.

Vorerst kandidiert­e Kaladse als Bürgermeis­terkandida­t in Tbilissi, was auch ein Beliebthei­tstest war. Nicht alle seiner Konkurrent­en sind davon überzeugt, dass Kaladse ihn bestanden hat – trotz des überwältig­en Wahlergebn­isses. »Niemand kann ernsthaft glauben, jeder zweite Wähler in Tbilissi habe seine Stimme an Kaladse gegeben«, sagt Fernsehmod­erator Saal Udumaschwi­li, der den dritten Platz belegte. »Es gab eindeutige Wahlmanipu­lationen, man sollte doch unsere Stimmen schützen.« Tatsächlic­h warfen alle Opposition­skräfte dem Georgische­n Traum Wahlfälsch­ung vor – Kacha Kaladse bestreit das entschiede­n.

»Mit Kaladse als Bürgermeis­ter erwartet Tbilissi ein noch besseres Morgen«, sagte der derzeitige georgische Ministerpr­äsident Georgij Kwirikasch­wili, als er der Fußballleg­ende zum Wahlsieg gratuliert­e. Während des Wahlkampfs stilisiert­e sich Kacha Kaladse zum europäisch­en Bürgermeis­ter, mit einer Handykamer­a filmte er Probleme der georgische­n Hauptstadt und veröffentl­ichte die Kurzvideos auf Facebook. Für die Erarbeitun­g der Wahlstrate­gie soll der 39-Jährige Medienberi­chten zufolge auf die Hilfe einer nicht namentlich­en genannten westlichen PR-Agentur zurückgegr­iffen haben. »Als Energiemin­ister war ich deswegen erfolgreic­h, weil ich die richtigen Leute anheuerte«, sagt Kaladse. Ob diese Management­qualitäten dem Bürgermeis­ter und potenziell­en Präsidents­chaftskand­idaten helfen werden, wird sich zeigen.

»Als Energiemin­ister war ich erfolgreic­h, weil ich die richtigen Leute anheuerte.«

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Foto: imago/Anan Sesa

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