nd.DerTag

Andersfrau­en

- Von Paula Irmschler

Leo Fischer beschrieb im Juni das Phänomen der Nichtmehrl­inken, mutige Neukonserv­ative, die sich entgegen der omnipräsen­ten Bedrohung von politische­r Korrekthei­t pathetisch das Hemd aufreißen. Doch es geht noch kühner, unmainstre­amiger und doppelmora­lischer. Wann immer Frauen ihr von männlicher Gewalt Betroffens­ein öffentlich machen, sind sie nicht weit: die vermeintli­ch unbetroffe­nen Frauen, die durch die Gegend monologisi­eren, dass ihnen »sowas«, gemeint ist sexuelle Belästigun­g, ja überhaupt nicht passiert oder die anderen sich auch mal ein bisschen zusammenre­ißen, gemeint ist schweigen, könnten. Vorhang auf für die Andersfrau­en. Oft handelt es sich hierbei um Frauen, die »es« geschafft haben, beweisen mussten, dass sie nicht schwach sind, die »wie Männer« sein mussten, weil Solidaritä­t schwer zu finden war.

Heute liegt Solidaritä­t auf der Straße, also im Internet. Als Anfang 2013 der Hashtag »Aufschrei« viral ging, war ich noch nicht eingebunde­n in feministis­che Zusammenhä­nge, habe nirgends publiziert, verstand nichts von all jenen politische­n Grabenkämp­fen, die ein unbedarfte­s Äußern so schwierig machen. Frauen tauschten sich aus, Abgebügelt

Paula Irmschler ist freie Autorin und kümmert sich an dieser Stelle alle 14 Tage um Dinge, denen man nur mit Heißdampf begegnen kann. Die Kolumne unter: dasND.de/abgebuegel­t egal, wo sie herkamen, was sie arbeiteten, wie alt sie waren. Jede mit Internetan­schluss konnte teilnehmen, jede war wichtig, jede konnte gehört werden. Öffentlich­es Äußern war bis zur Etablierun­g von sozialen Netzwerken ein Privileg und nicht wenige wünschen es sich wohl zurück. Eine großes Hassobjekt sind nun die Netzfemini­stinnen, »Welt«-Autorinnen wie Hannah Lühmann haben fast kein anderes Thema. Klar, da biedert man sich jahrelang an Konservati­ve an, beweist, dass man wirklich nicht so ist wie die anderen Frauen, sondern sachlich und so, und dann bekommen Frauen, denen es mit dem Feminismus ernst ist, mehr Aufmerksam­keit (aber kein Geld).

Um den Andersfrau­en-Job zu behalten, muss man Feministin­nen ab und an erklären, dass sie jetzt aber zu weit gehen und ihr Tun sinnlos sei. So überrascht wenig, dass diese Andersfrau­en jetzt, im Zuge der #metooDebat­te wieder durch Abgrenzung glänzen. Auftritt Lühmann und »Warum ich den Hashtag #metoo nicht benutzen möchte« oder Judith Sevinç Basad von den Salonkolum­nisten mit ihrem Text »#metoo? Ich nicht«, in dem sie Frauen vorwirft, »sich zu Hause vor dem Bildschirm (zu) empören«. Und zwar, indem sie sich selbst vor dem Bildschirm empört. Applaus bekommen die Andersfrau­en vor allem von Typen, die froh sind, dass es endlich mal eine den »social justice warriors« zeigt. Das vermeintli­che Tabu, Feministen zu kritisiere­n, ist keines. Frauen, die nicht in viel gelesenen Medien veröffentl­ichen, haben manchmal nur Hashtags als Plattform. Andersfrau­en könnten ihre Sache unterstütz­en, zur Agenda machen – aber dafür gibt es keine gut bezahlten Aufträge. Zumindest das sollte sie stutzig machen.

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