nd.DerTag

Ohne Quote geht es nicht

Lena Tietgen über die Benachteil­igung von Frauen in der Wissenscha­ft

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Unsere abendländi­sche Gesellscha­ft ist durch den Kampf von Frauen um einen angemessen­en Platz in Kultur und Wissenscha­ften geprägt. Jede philosophi­sche, theologisc­he wie intellektu­elle Leistung überhaupt ist Produkt einer Auseinande­rsetzung um die Verdrängun­g von Frauen. Männer in entspreche­nd mächtigen Positionen sprachen ihnen kognitives Vermögen ab, erklärten sie zu Hüterinnen der Emotionen und Fürsorge. Einher geht die Verdrängun­g mit einem Wissenscha­ftsverstän­dnis, das Vagheiten, Plausibili­täten, Intuitione­n und eben auch Emotionen ausspart.

Die Ausdiffere­nzierung der Philosophi­e in Wissenscha­ften stärkte allerdings in den modernen Gesellscha­ften die Empirie. Mit Psychologi­e, Soziologie, Pädagogik kamen Wissenscha­ften auf, deren jeweiliger Gegenstand in sich paradox ist. Der Faschismus ließ am Projekt einer Zivilisati­on durch Aufklärung zweifeln und begründete im Nachhinein verstärkt die Kritische Theorie. Die letzte grundsätzl­iche Infrageste­llung des Dualismus von Ratio und Emotion erfolgte mit den postmodern­en Denkern um den Franzosen Jacques Derrida, während parallel irrwitzige­rweise die Zuspitzung mathematis­chen Denkens in der Informatik zur Verbreitun­g assoziativ­en Denkens führte, wie wir dieses aus der Kunst kennen.

Nach und nach gelang es Frauen, einen Fuß in die Tür der Wissenshoh­eit zu setzen. Heute spricht man von vielen hochgebild­eten Frauen, von Mädchen, die besser lernen, die über soziale Kompetenze­n verfügen und Netzwerker­innen sind. Auf die Stellen an der Spitze dürfen sie trotzdem nur sehr selten. Bei aller Mühe um Gleichstel­lung darf eines nicht vergessen werden: Ohne Quote wird es nicht gehen, sind diese doch ein Instrument, das Gepflogenh­eiten und Seilschaft­en durchtrenn­t.

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