Von Schuhen und Graffiti
Ein etwas anderer Kunstbummel durch Toronto.
Madonna, Elton John, Robert Redford – alle sind sie da. Sie warten im Keller, hinter einer schweren, grauen Eisentür. Der Keller befindet sich im Bata Shoe Museum mitten in Torontos pulsierender Innenstadt, in der Bloor Street West. Vertreten sind die Künstler natürlich nicht selbst, auch nicht in Form von Wachsfiguren, sondern mit Schuhwerk, welches einst von ihnen getragen wurde. Durch die Räume führt Sonja Bata. Sie ist die Witwe des verstorbenen Thomas Bata, der einst die Geschicke des Bata Schuh Konzerns lenkte, und gründete bereits vor 20 Jahren das Schuhmuseum in Toronto. Die Schweizerin wurde 1926 in Zürich geboren und verließ frisch verheiratet 1946 ihre europäische Heimat, um gemeinsam mit ihrem Mann in Kanada ihr Glück zu suchen.
»Diese Stiefel trug Robert Redford in ›Jenseits von Afrika‹, erzählt Sonja Bata. Sie stehen gleich neben den silbernen Plateaustiefeln von Elton John. Ava Gardner und Elisabeth Taylor sind im Museum mit ihrem Fußschmuck genauso vertreten wie Königin Victoria und Lady Di. Im Falle der britischen Königin ist es sogar eine Nachbildung ihrer Brautschuhe. 13 000 Paar Schuhe aus einer Zeitspanne von 4500 Jahren bewahrt die Sammlung in Kellerräumen auf, zu denen die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat.
Nur eine kleine Auswahl findet seinen Weg in die jeweils aktuelle Ausstellung des Bata Shoe Museums. Das hat natürlich auch konservatorische Gründe: Die antiken ägyptischen Sandalen sind rund 3500 Jahre alt und daher empfindlich. Übrig geblieben sind nur noch deren Sohlen, die ziemlich an die der heutigen Espandrilles erinnern. Das antike Schuhwerk gilt als Vorläufer der heutigen Flipflops. »Wir haben sehr viele Schuhe von Prominenten, doch die ethnologischen Schuhe sind für mich interessanter, sie erzählen eine Geschichte«, erklärt Bata. Der Absatz eines Stiefels, der vermutlich von einem Soldaten während einer der blutigsten Schlachten in Nordamerika getragen wurde, der Schlacht von Gettysburg, Chopinen, also Damenschuhe mit irre hohem Plateauabsatz, aus dem 15. Jahrhundert oder handgenähte Kamik (Stiefel auf Eskimo) aus Robbenfell.
In den Ausstellungen des Schuhmuseums befinden sich allerdings nur drei Paar Bata-Schuhe. Warum? Man wolle kein Corporate-Museum sein, welches nur die eigene Marke ausstellt, sondern ein globales Forschungszentrum, erläutert Bata. Farbenprächtige Graffiti erzählen viel über die Menschen und die Region.
Die Lage des Schuhmuseums passt auch zu den zahlreichen Modegeschäften, die sich in der Bloor Street befinden. Marken wie Prada, Louis Vuitton und Gucci sind dort genauso vertreten wie der gehobene Einzelhändler Holt Renfrew, der wiederum zahlreiche Accessoires zahlreicher Luxusmarken führt. Kontrastprogramm für unkonventionelle Geister bietet dagegen der Kensington-Markt in der St. Andrew Street sowie ein Bummel entlang der nah gelegenen West Queen West: Läden mit Secondhandklamotten, kleine Designergeschäfte, jede Menge Hinterhofcharme mit graffitibemalten Hauswänden, Cafés und Restaurants. Wer sich für Graffitikunst interessiert, sollte auf jeden Fall eine Stadtführung mit »Tour Guys« unternehmen. So erschließen sich die Geschichten und Hintergründe der farbenprächtig besprühten Wände, die oftmals auch mit der Entwicklung oder den Problemen einzelner Viertel zusammenhängen. Wer gut zu Fuß ist, sollte statt mit Straßenbahn und Bus einfach die Blocks per Pedes durchqueren.
Kunstinteressierten, denen reine Gemäldegalerien zu öde sind, sei die Art Gallery of Ontario, kurz AGO genannt, empfohlen. Unter den Dächern des riesigen Museums findet sich ein guter Querschnitt der Künstler der Provinz Ontarios, dessen Hauptstadt Toronto ist. Je nach Geschmack können Besucher ihren Fokus auf die Kunst der First Nations legen, aktuelle Fotoausstellungen mit politikkritischen Inhalten erkunden, Ölgemälde anschauen oder sich im obersten Stockwerk der modernen Kunst widmen. Witzig: Der kanadische Künstler Brian Jungen, Jahrgang 1970, fertigte drei farbenprächtige Totempfähle an, die sich bei näherem Hinsehen als Konstrukt ausschließlich aus Golftaschen entpuppen. Diese Fusion moderner westlich-dekadenter Freizeitbeschäftigung mit der sehr alten Kultur kanadischer Ureinwohner lässt sich leicht erklären: Jungens Vater ist Schweizer, seine Mutter eine Angehörige der First Nation.
Als Höhepunkt – in Wortsinne – sollten erstmalige Torontobesucher den Canadian National Tower, kurz CN Tower, erklimmen. Natürlich nicht zu Fuß, sondern per Fahrstuhl. Immer wieder gibt es die Gelegenheit durch gläserne Böden tief hinabzublicken und dabei zu erschauern. Im Drehrestaurant sitzend, erhält man einen guten Überblick über die Stadt und kann bei klarer Sicht sogar die Gischt der Niagarafälle erblicken. Doch das ist eine eigene Geschichte.