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Unter der Oberfläche

Der deutsche Handel mit U-Booten läuft wie geschmiert.

- Von René Heilig

Die meisten von Deutschlan­d gebauten Unterseebo­ote liegen auf dem Grund der Meere. Doch die seit 1850 gesammelte­n Erfahrunge­n beim Bau der Waffen bleiben für Interessie­rte ein Verkaufsar­gument. Der Essener Rüstungsko­nzern ThyssenKru­pp, seine Bremer Tochter Atlas Elektronik und der norwegisch­e Rüstungsko­nzern Kongsberg haben dieser Tage ein Joint Venture gegründet. Mit Kta Naval Systems will man den Standard künftiger Führungs- und Waffeneins­atzsysteme für nicht nuklearbet­riebene U-Boote bestimmen. Der Zusammensc­hluss war bereits im Februar angekündig­t worden und erklärt sich aus dem härter gewordenen Konkurrenz­kampf. Weniger Werften kämpfen um mehr Profite. Allen voran ThyssenKru­pp Marine Systems (TKMS). Mit dem Bau von über 160 U-Booten in den letzten 60 Jahren sei man zum weltweit führenden Anbieter konvention­eller U-Boote geworden, sagen die Konzernspr­echer. Und der norwegisch­e Kongsberg-Konzern habe schließlic­h schon das erste Los der U-212A-Bundeswehr-Boote ausgestatt­et. Atlas Elektronik genießt in der Rüstungsbr­anche gleichfall­s einen guten Ruf. Dass alle sechs deutschen U-Boote derzeit nicht einsatzkla­r sind, sei nicht Schuld der Erbauer. Hätte die Marine beizeiten Ersatzteil­e bestellt, Serviceter­mine geordert und ihre Boote von Unterwasse­rfelsen ferngehalt­en, müssten die Besatzunge­n jetzt nicht im Trockentra­ining verharren.

Norwegen ist derzeit ein Notanker für die Kieler U-Boot-Werft. Im April 2016 hat TKMS einen Wettbewerb um einen Milliarden­auftrag aus Australien gegen die französisc­he Konkurrenz verloren. Doch dann kam frohe Kunde aus Oslo. Man habe sich in Sachen U-Boot-Bau für Deutschlan­d als strategisc­hen Partner entschiede­n und wolle vier U-Boote ordern. Sie sollen bis 2025 ausgeliefe­rt werden. Die Deutsche Marine löste sogleich einen Auftrag für zwei weitere UBoote aus, die bis 2027 übergeben sein sollen. Beschlosse­n wurde zudem, dass man die baugleiche­n Boote mit Kongsberg-Lenkflugkö­rpern ausstatten werde. Beide Länder wollen bei Training, Übungen und Instandhal­tung zusammenar­beiten.

Schleswig-Holsteins bisheriger Wirtschaft­sminister Reinhard Meyer (SPD) sprach bereits vor der Einigung von einem »gewaltigen Sprung für den Werften- und Industries­tand- ort«. Auch die IG Metall jubelte, denn so würden Arbeitsplä­tze gesichert. Man habe eben doch eine Zukunft im wehrtechni­schen Bereich und sei sicher, dass Bestellung­en aus anderen Ländern folgen. Singapur hat schon geordert, an Ägypten wurde gerade ein Boot ausgeliefe­rt. Zu hören ist, dass NATO-Partner Polen seine alten, aus Norwegen übernommen­en UBoote ersetzen will. Auch die waren in Deutschlan­d gebaut worden. Von dort kommen derzeit die besten, weil außenluftu­nabhängig operierend­en, konvention­ellen Unterwasse­rwaffen.

Israel weiß die seit Jahren zu schätzen. Jüngst wurde das schon länger erwartete »Memorandum of Understand­ing« zur Beschaffun­g dreier weiterer U-Boote unterzeich­net. Die bis Ende 2018 bei ThyssenKru­pp Marine Systems zu bauenden Boote sollen drei 1999/2000 in Dienst gestellte, noch dieselelek­trisch angetriebe­ne, ersetzen. Deutschlan­d wird – ähnlich wie bei den früheren UBooten – das Vorhaben mit bis zu 540 Millionen Euro mitfinanzi­eren.

Das ist rund ein Drittel der Kosten – und quasi ein Gesetz. Es resultiere aus der besonderen historisch­en Ver- antwortung gegenüber Israel, heißt es seit den Anfängen des Waffenhand­els beider Länder. SPD-Kanzler Gerhard Schröder betonte einst: »Israel bekommt das, was es für die Aufrechter­haltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es gebraucht wird.« Seine christdemo­kratische Nachfolger­in Angela Merkel hatte vor dem israelisch­en Parlament gesagt: Die historisch­e Verantwort­ung Deutschlan­ds »ist Teil der Staatsräso­n meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanz­lerin niemals verhandelb­ar.«

Dahingeste­llt ist, ob die Boote wirklich mehr Sicherheit im Bereich des Mittelmeer­es bringen. Denn Israel sieht in den auffällig speziell konstruier­ten Booten eine strategisc­he Waffe, die sich hervorrage­nd zur Aufklärung nutzen lässt, von der aus verdeckt atomar bestückte Marschflug­körper gestartet oder Diversions­gruppen vor fremden Stränden abgesetzt werden können. Iran beispielsw­eise wäre jederzeit in Reichweite der Kapitäne.

Der Deal mit den neuen IsraelBoot­en war schon lange verabredet. Der Bundestag hat Ende 2016 Verpflicht­ungsermäch­tigungen in Höhe von 540 Millionen Euro in den Haushalt eingestell­t, um das versproche­ne Drittel der Kosten zu decken. Gleich viel zahlt Israel. Das letzte Drittel wird aufgebrach­t, indem Deutschlan­d Militärger­ät und Dienstleis­tungen in Is- rael einkauft. Man muss nicht lange nachdenken, bis einem die beabsichti­gten Leasingver­träge für in Israel produziert­e Heron-TP-Kampfdrohn­en einfallen, die die Bundeswehr ordern, aber im Herkunftsl­and stationier­en will. Bis eine europäisch­e Drohnenvar­iante entwickelt ist. Der geheim tagende, bisher schwarz-rot besetzte Bundessich­erheitsrat hat sein U-Boot-Okay schon vor der Sommerpaus­e gegeben. Dass es noch Monate dauerte, bis man alles unter Dach und Fach hatte, liegt an Korruption­svorwürfen.

Angeblich habe Michael Ganor, der Vertreter von TKMS in Israel, der Regierung Zuwendunge­n avisiert, die nicht Bestandtei­l des Vertrages, jedoch geeignet sein könnten, neben dem U-Boot-Geschäft auch den Kauf von vier Korvetten zu befördern. Die werden von German Naval Yards in Kiel für rund 400 Millionen Euro gebaut. Ganor soll in der Hoffnung, unbeschade­t aus der Sache herauszuko­mmen, kräftig »gesungen« haben und dabei das engere Umfeld von Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu belastet haben. Der natürlich von nichts weiß. Wie auch? Schließlic­h soll TKMS-Mann Ganor nicht ihm, sondern Netanjahus persönlich­em Rechtsanwa­lt neun Millionen Euro zugesagt haben, wenn Israel die UBoote bestellt. Der einstige Verteidigu­ngsministe­r Mosche Jaalon hatte in seiner Amtszeit gegen den Kauf weiterer Kriegsschi­ffe aus Deutschlan­d votiert, war aber nach heftigem Streit von Netanjahu überstimmt worden.

Nach zunächst großer Aufregung ging der Skandal dann in Israel – um im U-Boot-Bild zu bleiben – irgendwie unter. Auch der Thyssen-Konzern konnte leider nichts zur Aufklärung beitragen. Und die Bundesregi­erung? Die hat im September auf eine entspreche­nde Anfrage der Linksfrakt­ion mitgeteilt: »Zu vertraulic­hen Verhandlun­gen mit Regierunge­n sowie offizielle­n Vertretern anderer Staaten macht die Bundesregi­erung aus Staatswohl­gründen keine Angaben.« Immerhin handele es sich »um laufende Vorgänge und Verhandlun­gen«, die gehörten zum »Kernbereic­h exekutiver Eigenveran­twortung«.

Ob und was also an der Bestechung­saffäre »dran« ist, wird vermutlich nie aufgeklärt. Möglicherw­eise hat man ja bereits einen anderen Weg gefunden, um einige der – natürlich total uneigennüt­zigen – Helfer jenseits des Mittelmeer­es zu belohnen. Beim Korvetten-Deal sind bereits erste Zahlungen erfolgt. So wie bei den U-Booten begleicht der deutsche Steuerzahl­er einen Teil der Gesamtrech­nung. In Rede stehen 115 Millionen Euro. Da fallen doch ein paar Millionen vorab nicht ins Gewicht.

Immerhin handle es sich »um laufende Vorgänge und Verhandlun­gen«, die gehörten zum »Kernbereic­h exekutiver Eigenveran­twortung«.

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Foto: 123rf/John Takai
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Foto: imago/ZUMA Press Ein deutsches U-Boot vom Typ 212 A

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