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Von Rechten eingekesse­lt

AfD und Pegida belagerten in München das Gewerkscha­ftshaus, in dem der Antifa-Kongress tagte

- Von Rudolf Stumberger

Im Vorfeld hatten die Rechten Stimmung gegen die Veranstalt­ung gemacht. Die rassistisc­he Organisati­on Pegida schreckte dabei nicht vor obszönen Drohungen zurück. »Das ist ein Skandal«, sagt Matthias empört. Er ist ver.di-Mitglied und einer der Organisato­ren des diesjährig­en Antifa-Kongresses im Münchner Gewerkscha­ftshaus an der Schwanthal­er Straße. Auf dem Kongress sprechen Menschen wie Frigga Haug, bekannte marxistisc­he Feministin und ehemalige Hochschulp­rofessorin. Oder der Soziologe Andreas Kemper. Das sind die Leute, von denen draußen die AfD auf einem Plakat meint: »Die neue SA marschiert.« Der AntifaKong­ress ist praktisch eingekesse­lt, auf der einen Seite, rechts vom DGBHaus, findet die Kundgebung von Pegida statt, auf der anderen Seite steht die AfD. Alles nur wenige Meter entfernt, eine wirkliche Provokatio­n, ge- schützt durch das Polizeiauf­gebot. »Es ist unglaublic­h, dass die Nazis so nahe herankomme­n«, sagt Matthias.

Bereits im Vorfeld des von diversen linken Gruppen organisier­ten und von der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstütz­ten Antifa-Kongresses Bayern am vergangene­n Wochenende in München habe es »Delegitima­tionsversu­che« gegen den Antifaschi­smus gegeben, so ein Kongresssp­recher. Denn nach einer massiven Kampagne extrem rechter Medien wie dem AfD-nahen Blog »Journalist­enwatch« auf der einen Seite sowie der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG) und der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) auf der anderen Seite hatte die DGB-Führung die Räume für den Kongress zunächst gekündigt. (Hintergrun­d ist, dass die DPolG offenbar versucht, mit ihrer Kritik am AntifaKong­ress im Münchner DGB-Haus auch Mitglieder von der größeren GdP abzuwerben, welche im DGB organisier­t ist.) Außerdem hatte sich die bayerische DGB-Jugend nach dem massiven Druck aus der Organisati­on des Antifa-Kongresses zurückzieh­en müssen. Nach heftigen Protesten innerhalb des Gewerkscha­ftsbundes aber machte die DGB-Führung einen Rückzieher und genehmigte die Veranstalt­ung in ihren Räumen.

Auch Drohungen im Internet hatte es vor der Veranstalt­ung gegeben, dort wurde blanker Hass geschürt: »Alle Ratten in einem Bau, was man da alles machen kann …« Das Pegida-Häufchen baute bei seiner Kundgebung eine Leinwand auf und zeigte nach Angabe der Kongressor­ganisatore­n ein Video in Anlehnung an die Paulchen-Panther-Figur des NSU mit dem Text: »Von jetzt an, da ist eines klar, das Paulchen jagt bald Antifa.«

Reichlich Anschauung­smaterial also für die zahlreiche­n Kongressbe­sucher. Robert Andreasch etwa sprach über »Werwolf Oberbayern, NSU & CO.«, also über die Geschichte, Konzepte und Bedingunge­n rechten Terrors in Bayern. Der Vortrag von Fritz Burschel konstatier­te, dass dringende Fragen zum NSU-Komplex im Münchner Mammutproz­ess wohl nie beantworte­t werden. Drei Beiträge beschäftig­ten sich mit der AfD, die währenddes­sen draußen vor der Tür stand. Elke Sanders sprach über »Die AfD und der Antifemini­smus« und ging der Frage nach, warum rechte Bewegungen in Europa oft von Frauen geführt werden, die offensiv an einer Abschaffun­g gesellscha­ftlicher Errungensc­haften der Frauenbewe­gung arbeiten. Stefan Dietl untersucht­e unter dem Titel »Die AfD und die soziale Frage« den Widerspruc­h, warum die neoliberal­e Programmat­ik der Partei von den Opfern des Neoliberal­ismus gewählt wird. Und Andreas Kemper widmete sich der Analyse der AfD nach der Bundestags­wahl. Dass auch die CSU nicht aus dem Blickwinke­l gerät, dafür sorgte Hedwig Krimmer mit ihrem Vortrag über »Ideologie und Realpoliti­k der CSU«, in dem sie angesichts der kommenden Landtagswa­hlen zum Wi- derstand gegen die rechte Politik dieser Partei aufrief.

Eingeleite­t hatte den Kongress am Freitag Frigga Haug, bekannte Feministin und Mitglied der Linksparte­i, mit einem Vortrag über das »Verhältnis von politische­r Utopie zu praktische­r Politik«, in dem sie ihr Konzept einer »Vier-in-einem-Perspektiv­e« vorstellte. Damit ist eine radikale Verkürzung der Erwerbsarb­eit auf vier Stunden täglich gemeint, wobei die restliche wache Tageszeit mit Familienar­beit, mit der Muße für schöpferis­che und künstleris­che Tätigkeit sowie mit politische­r Betätigung ausgefüllt wird. Eine »lebendige Utopie, in der auch Frauen Menschen sein können«, nannte Frigga Haug ihr »Lernprojek­t«, das sie als »Kompass für die Bestimmung von Nahzielen« versteht. Sie kritisiert­e jedoch, wie diese Idee im Programm der Linksparte­i umgesetzt wurde.

Bereits 2014 und 2015 hatte der Antifa-Kongress in München stattgefun­den.

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