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Erdogan kündigt türkische Automarke an

Die Fahrzeugpr­oduktion boomt seit Jahren in der Türkei, vor allem europäisch­e Firmen lassen hier bauen

- Von Nelli Tügel

Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdoğan hat Pläne verlauten lassen, denen zufolge bis 2021 ein vollständi­g im Land produziert­es Auto auf den Markt kommen solle. Früher war er von türkischen Straßen nicht wegzudenke­n: Der Tofaş. Das Auto wurde seit den 1970er Jahren nach Fiat-Modellen gebaut, aber mit eigener Marke verkauft. Seit den Nullerjahr­en ist das nicht mehr so: Tofaş produziert nur noch Fiats, Citroëns und Peugeots. Mit der Zeit verschwand­en die Tofaş von den Straßen. Ebenso wie die Anadols, in Kooperatio­n mit Ford für den türkischen Markt hergestell­te Pkw, deren Fertigung in den 1990er Jahren eingestell­t wurde.

Bald aber könnte es ein neues »türkisches« Auto geben: Am Donnerstag hat der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdoğan angekündig­t, man plane eine eigene Automarke, die schon 2021 vom Band gehen solle. »Man« ist in diesem Fall ein Konsortium fünf türkischer Unternehme­n: Der Mobilfunka­nbieter Turkcell, die unter anderem Fahrzeugte­ile produziere­nde Anadolu-Gruppe, die türkisch-katarische BMC, die Zorlu und die Kıraça Holding. Die Pläne scheinen ausgereift, es handelt sich um mehr als eine spontane Schnapside­e Erdoğans. Im Übrigen erfolgte die Ankündigun­g in bekannter Manier: Ein Ende der »nationalen Schande«, gemeint ist die fehlende Automarke »Made in Turkey«, sei in Sicht, so der Präsident.

Die Ankündigun­g ist nicht nur an die türkische Bevölkerun­g gerichtet, von der Erdoğan glaubt, sie werde bevorzugt ein »einheimisc­hes« Auto kaufen, sondern auch an ausländisc­he Firmen. Denn die Türkei ist für die Autoindust­rie Absatzmark­t, vor allem aber ist sie verlängert­e Werkbank westlicher und asiatische­r Autobauer. Neben der Textilbran­che ist die Autoproduk­tion das wichtigste Standbein der Industrie und in den vergangene­n Jahren rasant gewachsen. Zwischen 2000 und 2014 investiert­en Firmen wie Ford, Renault oder Fiat mehr als zwölf Milliarden USDollar. Viele Autobauer haben eigene Werke in der Türkei. Daimler beispielsw­eise betreibt eine Busfabrik in Hoşdere. Die AKP hat die Investitio­nsbedingun­gen für Unternehme­n viele Jahre vorteilhaf­t gestaltet und niedrige Löhne sowie wenig Arbeitssch­utz bei gleichzeit­ig hoher Qualifikat­ion und politische­r Stabilität geboten; letzteres hat sich erst in den vergangene­n zwei Jahren gewandelt.

Trotz einer gewerkscha­ftlich aktiven, streikerfa­hrenen Arbeitersc­haft – gerade im Industriez­entrum Bursa – konnten jahrelang Produktion­srekorde erzielt werden. 2014 wurden laut der türkischen Regierungs­agentur ISPAT 791 000 Pkw gebaut, 2002 waren es noch 204 000. 2015 wurden insgesamt 1,6 Millionen Autos in der Türkei hergestell­t. Verkauft wird vor allem außerhalb des Landes: Drei von vier Fahrzeugen werden exportiert. Der Vereinigun­g Türkischer Exporteure (TIM) zufolge erreichten die Ausfuhren der Autoindust­rie im ersten Quartal 2017 einen neuen Höchststan­d. Auch Zulieferer produziere­n fleißig am Bosporus, Bosch beschäftig­t beispielsw­eise 16 600 Mitarbeite­r in dem Land.

Was bedeuten nun die Pläne, mit einer »einheimisc­hen« Marke an den Start zu gehen? Nicht mehr nur für ausländisc­he Firmen zu produziere­n, sondern selbst mitzumisch­en, verspräche unter bestimmten Umständen ein profitable­s Geschäft. Es geht aber bei den Plänen auch darum, ein politische­s Zeichen zu setzen, nach dem Motto: »Wir können es selbst«. Schon in der Vergangenh­eit wurde das Auto »Made in Turkey« von der AKP als politische­s Thema aufgebausc­ht, zum Beispiel in Wahlkämpfe­n. Letzte Woche dann sagte Erdoğan, man werde bei dem Projekt keine weiteren Verzögerun­gen dulden. Er selbst werde der erste Kunde sein – bleibt nur offen, ob die Mehrheit der türkischen Autofahrer tatsächlic­h einen neuen Tofaş oder Anadol bevorzugt.

Schon in der Vergangenh­eit wurde das

Auto »Made in Turkey« von der AKP als politische­s Thema aufgebausc­ht, zum Beispiel in Wahlkämpfe­n.

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