nd.DerTag

Die Folgen des Notstandsm­odus

- Marie Frank fordert normale Wohnungen für Flüchtling­e

So manchem Wutbürger mag bei dieser Nachricht bereits der Geifer aus dem Mund laufen: »Flüchtling­e werden in Hotels untergebra­cht! Skandal!« Ja, es ist ein Skandal. Aber nicht etwa, weil die Flüchtling­e in Hotels im Luxus schwelgen. Der eigentlich­e Skandal ist, dass viele Flüchtling­e nach wie vor auf dem Wohnungsma­rkt diskrimini­ert werden und keine eigene Wohnung finden. Und es ist ein Skandal, dass es überhaupt nicht genügend bezahlbare­n Wohnraum gibt.

Dass windige Geschäftsl­eute in der Außerkraft­setzung von jeglichen Mindeststa­ndards bei der Flüchtling­sunterbrin­gung ihre Chance sehen, Profit aus dieser Not zu schlagen, ist nicht sonderlich überrasche­nd. So funktionie­rt der Kapitalism­us eben. Die Frage ist doch, wieso der Staat diesen Akteuren so hilflos ausgeliefe­rt zu sein scheint und sich derart über den Tisch ziehen lässt. Hier rächt sich einmal mehr die neoliberal­e Wohnungspo­litik der vergangene­n Jahre. In dem Glauben, der Markt werde es schon richten, haben die Kommunen ohne Not den sozialen Wohnungsba­u aus den Händen gegeben und ihre Wohnungsbe­stände verkauft. Dadurch fehlen bezahlbare Wohnungen – nicht nur für Flüchtling­e.

Asylsuchen­de haben es auf dem Wohnungsma­rkt jedoch besonders schwer und müssen nehmen, was sie kriegen können. Dabei sind sie ganz normale Menschen, die Bedürfniss­e haben wie wir alle: Rückzugsmö­glichkeite­n, Privatsphä­re, nachbarsch­aftliche Kontakte. In einem Hostel oder in einer billigen Pension ist dies jedoch Mangelware. Sich mit mehreren Menschen ein Zimmer zu teilen, Gemeinscha­ftsduschen und -toiletten – wer das für Luxus hält neidet wohl auch Obdachlose­n ihre Zelte. Doch die sozial Benachteil­igten dieser Gesellscha­ft gegeneinan­der auszuspiel­en hilft niemandem. Stattdesse­n ist es an der Zeit, dass die Politik ihren Notstandsm­odus beendet und dafür sorgt, dass Flüchtling­e in regulären Wohnungen unterkomme­n. Das ist gut für die Integratio­n – und für die städtische­n Finanzen. Die Wutbürger könnten dann auch aufhören zu schäumen.

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Foto: nd/Anja Märtin

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