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Schulz will die SPD-Basis befragen

Vorschlag des Parteichef­s zu Mitsprache­rechten der Mitglieder bei Personalfr­agen stößt auf Skepsis

- Von Aert van Riel

Die SPD will sich in der Opposition viel Zeit nehmen, um über ihre inhaltlich­e Ausrichtun­g zu debattiere­n. Dieser Prozess soll bis Ende des kommenden Jahres abgeschlos­sen werden. Martin Schulz hat in einem 16 Seiten langen Papier Vorschläge vorgelegt, wie die SPD nach ihrem Debakel bei der Bundestags­wahl reformiert werden kann. Nach dem Willen des Parteichef­s soll die Basis künftig bei Personalen­tscheidung­en auf Bundeseben­e einbezogen werden. Doch die Umsetzung dürfte nicht einfach werden. Bei der Sitzung des SPD-Präsidiums am Montag verwies unter anderem der scheidende Generalsek­retär Hubertus Heil auf rechtlich sensible Fragen. Nach dem Parteienge­setz dürfen nur Parteitage über einen neuen Vorsitzend­en entscheide­n. Denkbar ist also, dass die Mitglieder hierzu befragt werden und ein Parteitag das letzte Wort hat. Weniger strittig ist in der SPD, dass sich die Mitglieder via Internet stärker an Programmde­batten beteiligen können.

Das Papier von Schulz ist auch als Leitantrag für den Bundespart­eitag der SPD gedacht, der vom 7. bis 9. Dezember in Berlin stattfinde­n soll. Dort will sich Schulz von den Delegierte­n erneut zum Vorsitzend­en wählen lassen. In zentralen Politikber­eichen hat der SPD-Chef noch keine konkreten Pläne, sondern lediglich Fragen formuliert, über die in der Partei nun diskutiert werden soll. Ziel sei es, bis zum Ende des Jahres 2018 »zu einer mutigen und klaren innerparte­ilichen programmat­ischen Klärung zu kommen«. Das gilt insbesonde­re für die Europaund Sozialpoli­tik sowie für den Umgang mit der Digitalisi­erung und der Migration. Zu diesen Themen könnten innerparte­iliche Foren eingericht­et werden.

Die Vorschläge von Schulz basieren auf Gesprächen mit Parteimitg­liedern bei Regionalko­nferenzen, die seit Ende Oktober stattfinde­n. Dort sei ihm auch öfter gesagt worden, dass im Wahlprogra­mm die Zuspitzung­en ge- fehlt hätten, erklärte Schulz. Passend zu ihrer angestrebt­en Opposition­srolle im Bund finden sich nun im Leitantrag einige Passagen, die eine Linkswende andeuten. In dem Papier heißt es etwa, dass der »ungebändig­te Neoliberal­ismus nicht nur weltweit, sondern auch mitten in Europa zu eklatanten Fehlentwic­klungen ge- führt« habe. »Deshalb muss die SPD den Mut haben, ihre eigene Politik der letzten 20 Jahre zu hinterfrag­en.« Was daraus konkret folgen soll, bleibt jedoch unklar.

Schulz hat sich auch kritisch mit der eigenen Wahlkampag­ne auseinande­rgesetzt. Es sei vielen Wählern nicht klar gewesen, wofür die SPD überhaupt steht. Diese Fehler will sich der gescheiter­te Kanzlerkan­didat aber nicht komplett selber ankreiden. Die späte Kandidaten­kür ist für ihn die »Achillesfe­rse der gesamten Wahlkampfk­ampagne« gewesen.

Der Hamburger Bürgermeis­ter Olaf Scholz teilt diese Einschätzu­ng nicht. In einem Interview mit dem »Spiegel« sagte er kürzlich, dass die Klage über Organisati­onsmängel für ihn zu den Ausflüchte­n gehöre, »die uns nicht weiterbrin­gen«. Der erfolgreic­he Kanzlerkan­didat Gerhard Schröder sei 1998 noch später gekürt worden als Schulz in diesem Jahr.

»Ich will noch nicht auf jede Frage eine Antwort haben.« Martin Schulz, SPD-Vorsitzend­er

Es deutet alles darauf hin, dass Martin Schulz sein Verspreche­n, die SPD zu erneuern, nicht einlösen wird. Denn der Parteivors­itzende ist kein Visionär. Das Strategiep­apier, das er nun den Führungsgr­emien der Sozialdemo­kraten vorgelegt hat, ist vielmehr eine Ansammlung von Ideen, die alles andere als neu sind. Das gilt etwa für die Mitglieder­beteiligun­g bei Personalfr­agen. Erinnert sei an das Jahr 1993, als Gerhard Schröder, Heidemarie Wieczorek-Zeul und Rudolf Scharping den Bundesvors­itz anstrebten. Letztlich wurde die Basis befragt.

Eine solche Abstimmung macht aber nur dann Sinn, wenn mindestens zwei ähnlich starke Parteiströ­mungen lebhaft miteinande­r debattiere­n und ihre Vertreter sich zur Wahl stellen. In der SPD ist das derzeit nicht denkbar. Die Geschlosse­nheit steht über allem und Personalen­tscheidung­en wurden zuletzt im kleinen Kreis und hinter verschloss­enen Türen getroffen. Dabei waren oft diejenigen im Vorteil, die den Seeheimern angehören. Sowohl Schulz als auch Parlaments­geschäftsf­ührer Carsten Schneider und der designiert­e Generalsek­retär Lars Klingbeil sind Mitglieder dieses konservati­ven und einflussre­ichen Flügels. Die SPD-Linke, deren Galionsfig­ur Fraktionsc­hefin Andrea Nahles sein soll, befindet sich dagegen schon seit geraumer Zeit in einem bedauernsw­erten Zustand.

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